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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 27 - No. 39 (1. März - 29. März)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M. 27.

Sonntag, den 1. März

1868.

Die Gräfin Chorinsky.

(Schluß.)

„Mein Entſchluß war deßhalb nur zu bald ge-
fäͤßt. Ich wandte mich an die römiſche Geiſtlich-
keit mit der beſtimmten Erklärung, zum römiſch-
katholiſchen Glauben übergehen zu wollen, nicht
nur um das — wie es ſchien — einzige Hinder-
niß meiner Verheirathung mit dem Grafen Cho-
rinsky raſch zu beſeitigen, ſondern mehr noch, um
einem längſt gefühlten Drange meines Herzens
endlich thatſächlich Rechnung zu tragen. Die rö-
miſche Geiſtlichkeit bejubelte voll Bekehrungseifer
meinen Vorſatz und verſprach und leiſtete mir in
Allem die beſtmögliche Unterſtützung.
„Nach einigen Wochen war die Proteſtantin
katholiſch und das Bürgermädchen Gräfin Cho-
rinsky geworden. Ich glaubte den Himmel auf
Erden errungen zu haben. Doch wurde ich nur
zu bald und zu ſchrecklich aus meiner himmli-
ſchen Täuſchung in faſt hölliſcher Weiſe emporge-
rüttelt..“.d“
— Ob die junge Königin von Neapel beim Ueber-
tritt des Frl. Rueff zum Katholizismus wirklich
Pathenſtelle vertreten, wie ſpäter behauptet wurde,
darüber ſchwieg die Erzählerin, ebenſo wie darüber,
daß die Trauung in der Kirche zu Foligno und
in Gegenwart der Offiziere des 2. Bataillons ſtatt-
gefunden habe und der Fürſt Odescalchi Brautfüh-
rer geweſen ſei. Auch den Umſtand verſchwieg ſie,
daß der ſie trauende Prieſter bereits die üblichen
Gebete geſprochen hatte, als man plötzlich das Feh-
len der Trauringe bemerkte, was natürlich, weil
dieſe nun erſt aus der Wohnung des Bräutigams
näͤchgeholt werden mußten, die Trauung zum
Schrecken der Braut unliebſam unterbrochen und
den abergläubiſchen Italiener zu der ominöſen Be-
hauptung veranlaßt habe, dieſe Ehe müſſe zweifels-
ohne zu einem großen Unglück fuͤhren. Ich kann

daher dieſe, mir erſt nach der Ermordung der

Gräfin zugekommenen Nachrichten auch nicht durch
den Mund derſelben beſtätigen laſſen.
„Nach unferer Verehelichung,“ — fuhr die
Gräfin fort, „weilten wir meiſtens zu Rom;
denn finanzielle Schwierigkeiten erlaubten dem Gra-

fen nicht, ſofort nach Oeſterreich zurückzukehren.
Er blieb daher bis Eude 1861 in päpſtlichen Dien-
ſten und kehrte mit mir erſt in's elterliche Haus
zurück, als ſein greiſer Vater ſich mit den Gläu-
bigern ſeines leichtſinnigen Sohnes arrangirt hatte.
„In der erſten Zeit unſeres ehelichen Beiſam-
menſeins hatte es wirklich den erfreulichen Anſchein,
als hätte Guſtav ernſtlich im Sinne, den flotten
Junggeſellen abzuſtreifen und den Pflichten des
häuslichen Lebens gerecht zu werden. Ja, ſein
ganzes Benehmen gegen mich trug die milde Ton-
farbe liebevoller Innigkeit in einer Weiſe an ſich,
daß ich die frohlockende Ueberzeugung gewann,
Guſtav's Herz ſei im tollen Genuſſe des Weltle-
bens noch keineswegs für die edleren Freuden der
Gatten⸗ und Vaterliebe unempfindlich geworden.

Ja, dieſe Ueberzeugung ſtieg in mir zur beglücken-

den Gewißheit, als er bei meinem Geſtändniß,
daß ich mich Mutter fühle, mit unſäglicher Zärt-
lichkeit mich an ſein Herz ſchloß. Ich weinte vor
Freude, nicht ahnend, daß dies die letzten Freuden-
thränen meines Lebens ſein ſollten. ö
„Einige Exceſſe waren allerdings auch ſchon
in den erſten Wochen unſerer Ehe vorgekommen;
doch dieſe Exceſſe waren, mit den Tollheiten ſeines
früheren Lebens verglichen, nur leichtverzeihliche
Knabenſtreiche. Doch bald kam es anders. Er
durchſchwärmte ganze Nächte „bei Spiel und Ge-
ſang,“ wie er entſchuldigend ſagte, ohne an ſeine
in heißer Sehnſucht auf ihn harrende Gattin zu
denken. Ja, er beſuchte — wie man mir zuflü-
ſterte — Orte, deren bloßer Name jeder ehrbaren
Dame die Schamröthe in's Geſicht treibt. Die
natürliche Folge davon waren arge Vorwürfe und
heftige Auftritte zwiſchen uns, wobei ich ihn ein-
mal, bis zum Aeußerſten gereizt, ein Taugenichts
nannte. ö
„Er vergalt mir das ſtrenge Wort mit den
niedrigſten Schimpfworten. Ja, vergriff ſich ſogar
an ſeiner Gattin und droſſelte ſie“ — ein
Strom von Thränen erſtickte bei dieſen Worten
die Stimme der unglücklichen Gräfin — ein chro-
niſches Halsleiden war die Folge dieſer
unzarten Behandlung.
„Zu Ende 1862 ſiedelte ich in das ſchwieger-
elterliche Haus üäber. Wenn auch etwas ceremo-
niell, wurde ich doch freundlich daſelbſt aufgenom-
men und behandelt. Daher ſchopfte ich von Neuem
 
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