Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1868

DOI Kapitel:
No. 53 - No. 65 (3. Mai - 31. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43665#0259

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heidelberger Familienblätter.

Belletriſtiſche Beilage zur Heidelberger Zeitung.

63.

Mittwach, den 27. Mai

1868.

Ein Freiſchütz⸗Abenteuer im Auslande.
ö Von Ernſt Pasqué.
(Fortſetzung.)

Bei „Zwei“ erſchien der verſprochene feurige
Wagen. Auf vier Rädern rollte er auf die Scene,
vollbeladen und beſpickt mit Feuerwerk. Doch an-
ſtatt ſeinen Lauf ohne Aufenthalt fortzuſetzen und
ſo raſch als möglich wieder zu verſchwinden, machte
das unglückſelige Spukgefährt mitten in der Wolfs-
ſchlucht Halt, um in aller Ruhe ſeine feurigen
Künſte zu zeigen. Caſpar, das Orcheſter mußten
aufhören bis das Feuerwerk des wackeren Maſchi-
nenkünſtlers abgebrannt war. Und wie prächtig
hatte der Mann dies in's Werk geſetzt! — Der
Wagen erſchien in rother, grüner, violetter und
weißer Beleuchtung und ſtellte ſich in ſolcher als
ein ganz unſchuldiger Kinderwagen mit grünem
Sonnendach, in ſeinem Schooße einen heiter lächeln-
den, nach flandriſcher Weiſe eingewickelten Säug-
ling bergend, den wahrhaft verblüfften Zuſchauern
dar. Endlich, als die letzte Hülſe verpufft war,
trollte der ſonderbare Spuk ſich ganz gemüthlich in
die nächſte Seitencouliſſe ab, vom Beifallsjubel des
Publikums, den wüthendſten und ſchon recht laut
klingenden Flüchen Caſpars begleitet, welch' Letzterer
in ſeinem gerechten Grimme die Wolfsſchlucht und
ihre Erfinder zu allen Teufeln wünſchte.

Director R. ſtutzte zwar auch ein Weniges über

den ſonderbaren Spuk, den er da heraufbeſchworen;
ſein rundes Antlitz begann ſich beim Anblick des
nichts weniger als zauberhaften Wickelkindes recht
merklich in die Länge zu ziehen, doch als er den
lauten und langanhaltenden Beifall hoͤrte, klärten
ſeine Mienen ſich wieder vollſtändig auf, und je
länger man im Hauſe lachte und klatſchte — je
ſtrahlender wurden ſie.
„Wenn das Volk ſich nur amüſirt und tüchtig
applaudirt — dann iſt Alles gut; mehr verlange
ich nicht!“ ſo murmelte er ſtill vergnügt in ſich
hinein. ö
Doch es ſollte auch ihm, dem wackern und kunſt-
ſinnigen Director, hald zu arg werden.

„Drei!“ rief Caſpar, einer neuen Ueberraſchung
gewärtig.

Und ſie blieb nicht aus!

In den Lüften erſchien eine Maſchine, die ſich
ſofort als eine rieſige — Bratwurſt darſtellte. Auf
derſelben ſaßen, oder vielmehr ritten zwei wohlge-

nährte, echt Rubens'ſche Englein, welche Geige ſpiel-

ten. Es war eine Gruppe, die ſich in ihrer wolfs-
ſchluchtigen Umgebung drollig genug ausnahm und
ein wahrhaft homeriſches Gelächter im ganzen Hauſe

wachrief. Die Englein fiedelten auf ihrem ſchmack-

haften Vehikel ſo luſtig drauf los, die Zuſchauer
lachten ſo gemüthlich, als ob die dämoniſche Muſik
Webers nicht vorhanden, oder vielmehr ein luſtiger
Walzer von Strauß geweſen wäre. Der göttliche
Maſchiniſt mußte eine wahre Herzensfreude an dem
Effect haben, den ſeine Zaubergeſtalten hervorbrach-
ten, denn er beeilte ſich durchaus nicht, die hölliſche
Bratwurſt verſchwinden zu laſſen. Allerlei Bewe-
gungen führte ſie in der Luft aus, bis ſie ſchließ-
lich einen Purzelbaum machte und zum Ueberfluß
ſich dann noch in einen coloſſalen Sapeur der bel-
giſchen Nationalgarde verwandelte, der ſich mit ſeiner
hohen Bärenmütze, ſeiner weißen Lederſchürze ſofort
im brillanteſten Feuerwerk zeigte, um endlich —
endlich! — auch ſeinerſeits unter dröhnendem Jubel
der kunſtſinnigen und doch ſo genügſamen Zuſchauer
zu verſchwinden.
Im Hauſe lachte, amüſirte man ſich; Caſpars
extemporirte Flüche wurden immer lauter, bedenk-
licher und Director R. griff ſchon in einer gelinden
Verzweiflung nach dem Theile ſeines würdigen
Hauptes, wo einſtens, in ſchöneren Zeiten, ein wohl
blonder Haarwuchs geprangt haben mochte. Doch
nichts war zu machen, das Verhängniß mußte ſeinen
Lauf haben! ö
Schon kam es heran, denn Caſpar hatte mit
wuthſchnaubender Stimme „Vier“ gerufen. — Doch
was kam heran 21 — Das, bei Gott, war zu viel!
— Und erſt bei „Vier“ war die Wolfsſchlucht an-
gelangt!! —
Auf die Bühne ſchwebte, nur wenige Fuß vom
Boden und an der Baſis in zarte, roſenrothe Wolken
gehüllt, ein monumentales, zierlich verſchnörkeltes
Piedeſtal, auf dem ſich eine kleine nackte Figur von
feinſollender Bronce befand, welche als Fontaine
dienend, ihr Waſſer in der allernatürlichſten, aller-
menſchlichſten Weiſe in eine am Piedeſtahl befeſtigte
Muſchel ſtrömen lies. ö
Die Figur war nicht zu verkennen. Anderwärts
hätte ſie gerechteſte Indignation hervorgerufen,
 
Annotationen