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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 78 - No. 91 (1. Juli - 31. Juli)
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Heidelberger Familienblätter.

Velletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

V84.

Mittwoch, den 15. Juli

1868.

Ein neuer Robinſon.
(Schluß.)

An Brennmaterial fehlte es ihnen nicht, denn
am Ufer fand ſich Treibholz in reichlicher Menge,

und auch das lange Moos erwies ſich, wenn es an

der Sonne getrocknet und verbrannt wurde, als ge-
eigneter Stoff zur Herſtellung des Cements.
So hatten dieſe wackeren Matroſen, die ihr
männlicher Muth keinen Augenblick verließ, binnen
weniger Monate nicht nur ihren Behälter gefüllt,
ſondern es ſogar nöthig gefunden noch andere zu
errichten, während im gleichen Verhältniß auch ihr
Vorrath an Fellen zunahm. Sie waren vom erſten

Tag ihres Landens an bei der Arbeit methodiſch zu
in den Klippen umherkletterte, erfreute ihn am nörd-

Werke gegangen, indem ſie ſtets eine beſtimmte An-
zahl von Stunden der Beiſchaffung und Zubereitung
von Lebensmitteln widmeten, welche aus den Myria-
den von Seevögeln und aus den Rudeln von wil-
den Schweinen, die ſich mit den Gewehren leicht
erlegen ließen, maſſenhaft genug hätten beigeſchafft
werden können, um eine ganze Armee zu ernähren.
Eine andere Zahl von Stunden fiel dem Fang und
dem Abziehen der Seehunde oder dem Auslaſſen des
Thrans zu, während gleichfalls eine beſtimmte Zeit
der Erholung und Beluſtigung, wie ſie die Oert-
lichkeit bieten mochte, zugewieſen war.
Bisweilen wurde dieſe Tagesordnung durch Aus-

flüge in das Innere der Inſel unterbrochen. Bei

ſolchen Gelegenheiten erſtiegen ſie die ſteilen Fels-

kuppen, um von hier aus ſich nach vorbeifahrenden

Schiffen umzuſehen; aber obſchon ſich hin und wie-
der die oberen Segel eines fernen, oſt⸗ oder weſt-
wärts ziehenden Fahrzeuges erblickten, ſo kam doch
nie eines nahe genug heran, daß ſeine Leute die
ſtetig auf den Bergſpitzen flatternden Signalflaggen
bemerken konnten. —
Nach Ablauf von drei Jahren waren ihre Klei-
der dermaßen in Fetzen gegangen, daß ihnen die
Seehunde das Mittel zu neuer Bedeckung liefern
mußten. „Ich konnte zum erſten Mal nach dem
Tode des armen Dagget wieder lachen“, ſagte Pit-
man, „als ich einen vollſtändigen Anzug von See-
hundsfellen, die Haarſeite nach außen gekehrt, an-
probirte und ihm der Kritik meines Kameraden
preisgab... ö
M'Charthy wurde krank und ſtarb.

Jetzt erſt begann Pitmann alle die Schrecken
ſeiner einſamen Lage zu empfinden. Bisher hatte
ihm die Geſellſchaft ſeines Freundes das Leben er⸗—
träglich gemacht und ſein Geiſt in der täglichen ge-
meinſamen Arbeit Zerſtreuung gefunden; doch jetzt
mußte er ſtets an ſein troſtloſes Schickſal denken,
und er zweifelte nicht, daß auch ihm beſchieden ſei,
an der verödeten Küſte, fern von aller Menſchheit,
ſeinen letzten Athemzug auszuhauchen.
Bis zum Tode ſeines zweiten Freundes hatte er
ſich ſtets mit der Hoffnung getröſtet, daß ſie mit
einander wieder in ihre Heimath zurückkehren wür-
den; aber jetzt war auch das letzte Band zerriſſen,
das ihn an's Leben kettete und ihm Lebensmuth ein-
flößte. ö
Eines Tages, während er nach wilden Schweinen.

lichen Horizont der unerwartete Anblick von zwei
Segeln. Obgleich ſie nicht auf die Inſel zufuhren,
ſo friſchte doch dieſes Ereigniß ſeinen Muth wieder
auf, und er zweifelte nicht, daß endlich ein glück-
licher Wind ein rettendes Schiff in die Sehweite
ſeiner immer flatternden Signale führen werde. Mit
erneuter Kraft und Hoffnung kehrte er nach ſeiner
Hütte zurück und ſuchte der zaghaften Gedanken ſich
dadurch zu entſchlagen, daß er unverdroſſen mit
Sammeln von Häuten und Thran fort machte; „denn
ich dachte“, ſagte er, „falls es ja das Glück ſo gut
mit mir meint, mich wieder unter Mitmenſchen zu
führen, ſo fahre ich nur um ſo beſſer, wenn ich
Mittel genug mitbringe, um unter ihnen leben zu
können, ohne daß ich nöthig habe, abermals dem
Matroſengewerbe nachzugehen.“
Wieder entſchwand eine Reihe von Jahren, wäh-
rend welcher der brave Seemann, faſt gegen alle
Hoffnung hoffend, rüſtig fort arbeitete. Kufe füllte
ſich um Kufe, und um ſeine Hütte her hingen die
Felle zu Tauſenden. Jedes Jahr umwandelte er
zwei Mal die felſige Küſte, ob ſich keine Seehunds-
jäger blicken ließen, doch konnte er nirgends Spuren
wahrnehmen, daß je irgend wo gelandet worden
wäre. ö
Nach M'Carthys Tode waren kaum drei Monate
verfloſſen, als unſern Einſiedler die Einſamkeit ſeiner
Lage bewog, ſich unter den lebenden Thieren ſeiner
Umgebung nach Geſellſchaft umzuſehen, und bald
wimmelte es in ſeiner Hütie von gezähmten Vögeln
aller Art, namentlich einem Schwarm von Albatros,
 
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