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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 27 - No. 39 (1. März - 29. März)
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Heidelber ger Familienblätter.

Belletriſiſche Beilage zur Hedebimer Zeitung. *

ö Freitag, den 2. Mürz

1868.

Die Nachbarn.

(Joriſ etzung.)

„Henry hat jedenfalls das Seine gethan,“ ent-
gegnete ſie in voller äußerer Ruhe; „indeſſen ent-
ſinne ich mich nicht, Vater, daß ich Dir jemals
das Verſprecheu gegeben hätte, ihn gegen meine
innere Neigung anzunehmen; auch glaube ich kaum
daß Du das einzige wirkliche Recht jeder Frau,
eine Werbung zurückzuweiſen, Deiner Tochter rau-
ben willſt, und ſo habe ich dem Vetter offen er-
klärt, daß, trotz aller verwandtſchaftlicher Neigung
zu ihm, doch von einer engeren Beziehung zwiſchen
uns niemals die Rede ſein könne.“ ö
Quentin's Geſicht färbte ſich dunkler,
war augenſcheinlich, daß die kalte Ruhe des Mäd-
chens ihren Einfluß auf übte; er ſchwieg einige
Sekunden lang, während ſeine Lippen ſich beweg-
ten, als fehle ihm das Wort zur Entgegnung.
„Und wenn ich nun dieſer Tochter auch Das, was
ſie ihr Recht nennt, nicht rauben werde,“ begann
er endlich wieder, „weiß denn aber dieſe Tochter,
was ich thun muß, wenn ſie meine liebſten Wün-
ſche vernichtet, um wenigſtens mein Eigenthum in
ſicherer Hand zu wiſſen?“
„Ich weiß nichts davon, Vater,“ erwiederte ſie,
während jetzt ein leiſes Roth wie unter einer be-
ginnenden Erregung in ihre feinen Züge trat; „ich
weiß nur, daß Eltern ſonſt ihr eigenes Glück in
dem ihrer Kinder finden, oft ſogar Opfer dafür
bringen, und ſo habe ich ſelbſt auch nie geglaubt,
etwas fürchten zu müſſen, weil ich mein Glück nur
in einer freien Wahl finden kann?“
„Und ich weiß, daß ich mich verdammt nicht
ein halbes Leben abgeſorgt und gequält und ein
Vermögen erworben habe, um es nachher irgend
einem windigen Patron, den meine Tochter ihre
freie Wahl nennt, zum Verſpekuliren und Verthun
in die Hände fallen zu ſauf e fuhr Quentin
heraus, während die Adern auf ſeiner Stirn ſtär-
ker anſchwollen. „Ich habe den Henry kommen
laſſen, damit ich einmal meine alten Tage in Ruhe
unter dankbaren Kindern und Enkeln verleben

Deinen Vater glücklich machen könnte, nichts wiſ-

aber es

könnte, — Du willſt von ihm und von Dem, was

ſen, Du willſt Deine eigene Laune nur als Geſetz
für Dich gelten laſſen, Deine amerikaniſche Ladie-
Laune, die Dir das Herz gegen alle kindlichen Em-
pfindungen und die Augen für einen jungen Men-
ſchen, der jede Andere glücklich machen würde, ver-
ſchließcz — wery well, ich werde mir wegen der
Undankbarkeit eines herzloſen Kindes das Leben
nicht verbittern, ich kann mir Erſatz ſchaffen und
habe Dir jetzt nur noch Eins zu ſagen. RNoch vor
Mittag wird Dein Vetter hier gerade ſo viel künf-
tiges Recht an mein Eigenthum haben, als Du
ſelbſt, und von da ab gebe ich Dir zwei Tage Be-
denkzeit. Beharrſt Du danach noch bei Deiner
jetzigen Laune, ſo mache n mein Te ſtament und
werde Das, was ich mir ſauer erworben, vor Dei-
ner freien Wahl zu ſichern wiſſen.“ — Dann
wandte er ſich nach dem jungen Manne, der kaum
die peinlichen Empfindungen, welche die Scene in
ihm erregt, zu verbergen wußte. „Laß Dein Pferd
ſatteln, Henry, in einer halben Stunde haben wir
mit einander einen Ritt zu machen!“ ſagte er und
ſchritt damit ſchweren Tritts nach der Thüre.
Loo hatte, während die Beſchuldigungen ihres
Vaters auf ſie fielen, langſam den Kopf geneigt,

als wolle ſie ohne Widerſtand und Abwehr auf

ſich nehmen, was auch über ſie ergehen möge, und
ebenſo ließ ſie den Alten an ſich vorüberſchreiten.
Als dieſer aber das Zimmer verlaſſen und Heinrich
mit einem halblauten erregten: „Um Gotteswillen,

Loo, das geht nicht ſo, ich kann mich nicht auf

Ihren Ruin hin bereichern laſſen!“ von ſeinem
Sitze aufſprang, da hob ſie mit einem ernſten
Kopfſchütteln das Geſicht. „Sie dürfen keine Be-
denken haben, Henry, wenn der Vater nicht in
fremde Hände fallen ſoll!“ ſagte ſie raſch; „denken
Sie nur daran, daß ich auf Ihre Hülfe baue, wenn
ich deren einmal bedarf — und ſo gehen Sie, aber
ſuchen Sie heute Abend möglichſt bald Ihr Zim-
mer, damit ich noch ein ungeſtörtes Wort mit
Ihnen reden kann.“ —
Eine halbe Stunde darauf ritt Heinrich neben
ſeinem Pathen in das Land hinein. Der Letztere
ſaß, die Augenbrauen dicht zuſammengezogen, auf
ſeinem großen Pferde, ſchweigend über die Gegend
blickend, und nur bisweilen ſchien er ſich gewaltſam
aus ſeiner Stimmung herauszureißen, und eine
Bemerkung über den Zuſtand der Felder, welche ſie
paſſirten, zu machen. Heinrich hatte nur eine Ver-
 
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