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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 131 - No. 143 (1. November - 29. November)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 131.

Sonntag, den 1. November

1868.

Von Dreien Eine. ‚

Eine Erzählung.

(Foriſetzung.)
Thekla ſagte ihren Eltern nichts von der erſten
Verlobungskarte Herrn von Rohrbachs, denn ſie
haͤtte dann auch geſtehen müſſen, daß ſie auf etwas
unredliche Weiſe in deren Beſitz gekommen ſei, aber

ſie ging auf ihr Zimmer, ſetzte ſich reſolut an den

Schreibtiſch und ſchrieb:
Mein Fräulein!
Ohne forſchen zu wollen, auf welche Weiſe es
Ihnen gelungen iſt, ſich des Herzens des Lieute-
nants von Rohrbach zu bemächtigen, verhehle ich
Ihnen doch nicht, daß die mir heute angezeigte
Verlobung eine Infamie von Ihrer Seite iſt. Das
einliegende Papier wird Ihnen beweiſen, daß ich
ein Recht habe, Sie einer ſolchen zu beſchuldigen.
Kennen Sie von Rohrbachs Handſchrift? — Wohlan,
unter Mädchen von Ehre gibt es nur ein Mittel,
ſolche Dinge auszugleichen. Ich erwarte Sie mor-
gen früh um 7 Uhr auf der von der Stadt nach
unſerm Gute führenden Chauſſee, etwa auf dem
halben Wege, bei dem Meilenſteine; von dort aus
werden wir ein geeignetes Plätzchen finden. Der
Zeugen bebarf es nicht; ich werde zu Pferde kom-
men und Piſtolen mitbringen.
Ich werde Sie grenzenlos verachten, wenn Sie
nicht erſcheinen, Sie oder ich! — Ich ſchlage Ihnen

fünfzehn Schritt Barrière und drei Kugeln von.

jeder Seite vor.
Mit Hochachtung
Thekla, Baroneſſe von Sturmfeld.“
„Beſſer hatte Papa nicht einmal ſchreiben koͤn⸗
nen, ich habe es ſo von ihm gelernt“, ſagte Thekla,
ſiegelte ihren Brief und ſchrieb auf die Adreſſe:

„An Fräulein Nina Heymann, Wohlgeboren,

zu X. Per Express. Cito, Citissime!“
Eine Viertelſtunde ſpäter führte ein Knecht ihr
Pferd heimlich aus dem Stalle, denn in ſolchen
Sachen pflegt man die ſtrengſte Diskretion zu be-
wahren, und die Eltern durften nichts davon wiſ-
ſen, und ſprengte mit dem zierlichen Schreiben nach
der Stadt.
„Lieutenant von Rohrbach ließ in der Reitbahn
die diesjährigen Remonten reiten und dachte dabei
an ſeine Braut und ſein Rittergut. Der Banquier

Heymann hatte ſich ſo recht gemüthlich auf einer
Chaiſe longue im Wohnzimmer ausgeſtreckt, rauchte
eine echte Havannah von dem Krämer drüben an
der Ecke und blickte zuweilen gleichgültig auf die
Straßen draußen; Nina that das Letztere ebenfalls,
denn ſie hoffte, das Remontereiten werde bald vor-
bei ſein und Rohrbach mit den eiligſten Schritten
auf ihr Haus zukommen; vor ſich hatte ſie das
neue Teſtament.
0 1hhn iſts hübſch?“ fragte der Banquier lä
elnd.
„Ach, es iſt immer wieder Daſſelbe, lieber Va-
ter. Wenn man aber liebt und bald heirathen will,
lieſt ſichs ſchon.“ ö
Vinchen, wann denkſt Du denn eigentlich, daß
es losgehen ſoll?“ ö
„Die Hochzeit, Väterchen? — nun, Leopold ſagt
immer: je eher, deſto lieber! und ich — ich —“
„Nun, Du mein Töchterchen? Du moͤchteſt
beob auch je eher, deſto lieber Frau von Rohrbach
ſein?ꝰ
„Ach ja! es klingt ſo hübſch. Leopold ſagt, da
er dann ſeinen Abſchied nehmen und ſich ein Rit-
tergut kaufen will.“ ö
„Oho!“ rief der Banquier auffahrend, — dar-
aus kann Nichts werden! Ich will meinen Schwie-
gerſohn in Uniform haben, das iſt mein ganzer
Stolz. Du ſollſt einmal Frau Rittmeiſterin wer-
den, Frau Majorin, Frau Oberſtin, Frau Gene-
ralin und endlich Excellenz! Excellenz Nina von
Rohrbach, geborne Heymann, ſage ich! Sonſt

„Ja, Väterchen, das möchte ich auch wohl, aber
Leopold ſagt —“ ö
Ein Bote in ländlicher Kleidung, der auf ſchaum-
bedecktem Roſſe vor das Haus ſprengte und daſelbſt
parirte, unterbrach das Geſpräch.
„Nanu? Gott ſoll mer beſchützen!“ rief der
Banquier und wurde etwas blaß. ö
„Gott, es wird doch Leopolden nicht ein Unglück
paſſirt ſein?“ rief auch Nina und drückte ihr ſtolz
geſchweiftes Näschen an die Fenſterſcheibe. ö
Der Bote ſprang vom Pferde, warf einem
Straßenjungen den Zügel zu und trat mit allen
Anzeichen großer Eile in das Haus. Eine halbe
Minute ſpäter meldete das älteſte Dienſtmädchen,
es ſei per Express ein Brief für das Fräulein
angekommen. ö ö

hätte es ja weiter keinen Zweck!“
 
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