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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 92 - No. 104 (2. August - 30. August)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

92.

Sonntag, den 2. Auguſt

1868.

Zum dritten deutſchen Bundesſchießen.

Wien, 2. Juli.
dem Feſtzuge zur Begrüßung der Schützen gehalten
worden, mögen hier nachſtehend die Worte eine,
Stelle finden, womit der Bürgermeiſter von Wien,
Dr. Zelinka, an der Schwarzenbergbrücke den
Empfang der Feſtgäſte begleitete. „Das begeiſterte
Willkommen“, begann Dr. Zelinka, „das den deut-
ſchen Schützen von der geſammten Bevölkerung
Wiens heute entgegenſchallt, iſt die ſichere Bürg-
ſchaft, daß das Band, welches die deutſchen Stämme
Oeſterreichs mit ihren Brüdern im Norden und
Süden unſeres gemeinſchaftlichen Vaterlandes Jahr-
hunderte lang in Treue und Liebe umſchlungen
hielt, nicht gelockert wurde. Das Banner und die
Fahnen des deutſchen Schützenvereins werden mir
heute als das Symbol der Zuſammengehörigkeit
aller deutſchen Stämme an einer Stelle anvertraut,
an welcher ſchon vor Jahrhunderten wiederholt die
Bürger Wiens im Vereine mit ihren deutſchen
Stammgenoſſen die gefährlichſten Stürme, welche
gegen die Civiliſation gerichtet wurden, heldenmü-
thig und ſiegreich zurückgeſchlagen haben.
Stelle verſpreche ich im Namen der Bügerſchaft
Wiens, deren Vorſtand heute zu ſein ich als die
größte Ehre anſehe, daß ſie das mir ſoeben über-
gebene Symbol deutſcher Eintracht durch die Zeit,
für welche daſſelbe ihr anvertraut bleibt, redlich
hüten, die Liebe zu ihren deutſchen Brüdern aber
für ewige Zeiten in ihrem Herzen erhalten wird.
Das Ziel, welches durch unſere Eintracht erreicht
werden ſoll, iſt der Friede! Der Friede vor Allem
zwiſchen den einzelnen deutſchen Volksſtämmen, der
die Individualität eines jeden derſelben achtet und
ehrt, — der Friede, der, indem er dem Ehrgeize
eines jeden einzelnen Volksſtammes Selbſtbeherr-
ſchung auferlegt, die Eintracht der geſammten Na-
tion fördert und belebt. Es iſt ein freies Volk,
das heute ſeine Stammesbrüder in ſeiner Mitte be-
grüßt! Der Ernſt und die Energie, mit welcher

wir das nun erworbene Gut zu wahren und zu

ſichern ſuchen, iſt eine Bürgſchaft dafür, daß wir
den hohen Werth deſſelben erkennen, nicht nur für
uns, ſondern für die Civiliſation und, für die Ent-
wicklung des öffentlichen und individuellen Rechtes
in allen Gauen Deutſchlands. Friede und Recht

und, geſetzliche Freiheit, das. iſt die Loſung, die uns

An dieſer

vereinigt! Unter dieſem Wahlſpruch ſeid alſo ihr
deutſchen Brüder uns willkommen.“
Von den Reden, die bei!

Mit den Toaſten bei dem erſten Schützenban-
kette begann Dr. Kopp, Präſident des Central-

comites: Ich eröffne hiemit dieſe Rednerbühne. Es
war dieſelbe von jeher das Palladium unſerer vater-
ländiſchen Freiheit; ſo möget Ihr ſie benützen, um

zu befördern, um zu heben unſere gegenſeitige Ein-

tracht, um zu beleben, zu wecken jenes hoͤchſte Ge-

fühl, ohne das es nichts Großes mehr gibt für
das Volk und im Volke, die Liebe zum gemein-
ſamen Vaterlande. (Stürmiſcher Beifall.) Wohl
gibt es Leute, die da einen Zweifel aufwerfen, ob
es denn noch ein Deutſchland gäbe, und in der
That: hier ein norddeutſcher Bund unter preußi-
ſcher Oberherrſchaft, dort wieder einige autonome
Königreiche und Großherzogthümer, die nach dem
Ariadnefaden haſchen in dem Labyrinthe, in dem
ſie einmal verfallen ſind; hier endlich der abgeriſ-
ſene Koloß eines deutſchen Landes (Beifall), wel-
ches ein allzu eifriger Arzt vom geſunden Leibe
losgetrennt, auf die Gefahr hin, das Siechthum
des ganzen Koͤrpers zu begründen. (Lebhafter Bei-
fall.) Alſo, wo iſt das deutſche Vaterland! Doch
da blicke ich auf unſere ſchöne Donau, die da ihre
blauen Wellen fortbewegt, als wollte ſie ſich zum
ewigen Schlafe legen, bis endlich einige feindliche
Inſeln ſie in ihrem Laufe ſtören. Der Kampf be-
ginnt in den ſchäumenden Wellen, die Inſeln Re-
gen, und in fünf Arme zerſtiebt der ſchöne Donau⸗—
ſtrom. Doch fragt ihr, wie dieſe Arme heißen?
Donau heißen ſie alle. (Lebhafter Beifall.) Doch
ſiehe, über ein Kleines vereinigen ſie ſich wieder zu
einem mächtigen Strome, der' ſich majeſtätiſch er-
gießt in das allumfaſſende Meer. (Beifall.) Und
ſo iſt denn unſer Deutſchland an den Inſeln an-
gekommen, allein jeder der getrennten Theile heißt
Deutſchland und iſt Deutſchland und wird und muß
ſich vereinigen zu einem großen, mächtigen Ganzen.
(Stürmiſcher Beifall.) Und wenn es wieder Leute
gibt, die da allen Ernſtes die Frage aufwerfen,
was denn wir Oeſterreicher noch in Deutſchland zu
ſuchen haben, nachdem wir einmal daraus geſchie-
den wurden, ſo hat dieſe Frage ſcheinbar eine Be-
rechtigung. In der That, dies Oeſterreich, das ſich
wie ein Phönix aus der Aſche erhob (allgemeiner
Beifall), dies Volk, das im Vereine mit ſeinen er-
habenen Führern aus dem zerſtampften Boden in
 
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