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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 118 - No. 130 (2. October - 30. October)
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geidelberger gamilienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 124.

Freitag, den 16. October

1868.

Von Dreien Eine.
Eine Erzählung.

(Fortſetzung.) ö
„Was das für ein Unſinn iſt,“ brummte der
Burſche, als er die Treppe wieder hinabſtieg, —
„mit ſich ſelber Lottorie ſpielen!“
„Spindelmeyer hatte nicht ſo ganz Unrecht, Lieute-
nant von Rohrbach war aber einmal Fataliſt, und
überdies befand er ſich zur Zeit in einem ſchlim-
men Dilemna. ö
Aus der kurzen Charakteriſtik der drei vorge-
nannten Damen wird man ſchon erkannt haben,
daß er kein Vermögen beſaß, denn das Geld ſchien
bei ihm doch eine große Rolle zu ſpielen. Er war
nun ſchon ſeit neun uud einem halben Jahre Se-
condelieutenant und konnte bei dem damaligen
ſchlechten Avancement der Kavallerie recht gut noch
vier Jahre Secondelieutenant bleiben und ſelbſt,

wenn er früher Premierlienkenant wurde, was hatte

er dann? — Er war paſſionirter Reiter und tüch-
tiger Kavallerieofficier, im Frieden pflegt der Dienſt
aber mit der Zeit etwas langweilig zu werden.
Herr von Rohrbach träüͤmte daher ſeit geraumer
Zeit nur noch von Abſchiednehmen, einer reichen
Heirath und einem Rittergute, gleichviel ob groß
oder klein; er wollte auch einmal ſein eigener Herr
werden und von den kleinen Unannehmlichkeiten des
Lebens, wie ſie ſowohl der Mangel an Vermögen
als der einer treuen Lebensgefährtin mit ſich bringt,
befreit ſein, und daß letztere ihm nicht auf der
Naſe herumtanzen und ihn ſeiner perſönlichen Frei-
heit berauben ſollte, dafür gedachte er ſchon zu
ſorgen. ö
Wir erwähnten ſchon, daß er bei den Frauen
immer Glück gehabt haben ſollte, und dem war
wirklich ſo, aber bis vor einiger Zeit hatte er ent-
weder nicht an das Heirathen gedacht, oder ſeine
Angebetete und ihn wieder Anbetende hatte kein

Geld gehabt, und bekanntlich braucht ein Lieutenant

zwölftauſend Thaler, um heirathen zu dürfen.
Seit einem Jahre alſo hatte ſich der Herr von
Rohrbach nach ſolideren Bekanntſchaften umgeſehen,
und da er ein hübſcher Mann und obenein Dra-
gonerofficier war, hatte es ihm nicht daran fehlen
können, ſie zu finden. Aus ſeinem Lotterieſpiel

läßt ſich leicht entnehmen, daß er drei weibliche

Heirathkandidaten auf der Liſte hatte und daß er
wohl überzeugt ſein oder wenigſtens hoffen mußte,
es liege nur an ihm, eine von ihnen zu ſeiner beſ-
ſeren Hälfte zu machen. Man höre ſeinen Mono-
log, ſobald Spindelmeyer ſeine Stube verlaſſen hatte,
um ſeine Zweifel, welcher er den Vorzug geben
ſolle da er nicht alle drei, wie ein Muſelmann, hei-
rathen konnte, zu begreifen. ö
„Alſo Thekla von Sturmfeld!“ ſagte er nach-
denklich, als er den nicht verbrannten Zettel abge-
wickelt hatte, und ſtützte ſein ſorgenſchweres Haupt
in die Hand. „Hm, Thekla, Baroneſſe von Sturm-
feld und hat viel Geld! — Ueberlegen wir uns
die Sache einmal, obgleich ſie jetzt unwidekruflich
entſchieden iſt. Am liebſten hätte ich eigentlich Ma-
thilde von Sanftenbach gezogen. Ich habe die
meiſte Inklination für ſie, obgleich ſie nur gerade
zwölftauſend Thaler und keinen Heller mehr hat.
Wie ſonderbar doch der Menſch iſt! das kleine
„Stückchen Fleiſch, das Herz, möchte ihm immer
Streiche ſpielen. Wo bliebe das Rittergut, wenn
ich Mathilde gezogen hätte? — freilich mit ſechs-
hundert Thaler Zulage und ein Bischen wahrer
Liebe kann man auch als Secondelieutenant recht
angenehm leben. Aber fort mit dem Gedanken!
Fatalismus, dir habe ich mich in die Arme gewor-
fen, und es wäre ſehr hinterliſtig von dir, mein
blindes Vertrauen zu täuſchen. Daß es die Nina
nicht ſein ſoll, iſt mir ſchon ganz recht, obgleich
der alte Banquier Heymann mit Hunderttauſenden
rechnet, wie mein Spindelmeyer in ſeiner Sonn-
abendsrechnung für mich mit Sechſern. Aber es
wäre doch gewiſſermaßen eine Mesalliance geweſen,
wenn ſie ſich auch hätte taufen laſſen, woran ich
noch zweifle. Hm, alſo Thekla Sturmfeld! Die
Verlobungskarte wird ſich gar nicht übel ausneh-
men.“ —
Und der Lieutenant kritzelte während ſeines Ge-
dankenfluges mechaniſch auf den Reſt des gelben
Conceptbogens:
„Lhekla, Baroneſſe von Sturmfeld,
Leopold v. Rohrbach,
Lieutenant im 1. Dragoner⸗Regiment,
Verlobte,“
malte mit der Feder einen zierlichen Rand in Vi-
ſitenkartenform um die Schrift und ſchnitt wieder
das Papierchen mit der großen Papierſcheere ab,

dann ſah er es eine Weile lächelnd an und ſteckte
 
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