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Heidelberger Familienblätter — 1868

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No. 53 - No. 65 (3. Mai - 31. Mai)
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ten Herrn Hoffmann, den Miniſter Linden, Graf
Eulenburg, von preußiſchen Miniſtern, Frhrn. v. d.
Heydt. Bismarck fehlte im Extrazuge. ö
Als der impoſante Zug ſich Hamburg näherte,
da fiel ein feiner Regen, welcher für den kommen-
den Tag nicht gerade die ſchoͤnſten Ausſichten er-
öffnete; aber als wir in Altona abſtiegen, um Toi-
lette zu machen und ein wohl vorbereitetes Früh-

ſtück in Empfang zu nehmen, da ſtrahlte die Mai-

ſonne wieder im ſchönſten Glanze. Das Eiſenbahn-
Comite hatte für Damen und Herren in Altona
die umfaſſendſten Arrangements getroffen, damit die
Reiſenden in bequemſter Weiſe ſich einigermaßen
wieder reſtauriren konnten. In den großen Bahn-
hofſälen waren für die Herren zahlloſe Waſchſchüſſeln
aufgeſtellt, die von leichtfüßigen Nymphen immer
wieder mit friſchem Waſſer gefüllt wurden; auch
ein Barbier war zur Verfügung geſtellt. Nach der
freilich nur improviſirten Toilette wurde in den
unteren Sälen ein Frühſtück eingenommen. Nach-
dem ſich die Geſellſchaft zur Weiterreiſe geſtärkt,
wurde ſie noch vor der Abreiſe vom Bürgermeiſter
von Altona, Hrn. v. Thaden, auf ſchleswig-holſtei-
niſchem Boden mit einem Hoch auf das einige
Deutſchland begrüßt und Senator Chapeaurouge
richtete an ſie die Einladung der Hamburger Bür-
gerſchaft, am Abend in Hamburg einzutreffen, wo
alle Vorbereitungen zum würdigſten Empfang ge-
troffen ſeien. Auf allen Stationen fand ſich eine
große Volksmenge ein, welche die Abgeordneten
freudig begrüßte. Gegen 9 Uhr trafen wir in Kiel
ein, wo bereits in dem mit Flaggen und Blumen
geſchmückten Bahnhofsgebäude ein vorläufiges kaltes
Frühſtück bereitet war. Es mochte etwa 10 Uhr
ſein, als ſich die Geſellſchaft zum Hafen begab, wo
ihrer ein großartiges Schauſpiel wartete. Der
Regen des Frühmorgens hatte die heiße Luft abge-
kuhlt und geklärt und die Oſiſee ſtrahlte wie ein
glänzender Spiegel. Auf Transportſchiffen wurde
die Geſellſchaft in die See geführt. Als wir uns
der Fregatte Thetis und den Briggs Rover und
Musquito näherten, da donnerten uns die Kanonen
zur Begrüßung entgegen. Es war der höchſte nau-
tiſche Gruß: der Königsſalut von 21 Kanonen-
ſchüſſen, welcher das Zollparlament empfing. Die
Matroſen und Schiffsſungen waren in Parade auf
den Raaen der Schiffe bis zur Spitze des Maſt-
baumes hinauf aufgepflanzt. Seitwärts lagen die
außer Dienſt geſetzten Panzerſchiffe Kronprinz und
Arminius, ſchwimmende Koloſſe. Es war ein im-
poſanter Anblick. Die Herrn Officiere der Marine
waren die liebenswürdigſten Führer und Erklärer.
Namentlich war der Capitän der Thetis, Herr v.

Bothwell, unerſchopflich, den Ehrengäſten der preu-

ßiſchen Marine die größtmöglichſten Aufmerkſam-
keiten zu erweiſen und ihren Ausflug möglichſt nutz-
bar zu machen. Ich gehörte glücklicherweiſe zu einer

kleinen Geſellſchaft, welche der liebenswürdige Ca-

pitän in kleinen Kuttern nach der „Thetis“ über-
führen ließ. Dort wurden in der exakteſten Weiſe
von der verſammelten Mannſchaft eine Reihe von
See⸗Exercitien ausgeführt. Es wurden alle Segel
der Fregatte aufgezogen und zum erſten Mal hörte
ich das donnernde Commando auf einem Kriegs-
ſchiffe und den ſchrillen Ton der Bootsmannspfeife.
Wie die Katzen kletterten Schiffsjungen und Ma-
troſen an Strickleitern empor, um die Segel auf-
zurollen. Darauf wurde das Schiff zum Gefecht
klar gemacht. Wir ſtiegen in das Zwiſchendeck hin-
ab. Sie können ſich keinen Begriff von dem Ge-
wimmel machen, das da unten herrſchte. Aber alle
Exercitien wurden mit der größten Genauigkeit aus-
geführt und das Commando des erſten Lieutenants
beherrſchte die ſcheinbare Disharmonie. Um die
Nerven der zahlreichen Damen zu ſchonen, wurden
die Kanonenſchüſſe nur durch Zündhütchen mar-
quirt.
Nachdem wir auf dieſe Weiſe einen Begriff von
einem Seegefecht erhalten, führten uns die Kutter
des liebenswürdigen Capitäns nach der kürzlich in
Frankreich gebauten Panzerfregatte „Friedrich Karl.“
Als wir darauf auf der „Gefion“ anlangten, wo-
hin das Marinecomite die Geſellſchaft zu einem
lukulliſchen Frühſtück eingeladen hatten, war das
Schiff bereits faſt vollſtändig verlaſſen. In den-
ſelben Räumen, welche noch vor wenigen Jahren
der Herzog von Auguſtenburg bewohnt hatte, im
Luſtſchloß Bellevue waren inzwiſchen die Vorberei-
tungen zu einem glänzenden Diner getroffen wor-
den, welche das Comite der Marine den Feſttheil-
nehmern zu Ehren veranſtaltet hatte. Die Geſell-
ſchaft konnte in dem großen mit den Flaggen aller
ſeefahrenden Nationen geſchmückten Raum nicht Platz
finden; im Freien, wo ein Muſikcorps aufgeſtellt
war, mußten ebenfalls noch Tiſche hergerichtet wer-
den. Leider wurden die Gäſte, welche ſich an dieſen
niedergelaſſen hatten, ſehr empfindlich geſtört durch
einen feinen Regen, welcher ſich gegen 5 Uhr ent-
wickelte. Sie erlaſſen mir, die reichen gaſtronomi-
ſchen Freuden des Mahls zu ſchildern.
Die Reihe der Toaſte eröffnete Admiral Jach-
mann, der die Verſammlung begrüßend des Be-
gründers des erſten deutſchen Bundeshafens ge-
dachte und ein jubelnd aufgenommenes Hoch auf
König Wilhelm ausbrachte. Der Abgeordnete Graf
Solms⸗Laubach folgte mit einem Hoch auf die
deutſche Flotte, welches natürlich den begeiſterten
Wiederhall fand. Er erinnerte daran, daß die An-
fänge der erſten deutſchen Flotte ſich an den Boden
Schleswig⸗Holſteins knüpfen und ſprach die Zuver-
ſicht aus, daß dieſe zweite deutſche Flotte, die wir
ſo eben begrüßt, nicht wie jene unter den Hammer
kommen werde. Wenn ſie heute noch den Namen
der Flotte des norddeutſchen Bundes führe, ſo komme
 
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