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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 118 - No. 130 (2. October - 30. October)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidebberger Zaun.

M 127.

Freitag, den 23. October

1868.

Von Dreien Eine.
Eine Erzählung.

(Fortſetzung.)
Man wird ſich erinnern, daß Lieutenant von
Rohrbach ſeine eigenhändig fabricirte Verlobungs-
karte mechaniſch in die Weſtentaſche geſteckt hatte,

und daß er ſie ſpäter ganz vergeſſen, war wohl

an dem Tage, an dem ihm ſo viel Dinge durch
den Kopf gingen, ganz natürlich. Dieſes omintze
Papierchen war der Verräther ſeines Herzensge-
heimniſſes geworden, als es ihm beim öfteren
Bücken aus der Taſche ſchlüpfte und in Thekla's
Hände gerieth.
Das Fräulein wurde, als ſie das Papier mit
den Augen überflogen hatte, blutroth, was ihr
nur ſehr ſelten paſſirte; ſie blickte ſtarr darauf und
murmelte halblaut vor ſich hin:
„Thekla, Baroneſſe von Sturmfeld,
Leopold v. Rohrbach,
Lieutenant im 1. Dragoner⸗ Regiment,
Verlobte.“ ö
„Das iſt ſeine Hand! Hat er es abſichtlich im
Stalle fallen laſſen, damit ich es finden ſollte,
oder iſt es bloßer Zufall? Es iſt alſo doch ſein
Ernſt!“
„Es klingt gar nicht ſo ü übel,“ fuhr ſie nach
einer Pauſe lächelnd fort; „und dann erſt:
Leopold von Rohrbach, Lieutenant im 1. Drago-
nerregiment, und Thekla von Rohrbach, geborene
Baroneſſe von Sturmfeld! Wie hübſch! — O,
ich bin ihm recht gut, ich habe ihn nur immer
mit der Mathilde in Verdacht gehabt, hin und
wieder auch gar mit der Nina; noch heute vor
der Lilie. Aber gleichviel, hier ſteht es ja deut-
lich geſchrieben, obenein von ſeiner eigenen Hand.
Was ſoll ich nun aber thun? — wenn er nur
ſprechen möchte, — er iſt doch ſonſt gar nicht ſo
blöde!“
Das kleine Fräulein verſenkte ſich in die ſüße-
ſten Träume, nachdem ſie das koſtbare Zettelchen
wieder in der weißen Weſte verborgen und ſich
mit geſchloſſenen Augen gegen die Lehne der Bank
geſtützt hatte.

„Ach, wenn er jetzt käme und mir zu Füßen

ſänke!“ ſeufzte ſie.
Aber er kam nicht, ſondern hatte ſich im Tem-

pelchen neben Mathilde von Sanftenbach heseßt
und ſchwärmte mit ihr über ſchöne Literatur, in
der das Fräulein ſehr bewandert war. Nina Hey-
mann wollte ſich halbtodt darüber ärgern und
mußte ſich alle Mühe geben, nicht von ihrer Con-
verſation mit der Baronin abzuſchweifen. Der
Baron hatte der ganzen Geſellſchaft den Rücken
gedreht und rauchte ſeine Cigarre; als ihm die
Sache zu langweilig wurde, ſtand er auf und pro-
menirte im Garten.
„Teckelchen“, tönte es plötzlich an Thekla's Ohr
und riß ſie aus dem ſüßen Traume, in dem ſie
ſich gerade an Rohrbach's Seite an dem Altare
ſtehen ſah, — „Teckelchen, ſchläfſt Du oder haſt
Du Dich gar verliebt?“
Thekla fuhr mit einem lauten Aufſchrei in die
Höhe; ſie ward wieder blutroth, als ſie ihren Va-
ter vor ſich erblickte. ö
„Oho“, ſagte dieſer, übrigens in offenbar guter
Laune, „ich merke ſchon, wie es ſteht. Du brauchſt
übrigens nicht roth zu werden, wenn Dir der
Rohrbach im Kopfe ſteckt, wie ich vermuthe, ich
habe Nichts dagegen; als ich noch Lieutenant war,
habe ich auch kein Geld gehabt, Deine liebe Mut-
ter hat es mir erſt zugebracht.“
Teckelchen ſtürzte an des Vaters Hals und lieb-
koſte ihn ſo zärtlich, wie es nur einmal ſeit Jah-
ren geſchehen war, als er ihr das erſte Pferd mit
dem nagelneuen Damenſattel geſchenkt hatte.
„Laß uns zurückgehen, es wird ſich ſchon Alles
finden“, ſagte der Alte gerührt.
Unterwegs kam ihm aber noch etwas Anderes
in den Sinn, und er meinte bedenklich:
„Hat er es Dir denn ſchon geſagt? — He?“
Thekla ſchüttelte den Kopf, denn die Verlo-
bungskarte hätte ſie um keinen Preis verrathen
mögen. ö
„Dann nimm Dich in Acht, mein Kind, —
es wäre nicht gut, wenn die Leute ſagen, unſere
alte Familie hätte ſich einer andern an den Hals
geworfen. Der Rohrbach iſt, wie die meiſten Ka-
vallerieofficiere, ein arger Courmacher, und wenn
Du ihn vorher, als Du fortgegangen wareſt, ne-
ben Fräulein von Sanftenbach geſehen hätteſt,
hm, hm!“
Thekla durchzuckte es wie ein Blitzſtrahl, die
ganze Heftigkeit ihres Naturells loderte in ihr
auf, aber ſie dachte an die Verlobungskarte, be-
 
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