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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 131 - No. 143 (1. November - 29. November)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M135.

Mittwoch, den 11. November

1868.

Louiſe von Sombreuil.

Skizze aus der franz. Revolution von Hermann Uhde.

In dem franzöſiſchen Departement Cote-d'or
erblickt man in der Nähe von Beaune am Fuße
eines kleinen, rebenbewachſenen Hügels ein ſtattli-
ches Gebäude in Renaiſſanceſtyl, welches im Jahre
1789 von einem Edelmann aus altem Geſchlechte,
dem Baron von Sombreuil, bewohnt wurde. Der
beſagte Herr hatte ein reiches, geſegnetes Leben hin-
ter ſich, und die Liebe ſeiner treuen Gattin, ſowie
die Anhänglichkeit ſeiner einzigen Tochter Louiſe
ſchienen ſeinen Lebensabend zu einem glücklichen,
zufriedenen geſtalten zu wollen. Die am Hofe
immer mehr um ſich freſſende Sittenfäulniß hatte
ſich bis in die Provinz noch nicht Bahn zu brechen
vermocht, und Louiſe von Sombreuil war ein, wie

an Körper und Geiſt, ſo auch an Reinheit und

Adel des Gemüthes untadelhaftiges Mädchen. Was
Wunder, daß trotz ihrer Jugend, trotz ihres nicht
beträchtlichen Vermögens, ſich ein Freier nach dem
andern einſtellte, die indeſſen Alle auf artige, aber
feſte Weiſe von der reizenden Louiſe die Verſiche-
rung hören mußten, „daß ſie überhaupt gar nicht
heirathen werde, da ſie feſt entſchloſſen ſei, ihren
guten alten Vater, ſo lange er lebe, nicht zu ver-
laſſen.“ —
Allein wenn auch die Kunde hiervon ſich bald
weiter verbreitete, ſo blieb dennoch das Haus des
alten Sombreuil von Beſuchen junger Männer, die
es alle auf die Hand ſeiner ſchönen Tochter abge-
ſehen hatten, nicht leer, indem ein jeder hoffte, ein
Gut, welches ein widriges Geſchick dem Andern ent-
zogen, vielleicht ſeinerſeis doch im ſichern Port zu
bergen. — —
Einer der hartnäckigſten und beharrlichſten dieſer
Freier war der Sohn eines durch glückliche Spe-
kulationen zu Wohlſtand gelangten Großhändlers,
Taillefert, ein wüſter und roher Geſelle, der, wie
das bei Parvenus zu geſchehen pflegt, nicht die ge-
ringſte wiſſenſchaftliche oder geſellige Bildung beſaß,
und nur durch ſeinen koloſſalen Reichthum ſich ein
gewiſſes Uebergewicht verſchafft hatte.
Dieſer Menſch war in Gutem ſchon ſo oft aus
dem Sombreuib'ſchen Hauſe hinauscomplimentirt,
daß dem alten Baron endlich die Geduld riß, und
er dem Ueberläſtigen eines Tages in unſanfter,

etwas draſtiſcher Weiſe die Thür zeigte, weil der-

ſelbe, in ſeinen Bemühungen um die ſchöne Louiſe

gar zu eifrig, die Grenzen des Erlaubten ziemlich
hart ſtreifte. —
Der Beleidigte, — deſſen Geſchick bekannt wurde
und ihm, nach dem alten Sprüchworte: „Wer den
Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu ſor-
gen“, eine Menge von rohen Neckereien zuzog —
gelobte Rache. Nur zu bald ſollte die Zeit kom-
men, wo ſich ihm die erwünſchte Gelegenheit zur
Erfüllung ſeines finſteren Schwures darbot. —
Die Revolution in Frankreich brach aus: die

Baſtille wurde geſtürmt, und die Erſchütterung,

welche dieſe heftigen Stöße in Paris hervorriefen,
pflanzte ſich weiter, pflanzte ſich bis in die Provin-
zen fort. Ueberall zogen Horden bewaffneter Män-
ner ſchreiend, lärmend, politiſche Lieder brüllend in
den Städten, wie auf dem platten Lande umher,

und wer das Wörtchen „von“ vor ſeinem Namen

führte, galt für verfehmt. —
In dieſen dunkeln und verworrenen Zeitläufen
hatte Taillefert mit ſeinem Haſſe gegen die von
Sombreuil leichtes Spiel. Er rottete ſich mit den
wüthendſten Jakobinern zuſammen, und — von den
Rothen der Rötheſte, — erlangte er es leicht, daß
der Name des guten alten Barons auf die Pro-
ſkriptionsliſte geſetzt wurde.
Kaum war dies geſchehen, ſo drangen bewaff-
nete Horden bei Sombreuil ein, plünderten das
Schloß, riſſen den Greis aus dem Bette, und ſchleif-
ten ihn hinunter auf die Straße, wo grade ein
Karren mit ähnlichen „Verbrechern“ immer bereit
ſtand, um nach Paris, dem unerſättlichen Höllen-
che der Guillotine entgegen geführt zu werden.
Ehe der Tag verging waren die beiden Frauen
bereits auf der Reiſe nach der Hauptſtadt: Die hel-
denmüthige Louiſe feſt entſchloſſen, mit ihrem Vater
jedes, auch das grauſamſte Geſchick zu theilen. Sie
mietheten ein kleines Stübchen, vier Stock hoch in
einem abgelegenen Stadtviertel, um ſo wenig als
möglich beachtet zu werden. — In der That ließ
man ſie unbehelligt; ſie hatten keinen Feind als den
gemeinen Schadenſtifter, Taillefert, der nur ganz
kurze Zeit nach ihnen in Paris erſchienen war, um
die Fäden ſeiner Intrigue weiter zu ſpinnen. —
Wenige Wochen vergingen, ſo wurde Sombreuil
vor ein Gericht geſtellt: Der Ausgang des Prozeſ-
ſes konnte nicht zweifelhaft ſein; es war der ge-
 
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