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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 78 - No. 91 (1. Juli - 31. Juli)
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Heidelberger Familienblätter.

Belltriſtiche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 87.

Mittwoch, den 22. Juli

1868.

Eine polniſche Kloſtergeſchichte.

Aus den Papieren eines polniſchen Emiſſärs.

(Fortſstzung.)

Miein Freund war ſogleich entſchloſſen, Dorwana
zu ſeiner Gemahlin zu machen. ö
Wenn die Liebenden am Sonntag Nachmittage
im Alkoven beiſammen ſaßen, wechſelten ſie Kuß
um Kuß, leidenſchaftliche Umarmungen, tauſchten
ihre Pläne für ihre Zukunft und jene Polens. Ihr
Verhältniß war das unſchuldigſte, das man ſich nur
denken kann.
Kaſimir beſchäftigte ſich ſchon mit der prächti-
gen Toilette ſeiner künftigen Gemahlin. Sie zankten
ſich bereits in graziöſer Weiſe über die Farbe ihrer
Reitpferde, als die Gräfin K. durch das Benehmen
ihres Sohnes gegen ſeine Braut gewarnt, daſſelbe
mit dem Beſuche des ſchönen geiſtvollen Kloſter-
mädchens combinirte und meinem Freunde zuvor-
zukommen beſchloß. ö
Sie berief eines Tages Kaſimir in ihr Zimmer
und eröffnete ihm, es ſei hohe Zeit, den Hochzeits-
tag zu beſtimmen, ſie ſetze voraus, daß ihm die
Verbindung mit Henrika nicht früh genug ſtatt-
finden könne, und überlaſſe es daher gerne ſeiner
Ungeduld den Termin feſtzuſetzen.
Kaſimir erblaßte, ſtammelte und bezwang ſich
endlich, um der Gräfin zu erklären, daß er Henrika
nicht liebe, niemals vor den Altar führen werde.
Er geſtand ihr ſeine Leidenſchaft für eine Andere
und warf ſich endlich vor ihr auf die Kniee, um
ihren Segen zu erflehen. ö
„Die kluge Mutter verbarg geſchickt ihr Entſetzen,
küßte den Sohn mit zärtlicher Liebe, horte mit
voller Theilnahme die Geſchichte ſeiner Liebe zu
Dorwana, um zu erfahren, wo mein Freund Ge-
legenheit finde, die Geliebte zu ſehen, zu ſprechen
und wie weit die Sache gediehen ſei.
Sie erklärte zuletzt, ſie ſei mit ſeiner Neigung
vollkommen einverſtanden, aber ſie müſſe ſich Ge-
wißheit verſchaffen über den Charakter und die Ver-

hältniſſe des Mädchens, ehe ſie ihre Einwilligung

zu einer kirchlichen Verbindung gebe. Ohne daß
mein Freund ſchon eine Ahnung davon hatte, be-

gab ſich de Gräfin ſchöon am nächſten Morgen in

das Kloſter.

und im Reinen.
pörte ihn nicht minder als die Scene, welche ſie

Sie verſuchte es zuerſt, Dorwana zu gewinnen.
Sie bot dem erſtaunten Mädchen in einer längeren
Unterredung eine glänzende Ausſtattung, ſowie eine
ſehr bedeutende Rente, wenn ſie Kaſimir entſage,

und raſch eine andere Verbindung mit einem Be-

amten der Gräfin eingehe.
Dorwana wies dieſen beleidigenden Antrag zu-
erſt artig aber beſtimmt, dann ſchroff, heftig und
verächtlich zurück. ö ö ö
Flammend vor Zorn verließ die Gräfin das
Kloſter, um ihrem Sohne ſofort zu erklären, ſie
könne niemals ihre Einwilligung dazu geben, daß
ein Sproſſe des alten und berühmten Geſchlechtes
des Grafen K. eine Dirne zu ſeiner Frau mache.
Sie nannte Dorwana eine verruchte Heuchlerin,
welche Ehre, Tugend und Sitte mit Füßen trete
und es dennoch wage, ſich in eine ehrenwerthe
Familie einzudrängen. Sie aber werde ihr das
Handwerk legen.
Als ihr Sohn mehr erſchreckt als überzeugt Be-
weiſe verlangte, begnügte ſich die Gräfin damit zu
weinen, die ſchlechte Kreatur, welche ihren Sohn
ſo himmelſchreiend betrogen habe, zu verwünſchen
und ſchloß ſich endlich in ihren Zimmern ein.
Kaſimir fand bald Gelegenheit, Dorwana zu
ſprechen. Ihre Treue, ihre Offenheit waren dies-
mal ihr Glück. Sie flog dem Geliebten entgegen.
und erzählte ihm ſofort unaufgefordert und haſtig
die Begegnung mit ſeiner Mutter.
Dadurch war mein Freund ſogleich aufgeklärt
Der Antrag ſeiner Mutter em-

ihm vorgeſpielt.
Mit der Achtung für ſeine Mutter ſchwand auch
die ehrliche Offenheit, welche bisher ſein Benehmen
ihr gegenüber gekennzeichnet hatte. Er ſchwor Dor-
wana noch einmal ewige Liebe und entwarf ſich
einen eben ſo kühnen als liſtigen Plan, um ſeine
Mutter mit ihren eigenen Waffen zu bekämpfen
und aus dem Felde zu ſchlagen. ö
Ehrlich war dieſer Plan nicht, aber gut und
Graf Kaſimir machte ſich ſofort an deſſen Ausfüh-
rung. Mir allein theilte er ſein Vorhaben mit
und ich muß geſtehen, daß ich es billigte, denn ich
fürchtete von der Gräfin Mutter, ſowie ich ſie
kannte, ein gewaltſames und gewiſſenloſes Vergehen.
Ich hatte das Gefühl, es müſſe hier etwas Entſetz-
liches geſchehen und meine Ahnung trog mich nicht.
 
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