Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1868

DOI chapter:
No. 118 - No. 130 (2. October - 30. October)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43665#0527

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

M 130.

Freitag, den 30. October

1868.

Von Dreien Eine.
Eine Erzählung.

ö (Fortſetzung.)
„Gehorſamſter Diener, Herr Lieutenant. Was
verſchafft mir die Ehre Ihres Beſuches? — Höchſt
angenehm, ſehr erfreut!“
Der Banquier rieb ſich die Hände und führte
den Lieutenant zum Sammtſopha; er ſetzte ſich auf
einen Seſſel neben ihn. ö
„Kleine Aktien? Pfandbriefe? Berlin⸗Magde-
burger? — ſtehen jetzt auf —“
„Bitte, Herr Banquier!
Fräulein Tochter?“
„Ich, meine Tochter kennen? Nina? — Ja,
Herr Lieutenant, ich kenne ſie.“
Der Banquier war ganz eonſternirt.
Lieutenant befand ſich auch einigermaßen in Ver-
legenheit.
„Laſſen Sie uns kurz ſein, Herr Banquier“,
ſagte er mit der Entſchloſſenheit eines Dragoner-
officiers. „Ich liebe Fräulein Nina.“ — „Mir
ſehr ſchmeichelhaft,“ erwiderte Herr Heymann, ſich
die Hände reibend, denn er dachte ſchon längſt an
dieſe Partie. *
„Ich glaube hoffen zu dürfen, daß auch ich
Fräulein Nina nicht ganz gleichgültig bin.“
„Nein, wahrhaftig nicht, das dumme Mädchen
ſchwärmt den ganzen Tag über von Ihnen. Ich
als ihr Vater fühle mich hochgeehrt.“
AIch habe gar kein Vermoͤgen, Herr Banquier,
— meine Liebe iſt ganz uneigennützigg“.

das, — ſprechen wir nicht über ſo delicate Sachen.
Nina bekommt eine Mitgift, ſie iſt, unter uns ge-
ſagt, ganz toll auf Sie, und ich als Vater — wir
können das Geſchäftchen machen. Ich gebe ihr drei-
ßigtauſend mit — hm?“
„Gleichviel, ob ſo viel oder mehr. Ich darf
Ihnen alſo als Vater die Hand reichen?“
„Oder als Schwiegerſohn, wie Sie wollen,
Herr Lieutenant. Sie führen wohl nicht den Titel
Freiherr ?“ ö ö
„Nein, ich bin von einfachem Adel, aber altem.“
„Schade, — indeſſen thut das Nichts zur Sache.
Es würde allerdings hübſch klingen: Nina Frei-
frau von Rohrbach, indeſſen wiſſen Sie, daß ich

Sie kennen doch Ihr
abgemacht, Herr Lieutenant.
Nina gleich haben —“

Der

viel auf Familie gebe, Herr Lieutenant? Es iſt
ein großer Stolz für mich, wenn meine Tochter —“
„Sind Sie denn aber ſo ſicher, Herr Ban-
quier, daß Fräulein Nina zu meinem Antrag Ja
ſagt ?“ ö
„Ach, das iſt gewiß; ich ſagte Ihnen ja ſchon,
daß Nina Sie bis über die Ohren liebe. Sie lieſt
jetzt immer das neue Teſtament.“c, ö
„Und würde ſich entſchließen, ſich mit ihrer
werthen Erlaubniß taufen zu laſſen?“
„Herr Lieutenant, wir ſind Reformjuden.“
„Nun dann erlauben Sie mir, Fräulein Nina
ſelbſt zu ſprechen.“
„Wozu? Wir haben das ja ſchon unter uns
Wollen Sie indeſſen

Der Alte ſtürzte zur Thür, öffnete ſie halb und
rief:
„Ninchen, der Herr Lieutenant von Rohrbach
haben um Dich angehalten. Du kannſt ohne Toi-
lette kommen.“ ö ö
Ein leiſer Schrei, der ſehr feurig klang! Der
Lieutenant erhob ſich vom Sopha, aber der Ban-
quier drückte ihn wieder in die Kiſſen zurück und
ſagte:
„Machen Sie keine Umſtände mit dem Mäd-
chen, Herr Lieutenant. Sie wiſſen ja ſchon, daß
ſie Sie bis über die Ohren liebt.“
Nina erſchien und zwar doch in Toilette. Ihr
Vater ging ihr entgegen, führte ſie, die hocherröthet

die Augen zu Boden geſenkt hielt, dem Lieutenant

zu, legte ihre Hand in die ſeinige und verſchwand
ö 0

ö dann mit richtigem Takte.
„O, wertheſter Herr von Rohrbach, ich weiß

Lieutenant von Rohrbach war auch aufgeſtan-
den und hielt Nina's Hand eine Weile ſtumm in
der ſeinigen; er ſchien ſeine Braut von oben bis
uuten nochmals zu muſtern, — ein Cavalleriſt hat
es von den Pferdekäufen her, daß er bei ſolchen
Gelegenheiten immer ſehr vorſichtig zu Werke geht.
Nina, über deren Aeußeres wir ſchon früher
einige Worte geſagt haben, war wirklich ein hüb-
ſches Mädchen und zur Zeit höchſtens zwanzig
Jahre alt. Mit ihren Dreißigtauſend baarer Mit-
gift und dem, was ſie ſpäter noch zu erwarten
hatte, konnte ſie für eine excellente Partie gelten.
Ueber ihren Charakter und ihre Gefühle für Rohr-
bach ließ ſich etwa ſagen, was jener große Poet
aus Tyrol ſingt:
 
Annotationen