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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 118 - No. 130 (2. October - 30. October)
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Heid

elberger gamilienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

WM125.

Sonntag, den 18. October

1868.

Von Dreien Eine.
Eine Erzählung.

(Fortſetzung.)
Wie erſchrak er aber, als er in dem von allen
Seiten offenen kleinen Säulentempel mit dem chine-
ſiſchen Dache, dem Lieblingsplätzchen der Familie
an heißen Sommertagen, außer den Mitgliedern
derſelben noch zwei Damen erblickte und in dieſen
Mathilde von Sanftenbach und Nina Heymann
erkannte! Die drei jungen Mädchen waren be-
freundet, das wußte er ſchon längſt und hatte ſie
alle drei auf dem Sturmfeld'ſchen Gute kennen ge-

lernt, aber bei den Abſichten, die er dieſes Mal

mit ſich brachte, kam es ihm doch beinahe vor, als
habe ſich das Trio nur ſeinetwegen hier verſammelt,
um ſeiner zu ſpotten.
Ehe wir aber den Lieutenant in den Pavillon
treten laſſen, müſſen wir unſern Leſern die einzel-
nen Perſonen der kleinen Geſellſchaft vorſtellen.
Der Baron von Sturmfeld war ein noch rü-
ſtiger Sechziger, ein Landedelmann von altem Schrot
und Korn, der ehemals auch Kavallerieofficier ge-
weſen, aber der Schliff, den er als ſolcher ange-
nommen, hatte ſich in dem mehr als dreißigjähri-
gen Leben auf dem Lande wieder etwas abgenutzt.
Er war eine gute, ehrliche Seele, aber etwas hef-
tigen und aufbrauſenden Charakters, kein beſonde-
rer Landwirth, aber deſto paſſionirter Reiter und
Jäger. Darum trug er auch ſtets einen grauen
Jagdrock mit grünen Aufſchlägen, einen kleinen Filz-
hut mit einem Gemsbärtel und einer Adlerfeder
daran und endlich hohe Reitſtiefel mit Anſchnall-
ſporen, was ihm bei ſeinem gedrungenen, kräftigen
Körperbaue eben ſo gut ſtand, als das ſchon in
das Weiße ſpielende kurzgeſchnittene Haupthaar,
der ganz weiße lange Schnurrbart und die blitzen-
den noch immer jugendlichen Augen. ö
Seine Gattin war eine würdevolle, nur etwas
ſtolze Dame, die einſt ſehr ſchön geweſen ſein mußte
und ſich noch immer mit großer, wenn auch nicht
bis zur Koketterie getriebener Sorgfalt kleidete.
Die junge Baroneſſe Thekla war das einzige
Kind dieſer Ehe; ſie hatte die Hauptcharakterzüge
der Eltern in ſich vereinigt und wie ſie lebte und
ſich der Welt zeigte, das hat ſchon der Lieutehant
von Rohrbach in ſeinem Monolog ausgeſprochen.

Der Vater liebte ſie ihrer Wildheit wegen abgöt-
tiſch, und die Mutter hatte nur hin und wieder
an ihr auszuſetzen, daß ſie zu oft über die Schnur
der geſetzlichen Formen ſchlage. ö
Thekla's fröhlicher Muthwille, der leicht etwas

unweiblich werden konnte, prägte ſich deutlich auf

ihrem Geſichte aus, beſonders in den freudigen,
durchbohrenden braunen Augen, dem allerliebſten
Stumpfnäschen und der ein klein wenig hängen-
den Unterlippe; die kaſtanienbraunen Haare trug
ſie „gegen den Wind“ friſirt, was ihr noch etwas
Freieres und Kühneres gab. Ihr Anzug war im-
mer amazonenhaft, mochte ſie nun das lange eng-
anſchließende Reitkleid und den kleinen Filzhut mit
ſchwarzer Feder tragen oder, wie an dieſem Tage,
das griechiſche Jäckchen mit weißer Weſte darunter.
Wie ſie und Mathilde von Sanftenbach, die
ſanfte weiße Lilie mit dem hellblonden, einfach ge-
ſcheitelten Haare, das einer Loreley würdig gewe-
ſen wäre, mit den nur leicht roſig angehauchten
Wangen, der klaren Stirn und den ſchwärmeri-
ſchen blauen Augen, Freundinnen geworden waren,
läßt ſich eigentlich ſchwer begreifen, wenn man nicht
die Regel anerkennen will, daß entgegengeſetzte Cha-
raktere ſich am meiſten von einander angezogen
fühlen; es beſtand auch nicht ſowohl rechte Freund-
ſchaft zwiſchen ihnen als mehr ſogenannte gute Be-
kanntſchaft durch äußere Beziehungen herbeigeführt.
Mathilde war die ſchon vor mehreren Jahren
gänzlich verwaiſte Tochter eines Infanterie-Ober-
ſten a. D., mit dem Herr von Sturmfeld zur Zeit
ſeines militäriſchen Dienſtes eng befreundet gewe-
ſen war; ſie lebte jetzt in der nahen Stadt von
den Zinſen ihres Vermögens, das Lieutenant von
Rohrbach ganz richtig taxirt hatte, bei einer alten
weitläufigen Verwandten. ö
Die Dritte im Bunde dieſer Grazien, Nina

Heymann, die „ungeheuer reiche“ Banquierstochter,

war ihrem Glauben nach Jüdin und eine ganz
orientaliſche Schönheit, da ſie ſich ſchon etwas in
die Breite ausgelegt hatte, das ſüdliche Feuer nicht
übermäßig aus ihr ſtrahlte und ſie ſehr vielen
Goldſchmuck trug, konnte man ſchon aus ihrem
Aeußeren ſchließen, daß der Lieutenant nicht ganz
Unrecht gehabt hatte, als er ſie die Proſa des Le-
bens genannt hatte.

Haben wir Mathilde mit einer weißen Lilie
 
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