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Heidelberger Familienblätter — 1868

DOI Kapitel:
No. 144 - No. 155 (2. December - 30. December)
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Heid

elberger Lamilienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M148.

Freitag, den 11. Detember

1868.

In Feindesland.

Novelle von Adolph Müller.

(Schluß.)
Des Offiziers Freude über das ſeltſame uner-

wartete Zuſammentreffen war nicht zu beſchreiben.

Ich ſah, wie ſein Herz höher ſchlug in dem Ge-
danken, in der Nähe eines Weſens ſeiner Geneſung
entgegengehen zu dürfen, an deſſen ſtille Verehrung
ſich in Folge der Briefe ſeiner lieben Abgeſchiedenen
ſein Herz einſt gewöhnt hatte, und das er jetzt in
der vollen Blüthe der Weiblichkeit und Jugend ken-
nen lernte. Wenn mich meine Beobachtungsgabe
nicht täuſchte, ſo glaubte ich bald wahrzunehmen,
daß ſeine Gedanken öfters bei Magdalenen als bei
ſeiner Elſe zu verweilen begannen, und ſeine Kla-
gen über ihr langes Stillſchweigen wurden ſeltener.
Ich hielt den Augenblick für gekommen, ihm Ent-
hüllungen über das Schreiben aus ſeiner Heimat
zu machen. Ich that es nicht ohne die nöthigen
Umſchweife.
ö „Ich habe ſchon oft über die Bedeutung der
Träume nachgedacht und bin dabei zu ſeltſamen
Schlüſſen gekommen. Jedenfalls gönnt uns in
ihnen die Vorſehung einen divinatoriſchen Blick in
die Zukunft, wenn auch das Geträumte mit wun-
derlicher Variation in die Wirklichkeit tritt. Ich
will ein Beiſpiel zum Beleg meiner Behauptung
wählen, das Ihnen aus nächſter Nähe bekannt iſt.
Beim Abſchied von Ihrer Braut erzählte ſie Ihnen
ihren Traum aus der vorangegangenen Nacht, worin
ſie im Myrtenkranze am Altar ſtand, während Sie
verwundet am Boden lagen. Mein Freund, was
ſagten Sie dazu, wenn wirklich Ihre Braut in die-
ſ:em Augenblicke mit einem andern Auserwählten
am Altar ſtände, während Sie hier krank darnie-
derliegen?“ ö
Er bat, mich deutlicher zu erklären, und ich
that es. Als ſeine erſte Ueberraſchung vorüber
war, fand ich ihn gefaßter, als ich gedacht hatte.
„Ich habe mich in ihr getäuſcht“, ſprach er unnenn-
bar bitter und verſank dann in ein düſteres Nach-
ſinnen, das ich nicht unterbrechen wollte.
Ich glaube, mit ſeinen körperlichen Wunden
heilte auch ſeine Herzenswunde. Er ſprach nie
mehr von Elſe, und ihr Bild verſchwand aus ſei-

ner Brieftaſche wie aus ſeiner Seele. Aber ein

anderes, lichteres gewann Platz in dieſer und füllte
ſie ganz aus. Magdalena war es, und bald be-
gann ich auch in ihrem Weſen die untrüglichen
Zeichen der aufkeimenden Liebe zu ihm zu leſen.
Es war rührend, die Beiden zu ſehen, mit welcher
Sehnſucht ſie ſich in der. Trennung wiederzufinden
ſuchten, wie ſie Alles that, ihn durch Muſik, Ge-
ſang und Vorleſen zu zerſtreuen, und wie er durch
Erzählen von ſeinen Reiſen und Erlebniſſen ſich
bemühte, ihr ein richtiges Bild ſeines vielbewegten
Lebens zu geben. ö
Als es ſein Zuſtand wieder erlaubte, ſang er
ihr oft heimatliche Lieder, und eines Abends auch
eine Serenade, die er ſelbſt komponirt hatte. Ich
will ſie zarten Seelen, die ſich immer gern an Mond-
ſchein berauſchen, hier nicht vorenthalten:
Leiſe tönet meine Laute,
Zu dem ſtillen Wellenklang,
Komm' an's Fenſter, meine Traute,
Horch' auf meiner Liebe Sang!
Rauſch', o Welle, Welle rauſche,
Lauſch', mein Liebchen, Liebchen lauſche!
Wie des Mondes Silberhelle,
Wie der Sterne heller Schein
Und des Stroms erregte Welle, *
So ſoll meine Liebe ſein.
Rauſch', o Welle, Welle rauſche, ö
Lauſch', mein Liebchen, Liebchen lauſche!
Hat Dich mit dem kühlen Arme
Morpheus ſchon gegrüßt?
Eil' zu mir, daß Dich der warme
Wachende umſchließt!
Fließt, ihr Wellen, Wellen fließet,
Sei, mein Lieb' mein Lieb' gegrüßet! ö
Es war an einem Sonntagvormittag, die Kir-
chenglocken riefen zur Andacht, und die ganze Na-
tur lag in Sabbathruhe. Da trat Magdalena im
Garten auf mich zu. Die leichten Sommergewän-
der umfloſſen die lichte Geſtalt, ein Ausdruck des
tiefſten, innigſten Glücks lag auf ihrem Geſicht.
Ich hatte ſie nie ſo ſchön geſehen.
„Sie haben Ihr Wort gehalten und mir meine

Erzählung durch eine andere vergolten“, ſagte ſie,

„aber Sie haben mich bei der Ihrigen, ohne daß
wir's wollten, zu einer der handelnden Perſonen
gemacht. Darum ſollen Sie der Erſte ſein, der
mein Glück erfährt — ich feiere heute meine Ver-
lobung mit Herrn Strömer.“

„Nehmen Sie meinen Segen dazu, gute Toch-

ter!“ rief ich aus freudig bewegter Bruſt, „ihm
 
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