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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 118 - No. 130 (2. October - 30. October)
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Heid

elberger Familienblätter.

Belletriſtiche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 129.

Mittwoch, den 28. Ottober

1868.

Von Dreien Eine.
Eine Erzählung.

(Fortſetzung.)
Die Baronin und die beiden andern jungen
Damen brachten, nachdem man ſich vergeblich ge-
fragt hatte, was mit Mathilde geſchehen ſein könne,
dieſe in ein Nebenzimmer; Thekla hatte verſichert,
ſie wiſſe nicht im Mindeſten, was ihrer lieben
Freundin zugeſtoßen ſei. Sie log, das wußte Rohr-
bach, denn warum erwähnte ſie nicht des Papier-
chens, das er ſie Mathilden hatte zuſtecken ſehen?
Warum ſagte ſie, ſie und Mathilde hätten nur
von ganz gleichgültigen Dingen geſprochen, waͤh⸗
rend ihm die Bewegung und das ſchnelle Erblei-
chen des Fräuleins von Sanftenbach nicht entgan-
gen war?
Er zürnte ihr um ſo mehr, als ihm das bleiche
Antlitz der ohnmächtigen Mathilde mit den geſchloſſe-
nen Augen ſchon lange, nachdem man ſie aus dem
Zimmer geſchafft hatte, nicht aus dem Sinn wollte;
in dem „Fataliſten“ hatte ſich wieder die „Stimme
des Herzens“ geregt. ö
Die Baronin und Nina kehrten bald mit der
Verſicherung, daß Mathilde ſich wieder erholt habe,
zurück; Thekla war bei ihr geblieben. Das Mahl
wurde ſchnell beendet. ö
Fräulein von Sanftenbach erſchien nicht wie-
der; ſie hatte geweint und, obgleich die Baronin
wünſchte, daß ſie die Nacht auf dem Gute bleibe,
beſtimmt verlangt, ſo ſchnell als möglich mit Nina,
mit der ſie gekommen, wieder nach der Stadt zu-
rückzukehren. Die Baronin ſchüttelte den Kopf und
flüͤſterte ihrem Mann, nicht leiſe genug, daß es
nicht auch der ſcharf aufhorchende Rohrbach ver-
nommen hätte, in das Ohr:
„Ich fürchte, ich fürchte, daß da wieder Thekla
die Hand im Spiele hat, aber Mathilde wollte
ſich nicht ausſprechen.“
Der Wagen der beiden jungen Damen fuhr im
Hofe vor. Mathilde trat ſchwankenden Schrittes

und mit gerötheten Augen wieder ein; ihr erſter

Blick ſuchte Rohrbach, und faſt ſchien es, als wolle
ſie noch einmal umſinken, aber ſie faßte ſich ge-
waltſam und nahm von allen einen kurzen Ab-
drach. Auch der Lientenant rüſtete ſich zum Auf-
ruche. ö

4

ſtieg ſein Pferd.

„Warum bleiben Sie nicht noch länger?“ flü-
ſterte Thekla ihm zu. ö
Er entſchuldigte ſich damit, daß die gute Laune
an dieſem Abende doch einmal geſtört ſei.
„Ach, es iſt ja nichts,“ meinte Thekla lächelnd.
„Mathilde hat ſchwache Nerven, und da kommt ein
ſolcher Zufall leicht vor.“ Aber Rohrbach ging
doch, nachdem er ſich verabſchiedet hatte, und be-

„Ich werde den Wagen, der bereits abgefahren
iſt, einholen“, ſagte er laut, — um in der „Nähe
zu ſein, wenn Fräulein von Sanftenbach etwa ein
neuer Zufall zuſtoßen ſollte.“
Thekla wurde glühend roth — vor Aerger.
Rohrbach hatte den Wagen in wenigen Minu-
ten erreicht, denn er ließ ſeinen Braunen ordent-
lich ausgreifen. Als er jenem zur Seite war, hörte
er Mathilde leiſe ſchluchzen. Auf ſeine beſcheidene
Frage ſagte ihm Nina, die über des Lieutenants
Aufmerkſamkeit keineswegs ſehr erfreut ſchien, Fräu-
lein von Sanftenbach befinde ſich wohl und man
bedürfe keiner Hülfe. Dennoch blieb Rohrbach ſtets
dicht hinter dem Wagen; er kampfte mit ſonder-
baren Gefühlen und Ueberlegungen.
„Das Alles iſt meinetwegen geſchehen,“ ſagte
er ſich, — „daran iſt kein Zweifel; wenn ich nur
wüßte, wie es zuſammenhängt! Mathilde liebt
mich mehr, als ich gedacht habe. Heiliges Donner-
wetter! warum habe ich ihren Namen nicht heute
Morgen gezogen? — Thekla von Sturmfeld iſt
nicht blos wild und kokett, ſie hat auch ein ſchlech-
tes, theilnahmloſes Herz und ſie iſt eiferſüchtig wie
ein Teufel. Was ſoll ich mit einer eiferſüchtigen
Frau thun, ich, bei meinen Grundſätzen? Das
müßte ja eine Hölle auf Erden oder ich Trappiſt
werden! — Die arme Mathilde! — Das geht
wahrhaftig nicht, der Fatalismus hat mir einen
dummen Streich geſpielt; Gott ſei Dank, daß ich
Thekla noch nicht eine Liebeserklärung gemacht habe.
Wir wollen uns doch die Sache noch einmal über-
legen.“ ö
Mit dieſem ſchwankenden Reſultate kam Rohr-
bach an das Stadtthor, ritt noch einmal an den
Wagenſchlag und fand Alles beim Alten, verab-
ſchiedete ſich mit den beſten Wünſchen für Mathilde
und ließ dann ſeinen Braunen zur Abkühlung lang-
ſam nach Hauſe gehen.

Der Lieutenant hielt, ehe er ſich in das Bett
 
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