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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 53 - No. 65 (3. Mai - 31. Mai)
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Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

X 57.

Sonntag, den 10. Mai

1868.

Die Metzger⸗ und Siudentenpoſten des
ö Mittelalters. )

Abgeſchloſſen arbeitete und ſorgte im Mittelalter
jeder Kreis für ſich ſelbſt, dies war auch bezüglich
des Verkehrweſens der Fall. Mochte ſich ein drin-
gendes Bedürfniß nach Verbindungen allenthalben
zeigen und regen: nirgend war es möglich, eine
ſtaatlich einheitliche Anſtalt für den Verkehr zu er-
richten. Deshalb ſieht man überall nur einzelne
Corporationen, ſeien es einzelne Städte oder Städte-
bünde, einzelne Stifter, oder einen einzelnen Orden,
jeden für ſeine Zwecke ſich die benothigten Verbin-
dungen für ſeinen Verkehr herſtellen.
In einzelnen, namentlich den ſüddeutſchen Län-
dern, war es ſogar eine einfache Zunft der bürger-
lichen Gewerke, der die Geſchäfte des Poſtdienſtes
aufgedrungen wurden: es war dies die Zunft der
Metzger. ö ö
So ſonderbar und eigenthümlich die Erſcheinung
der Metzgerpoſten iſt, ſo hat ſie doch eine ſehr na-
türliche Entſtehung. ö
Wie noch heute, ſo war es bereits im Mittel-
alter eine durch die handwerklichen Umſtände ge-
botene Nothwendigkeit, daß ſich die Fleiſcher Pferde
halten mußten, um den Ein⸗ und Verkauf des
Viehes auch über die nächſten Grenzen ihres Hei-
mathsortes betreiben zu können. Dieſer Umſtand
legte den Fleiſchern gar manche Verpflichtung auf
und machte ihre Zunft in der Folge zu einer hiſto-
riſch berühmten. ö ö
„Wie es noch heute zum Theil der Fall iſt, daß
bei Feuersgefahr namentlich die Müller und Bier-
brauer verpflichtet ſind, mit ihren Pferden herbei-
zueilen und die Spritzen zur Brandſtätte zu fahren;
wie es ehedem Geſetz war, daß die Brauer und
Küfer in gleichem Falle ihre Bottiche, Kufen und
ſonſtige hölzerne Behälter zur Herbeiſchaffung von
Waſſer hergeben mußten: ſo waren ſchon frühe im
Mittelalter mit dem Aufblühen der Städte die
Fleiſcher verpflichtet, für den Fall der Wehrhaft-
machung der Stadt den Cavalleriedienſt zu über-
nehmen und ſogar verbunden, ein Pferd zu dieſem
Zwecke zu halten.

*) Aus der „Europa“.

Als nun der Handel zwiſchen den Städten der
Lombardei, Deutſchlands und der Niederlande all-
mälig emporzublühen begann, als ſich die mächtige
Städteverbindung der Hanſa gebildet hatte, und als

die Städte immer mehr und mehr durch ab- und

zugehende Boten zu Fuß und zu Pferde miteinander
in Verbindung traten, da wollte ſich denn auch der
Verkehr nach den Seitenrouten ausdehnen.
Was bisher nicht an den Hauptbotenſtraßen
und ſpäter den Haupipoſtſtraßen lag, war ſo gut
wie aus aller Verbindung mit der übrigen Welt.
Fürſten ſchickten ihre Briefe und Sachen durch
Boten an den Rath der nächſten Stadt, und dieſer
mußte durch andere Boten ſie weiter befördern, ſo
daß dieſe von Stadt zu Stadt bis an den Ort

ihrer Beſtimmung abgelöſt wurden, oder man ſandte,

wenn es außer Landes ging, eigene Boten zu Pferde
oder zu Fuß, welche gleich Antwort mitzubringen
hatten.
Beides war ebenſo beſchwerlich als koſtſpielig;
wollte man jedoch die großen Koſten nicht daran
wenden, ſo blieb nichts übrig, als die großen Meſſen
abzuwarten und alsdann den reiſenden Kaufleuten
ſeine Briefe zur Beſorgung mitzugeben. Dieſe er-
zählten ſich denn auch alle halbe Jahre die Neuig-
keiten aus ihren Städten und vertraten gleichſam
die Stellen der Zeitungen. Da kam man auf einen
andern Gedanken. ö ö
Die Metzger größerer Städte mußten behufs
Vieheinkauf nicht nur in der nachſten Umgebung
von ſechs bis acht Stunden ihre Reiſe machen, ſon-
dern dieſelben erſtreckten ſich nicht ſelten zwanzig
und noch mehr Stunden Weges weit. Dies benutz-
ten Kaufleute und andere briefſchreibende Perſonen,
um durch ſie ihre Briefe beſtellen zu laſſen. Ob-
ſchon es gegenüber der früheren faſt gänzlichen Ge-
legenheitsloſigkeit ein offenbarer Gewinn war, nun
mindeſtens ein bei weitem öfter wiederkehrendes
Mittel zur Beförderung von Correſpondenzen zu
haben, ſo währte doch, ſo lange perſönliche gegen-
ſeitige Uebereinkunft und bürgerliche Gefälligkeit die
Sache vermittelte, die Unzuverläſſigkeit fort.
Da mag es denn wohl der Fall geweſen ſein,
daß zwiſchen der Kaufmannſchaft einerſeits und den
Fleiſchern andererſeits durch Vermittlung der ſtädti-
ſchen Behörden ein bindender Contract geſchloſſen
wurde, nach welchem ſich die Metzger gegen einen
beſtimmten Gehalt oder gegen irgend welche Be-
 
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