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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 40 - No. 52 (1. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43665#0171

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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

Freitag, den 3. April

1868.

Die Nachbarn.

(Fortſetzung.)
Heinrich legte wie in einem ſtillen, ſeligen

Traum ſeinen Heimweg zurück; oft blieb er unbe-

wußt ſtehen, um, in den hellen Nachthimmel
blickend, ſeine ganze Begegnung mit ihr noch ein-
mal an ſeinem Geiſte vorüberziehen zu laſſen, und
ſelbſt der Gedanke an Quentin ſtörte ihn nicht; es
war ihm nach dem Geſpräch mit Charles, als müſſe
das Herz des Alten noch zur rechten Erkenntniß
kommen und ſegnen, wo nur Liebe für ihn und
Frieden für Alle war. ö
Es war am zweiten darauf folgenden Morgen,
als Heinrich mit einer⸗Seele voll drückender Ah-
nung der Frühſtücksglocke folgte. Der vorhergehende
Tag war ein faſt unheimlicher für ihn geweſen.
Er hatte ſeiner Baſe, die ſeine Rückkehr von Baum-
bachs Hauſe erwartet gehabt, Charles Aeußerungen
mitgetheilt, und nun hatte ſich dieſe in ihrem Zim-
mer völlig abgeſchloſſen gehalten und dort den gan-
zen Tag nur eine einzige Mahlzeit zu ſich genom-
men. Quentin hatte den Verſuch gemacht, ſich
ſeinem Adoptivſohne bei deſſen Morgenritte über
die Plantage anzuſchließen und ein Geſpräch über
einzelne Erſparungsideen desſelben zu beginnen,
war aber bald von den eigenen Gedanken, die ihn
drücken mochten, übermannt worden, und Heinrich
hatte ſich am wenigſten berufen gefühlt, das ein-
getretene Schweigen zu brechen. Erſt als ſich
Hadley auf der Straße jenſeits der Einzäunung
gezeigt, war der Alte wieder lebendiger geworden,
hatte dem Doktor zugerufen, nach dem Hauſe zu
reiten, und ſich ſelbſt wieder dahin zurückgewandt.
Als aber der junge Mann abſichtlich erſt zur
Mittagszeit heimgekehrt war, hatte er den Haus-
herrn in einem Zuſtande gefunden, der zwar den
ſchwarzen Dienſtboten, welche dem „Maſter“ ſorg-
lich anus dem Wege gingen, etwas Bekanntes zu
ſein ſchien, der aber den neuen Ankömmling mit
peinlicher Sorge erfüllte.
Mit braunrothem Geſichte und ſtieren Augen
ging Q entin im Hauſe umher, jeden zufällig in
ſeinem Wege befindlichen Gegenſtand mit dem Fuße
bei Seite ſtoßend und ſich unzähliger ingrimmiger

„Verdammt“ entledigend, bald eine Weile in die
offene Hausthüre tretend und mit groß aufgeriſ-
ſenen Augen in die Ferne ſtarrend, bald, wie ſich
ſeines auffälligen Benehmens bewußt werdend, ſich
auf einem Stuhle niederlaſſend und Verſuche zu
ſeiner Sammlung machend. Nur mechaniſch ſchien
er der Mittagsglocke zu folgen und von Heinrich
erſt Notiz zu nehmen, als dieſer, ſich ihm gegen-
über niederließ. „Trink' einen Brandy, wie ich es
gethan habe, Junge, wenn Dir die Geſchichte ſehr
an's Herz geht,“ brummte er da, als würden mil-
dere Gedanken in ihm lebendig; „es wird nichts
aus der Sache, auch morgen nicht, ich weiß es
ſchon, wir ſollen einmal Beide unglücklich ſein!
Sie hat einen Sparren im Kopfe, der Doktor will
mir's beweiſen — iſt aber doch ein Eſel, der Dok-

tor, denn ich habe ihn erſt ſelber auf den Gedan-

ken gebracht, und das weiß er nicht einmal.“ Dann
begann er haſtig die Speiſen hinabzuſchlingen, die
er ſich während des Sprechens auf ſeinen Teller
gelegt, und verließ endlich mit einem unverſtänd-
lichen Murmeln, in welchem nur einzelne „Ver-
dammt“ ſeine wieder veränderte Stimmung andeu-
teten, das Zimmer, ſich in das ſeinige zurückziehend.
Und dort lag er noch, mit aufgedunſenem Geſichte
ſchlafend, als nach mehreren Stunden Heinrich be-
ſorgt die Thür öffnete, um nach ihm zu ſehen.
Unter der ſchwarzen Dienerſchaft ſchien ſich die
Ahnung von etwas Kommendem wie die Schwüle
vor einem Gewitter geltend zu macheu, ſcheu eilte
Eins am Andern vorüber und nur im Souterrain,
in welches Heinrich hinabſtieg, um ſeinen Cäſar
zu rufen, ſtanden die dunkeln Geſichter bei einan-
der, ſich flüſternd ihre Beobachtungen mittheilend.
Und als Heinrich am Morgen darauf nach
einem etwas ſpäteren Erwachen durch das Fenſter
ſeines Zimmers blickte, ſah er bereits den Doktor
ankommen und vom Pferde ſteigen. Zuerſt ſchoß
es dem jungen Manne durch den Kopf, daß Quen-
tin in Folge ſeiner geſtrigen Unmäßigkeit krank
geworden ſein könne; als ihn aber die Stimme des
Letzteren, welcher dem Angekommenen aus ſeinem
Fenſter zurief, es ſich nur bequem zu machen, er
werde bald bei ihm ſein, über dieſe Sorge beruhigt,
ſtieg plötzlich dasſelbe Gefühl unbeſtimmter Angſt
für Loo, welches ihn bei den Auslaſſungen Had-
ley's vor der Friedensrichter-Office überkommen,
wieder in ihm auf. Es war der Morgen, an wel-
 
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