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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 53 - No. 65 (3. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43665#0234

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Intriguen, in deren Verfolg er ſich 1842 nach Per-

pignan begab, um dort die Chriſtinos zu ſammeln,

bis er ſich im nächſten Jahre an die Spitze des
Aufſtandes ſtellte, der den Diktator Eſpartero ſtürzte.
Er landete in Valencia, marſchirte gegen Madrid,
ſchlug am 23. Juli 1843 den progreſſiſtiſchen Ge-
neral Soane und zog als Sieger in der Haupt-
ſtadt Spaniens ein. Im Mai 1844 übernahm er,
zum Herzog von Valencia ernannt, den Vorſitz im
Miniſterium. Er ſtand jetzt auf der Spitze ſeines
Glückes. Vor Kurzem noch ein mittelloſer Ver-
bannter und einfacher Brigadegeneral, hatte er kaum
ein Jahr nach ſeiner Rückkunft in's Vaterland die
höchſte Würde in der ſpaniſchen Armee erlangt, die
eines Generalcapitäns oder Feldmarſchalls, war als
Herzog von Valencia im Beſitz eines Titels, den
ſonſt nur königliche Prinzen führten, war mit dem
goldenen Vließ geſchmückt und im vollen Beſitz der
königlichen Huld, die ihm nicht blos Ehre, ſondern
auch unermeßliche Reichthümer einbrachte. In poli-
tiſcher Hinſicht war ſeine Regierung eine offene
Reaktion gegen die liberale Partei. Er rief Maria
Chriſtina zurück und ließ die Verfaſſung von 1837
revidiren. So entſtand die neue Verfaſſung des
Jahres 1845, welche das Prinzip der Volksſouve-
ränität ſtrich, einen Wahlcenſus aufſtellte, das Recht,
die Senatoren zu ernennen, der Königin übertrug
und die Freiheit der Preſſe beſchränkte. Aufſtände
wurden mit Energie unterdrückt. Dagegen gelang
es 1846 einer Hofintrigue, ihn zu ſtürzen. Im
Oktober 1847 trat er abermals an die Spitze eines
Miniſteriums und blieb in dieſer Stellung bis zum
Januar 1851. Während dieſer wichtigen Jahre
ruhte das Schickſal Spaniens auf ſeinen Schul-
tern, und er hat damals bewieſen, daß er nicht
blos ein tapferer Soldat, ſondern auch ein bedeu-
tender Staatsmann war. Eine ſehr entſchiedene

diplomatiſche Demonſtration belehrte damals Eng-

land, daß Narvaez nicht der Mann war, ſich vom
Ausland Vorſchriften machen zu laſſen. Die Ver-
ſuche Lord Palmerſtons, in Spanien ein progreſ-
ſiſtiſches Miniſterium an's Ruder zu bringen, be-

antwortete er nämlich damit, daß er dem britiſchen

Geſandten Sir H. Bulwer die Päſſe zuſchickte. Die
diplomatiſchen Beziehungen zwiſchen beiden Staaten
blieben nun zwei Jahre lang unterbrochen und wur-
den erſt 1850 durch die Vermittelung des Königs
von Belgien wieder hergeſtellt. Wiederum waren
es Hofintriguen, die Narvaez 1851 ſtürzten. Er
ward zum Geſandten in Wien ernannt, gelangte
aber, nachdem es auch Eſpartero und O'Donnell
nicht gelungen, ſich in der Herrſchaft zu befeſtigen,
im Oktober 1856 wieder an die Spitze der Gewalt.
Dießmal hatte er ſie nur ein Jahr inne. Seine

reaktionäre Politik, die ſich das napoleoniſche Regi-

ment zum Vorbild nahm, entfremdete ihm allmählig

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auch einen Theil der Conſervativen, und im Jahr
1857 kamen für längere Zeit die gemäßigt libera-
len Elemente unter O'Donnell zur Herrſchaft, un-
ter welchen Spanien endlich der Segnungen eines
dauernden und ſtetigen Fortſchritts und eines wirth-
ſchaftlichen Aufſchwungs ſich zu erfreuen ſchien.
Doch konnte auch das Programm der Liberalen
Union zwiſchen den Extremen der Conſervativen
und der Fortſchrittspartei ſich nicht auf die Länge
behaupten. O'Donnell wurde im Jahr 1863 durch
ein Cabinet Miraflores erſetzt, dem im Sep-
tember 1864 wieder der ultraconſervative Narvaez
folgte. Mit der Unterbrechung von Juni 1865
bis Juli 1866 (Cabinet O'Donnell, unter welchem
der Aufſtand des Generals Prim ſtattfand), blieb
nun Narvaez im Beſitz der Gewalt, die er mit ſei-
nem Miniſter des Innern, Gonzales Bravo, dem
jetzt die Präſidentſchaft übertragen iſt, auf das
Strengſte ausübte. In friſcher Erinnerung iſt, ab-
geſehen von den ewig wiederholten Belagerungszu-
ſtänden, wie er im Dezember 1866 eine Anzahl
von Abgeordneten, darunter den Präſidenten der
zweiten Kammer, wegen einer Adreſſe an die Kö-
nigin nächtlich verhaften und nach den Colonien
transportiren lieðß. —

(Franzöſiſche Richter.) Wie viel Sträflinge mögen
wohl in Cayenne ſein? — So hörte ich neulich einen Colle-
gen im Zwiegeſpräch mit einem andern fragen. — Acht bis
zehn Tauſend mögen es ſein, war die Antwort. — Und wenn
man bedenkt, daß unter dieſer Zahl doch gewiß einige Schul-
dige ſind, ſo . . . — Weiter habe ich nicht zugehört.

Literariſches.
— Vom Neckar, 3. Mai. Wir glauben die Leſer d.
Bl. auf eine Schrift: „Die Vergangenheit und Ge-
genwart des Erdballs und ſeiner organiſchen Lebensformen.
Ein populäres Leſebuch zum Selbſtunterrichte in der Geologie
von C. Schmezer — Verlag von Fr. Baſſermann“ aufmerk-
ſam machen zu müſſen. Dieſelbe erſcheint in 16 Lieferungen
gr. 8. Preis 21 kr. und wird in einem halben Jahre voll-
ſtändig in den Händen der Beſteller ſein. Die I. Lieferung
liegt vor uns; wir haben dieſelbe, die über die allgemeinen
Veränderungen über die Erdoberfläche und über die Zuſam-
menſetzung der Erdrinde handelt, mit vielem Intereſſe geleſen.
Dieſe ſo wichtigen Fragen ſind mit großer Klarheit und Ein-
fachheit geſchrieben, ſo belehrend und anziehend, daß wir nur
wünſchen müſſen, die Schrift möge von allen Gebildeten ge-
leſen werden. Die dankenswerthe Aufgabe, die ſich der hoch-
gelehrte und in weiten Kreiſen rühmlichſt bekannte Schrift-
ſteller, Herr Pf. Schmezer in Z, geſtellt: die Geologie, dieſen
wichtigen Wiſſenszweig, ähnlich wie die „Sternkunde —
„populär“ zu behandeln und dem Laien zugänglich zu machen
— hat derſelbe in ausgezeichneter Weiſe gelöſt. Die Schrift
ſelbſt iſt aus einer Reihe von Vorträgen hervorgegangen, die
Herr Pfarrer Schmezer in Heidelberg und Mannheim vor
zahlreichem Auditorium mit großem Beifall gehalten hat.
Möge die Schrift recht allgemein verbreitet werden und zur
Aufktlärung über den Vielen noch dunklen Wiſſenszweig das
Möglichſte beitragen. +EIl.

Redaktion, Druck und Verlag von A do lph Emmerling.
 
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