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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 66 - No. 76 (3. Juni - 28. Juni)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

68.

Sonntag, den 7. Juni

1868.

Zu ſpät.
Eine Föhngeſchichte.
(Fortſetzung.)

Nach wenigen Augenblicken kam er zurück und
ſagte, die ſoeben abgereiſte Familie ſei wirklich die
Familie Wertheim geweſen. ö
Er ſetzte hinzu, es ſei ihm im höchſten Grade
unangenehm, ſie verfehlt zu haben, die Diligence
werde aber bald weitergehen und er hoffe ſeine
Freunde noch vor Baſel einzuholen. ö
„Es iſt Niemand an der ganzen Sache ſchuld,
als jener langweilige Fürſt Potocki, für den ich ein
Gemälde gefertigt, welches er daheim in Rußland
wahrſcheinlich für ſein eigenes Werk auszugeben
gedenkt, denn er ſpielt gern den Kunſtdilettauten.
Er beſtand darauf, daß ich noch gewiſſe Verände-
rungen, die aber nach meiner Anſicht gar keine Ver-
beſſerungen waren, anbrächte. Dies hielt mich drei

volle Tage auf, ſonſt wäre ich mit den Wertheims

zugleich abgereiſt. So aber —“
„Lieber Fritz“, entgegnete ich, „Du mußt ganz
verzweifelt verliebt ſein, daß Du auf dieſe Weiſe
eine alte Familienkutſche mit einer Wuth verfolgſt,
wie die Furien den armen Oreſt. Natürlich ſind
die ſchwarzen Augen der einen Tochter der Mag-
net, welcher —“ ö
Fritz unterbrach mich dadurch, daß er mit dem
Fuße ſtampfte und einen Ruf der Ungeduld aus-
ſtieß. Gleich darauf aber erröthete er und bat mich
wegen ſeines Zornesausbruchs um Verzeihung.
„Nimm mirs nicht übel, Wilhelm, Du weißt
aber, ein Liebender iſt ſehr empfindlich, wenn Je-
mand, und wäre es auch ein alter Freund, die
Dame ſeines Herzens lächerlich machen zu wollen
ſcheint. Ich hoffe ſchon im nächſten Sommer Hoch-
zeit zu machen und da wir zwei alte Freunde und
Stubenburſchen ſind, ſo ſehe ich keinen Grund, die
Sache vor Dir geheim zu halten.“
Ich höͤrte nun in der Kürze die ganze Ge-
ſchichte.
Fritz, der in Florenz Zutritt in die beſten Häuſer
gehabt, hatte auch die Bekanntſchaft der Wertheims,
einer wohlhabenden Familie, welche hier den Winter
verlebte, gemacht und nach kurzer Zeit hatte ſich
eine gegenſeitige Zuneigung zwiſchen ihm und der
älteſten Tochter entwickelt.

Louiſe Wertheim war während dieſer Winter-
ſaiſon eine der ſchönſten jungen Damen in Florenz
geweſen und wenn man Fritzens enthuſiaſtiſchen
Lobſprüchen Glauben beimeſſen durfte, ſo war ſie
auch ebenſo geiſtreich und gut als ſchön.
Daß Friedrich ſich in ſie verliebt hatte, war kein
Wunder und ebenſowenig konnte es befremden, daß
ſeine Liebe Erwiederung gefunden; wohl aber mußte
es überraſchen, daß der alte Wertheim ſeine Zu-
ſtimmung gegeben haben ſollte.
Mein Freund beſaß faſt weiter nichts als ſein
Talent und ſeine Kunſtfertigkeit, während die bei-
den Schweſtern Ausſicht hatten, ſpäter einmal ein
ſchönes Vermögen zu erben.
Soviel ich aus Friedrichs haſtiger Erzählung
abnehmen konnte, hatte auch in der That auf Sei-

ten des Vaters ein bedeutender Grad von Zögern

und Widerſtreben ſtatt gehabt. Gleichwohl war
dieſes Hinderniß beſeitigt worden und das Ver-
hältniß hatte die volle Sanction der Eltern er-
halten. ö
„Bin ich nicht ein Glückskind, alter Freund?“
ſchloß Friedrich ſeine Erzählung. „Bin ich nicht
glücklich über Verdienſt und Würdigkeit und findeſt
Du es nicht ganz natürlich, daß ich mich beeile,
die Flüchtlinge einzuholen, nachdem ich eine ganze
Woche, das heißt eine Ewigkeit, von ihr getrennt
geweſen, welche —“
„Die Diligence geht heute nicht weiter, Sig-
nor“, ſagte der in dieſem Augenblicke hinzutretende
italieniſche Conducteur. „Sie werden wohlthun,
wenn Sie ſich ohne Zeitverluſt ein Zimmer im
Hotel beſtellen, denn es ſind deren nur wenige vor-
handen.“
„Was! Die Diligence ginge heute nicht wei-
ter!“ rief mein Freund erſchrocken. „Sie ſcherzen
wohl, Conducteur?“ ö
Der Conducteur ſcherzte aber durchaus nicht,
ſondern meinte das, was er ſagte, in vollem
Ernſte. ö
Es ſeien Anzeichen vorhanden, welche eine bal-
dige Aenderung des Wetters verkündeten, ſagte er,
Anzeichen, die er in ſeiner Stellung, wo er für die
Sicherheit des Wagens und der Paſſagiere verant-
wortlich ſei, nicht überſehen dürfe.
Dieſe Anzeichen ſeien zuerſt von einem alten
Bauer aus Uri bemerkt worden, welcher als Wet-
terprophet berühmt ſei und deſſen Behauptungen
 
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