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Heidelberger Familienblätter — 1868

DOI Kapitel:
No. 144 - No. 155 (2. December - 30. December)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43665#0610

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— 598 —

Ein Mitglied: Wir werden Beides haben!
(Tiefe Stille.)
Präſident: Bleiben Sie auf Ihren Plätzen
und bedenken Sie, daß ganz Europa auf uns ſieht!
Der Präſident Vitet und der Secretär Chapot
ſchreiten gegen die Thüre, wo die Truppe erſcheint.
Ein Sergeant und ein Dutzend Vincennes-Jäger
beſetzen die letzten Stufen der Stiege.
Vitet (wendet ſich gegen den Sergeanten):
Was wollen Sie? Wir ſind zufolge der Conſti-
tution verſammelt. ö
Der Sergeant: Ich vollſtrecke empfangene
Befehle. ö
Vitet: Sprechen Sie mit Ihren Vorgeſetzten.
Chapot: Sagen Sie Ihrem Bataillons-Com-
mandanten, hierher zu kommen. (Ein Capitän,
der das Amt eines Bataillonschefs übernommen
hatte, zeigte ſich auf der Stiege. Der Präſident
ſpricht ihn an.)
Vitet: Die Nationalverſammlung iſt hier ver-
eint. Im Namen des Geſetzes und im Namen
der Conſtitution fordern wir Sie auf, ſich zurück-
zu ziehen. ö ö
Der Commandant: Ich habe Befehl.
Vitet: Die Verſammlung hat eben ein Decret
ausgegeben, welchem zufolge ſich alle ausübenden
Gewalthaber unter die Befehle der Nationalver-
ſammlung zu ſtellen haben. Ich fordere Sie auf,
ſich zurückzuziehen.
Der Commandant: Ich kann mich nicht
zurückziehen!
Chapot: Verrath gegen das Geſetz und pein-
licher Gewalt ſind Sie angeklagt und werden die
Verantwortung tragen müſſen.
Der Commandant: Sie wiſſen, was ein
Inſtrument iſt; ich gehorche. Uebrigens werde ich
ſogleich Bericht abſtatten. ö
Grévy: Vergeſſen Sie nicht, daß Sie der
Conſtitution und dem 68. Artikel derſelben Gehor-
ſam ſchuldig ſind. ö
Der Commandant: Für mich iſt der 68.
Artikel nicht gemacht. (Der Offizier entfernt ſich.)
Berryer: Ich begehre, das Decret moͤge allſo-
gleich der Armee von Paris mitgetheilt werden.
Sie möge über der Nationalverſammlung“ wachen
und General Magnan, bei der Strafe des Ver-
brechens, die Truppen zur Verfügung der Ver-
ſammlung ſtellen. (Sehr gut!) —
Pascal Dupret: Er commandirt nicht mehr.
Ravinel: Es iſt Baraguay d'Hilliers, welcher
Lommandirt. (Nein! Nein! Ja! Jal) ö
Mehrere Mitglieder: Fordern Sie den
„General auf, ohne den Namen zu ſetzen.
Monet: Ich begehre, daß dem Praͤſidenten

ein Duplicat des Decretes gegeben werde, welches

ſeine Abſetzung enthält.

Mehrere Mitglieder: Es
ſidenten mehr. (Bewegung.)
Pascal Dupret: Ich muß das Wort aus-
ſprechen: Herr Dupin hat ſich feige benommen.
Ich fordere, daß man ſeinen Namen nicht mehr
nennt. ö
Monet: Ich habe ſagen wollen, dem Präſi-
denten des hohen Gerichtshofes muß man das De-
cret ſenden. (Der Vorſchlag wird angenommen.)
Der Präſident d'Azy ſchlägt vor, den Ge-
neral Oudinot zum Commandanten ſämmilicher
Truppen von Paris zu ernennen.
Tamiſier: Ohne Zweifel wird der General
ſeine Pflicht erfüllen, doch wir ſollen uns an die
römiſche Expedition erinnern, welche er commandirt
hat. (Heftige Unruhe, zahlreicher Widerſpruch.)
Peſſeguier: Sie entwaffnen die Verſamm-
lung das zweitemal.
Dampierre: Schweigen Sie, Sie tödten uns!
Tamiſier: Laſſen Sie mich endigen, Sie ver-
ſtehen mich nicht. .
Präſident: Wir ſind zerklüftet, wir ſind
verloren.
Berryer: Stimmen wir über den Vorſchlag ab.
Von allen Seiten: Stimmen! Stimmen!
Die Ernennung des Generals Oudinot!
Der General wird ernannt und wählt Herrn
Tamiſier zum Chef ſeines Generalſtabes. (Enthu-
ſiaſtiſcher Applaus.) ö
In dem Augenblicke kündigt ein Mitglied, wel-

gibt keinen Prä-

ches ſich an der Thür befand, an, daß ein Offizier

der Jäger mit neuen Befehlen komme. General
Oudinot und Tamiſier treten ihm entgegen.
Tamiſier lieſt dem Offizier das Decret vor,
welches Oudinot zum Commandanten der Armee
von Paris ernennt. ö ö
Oudinot ſtellt dem Offizier die Verantwortung
vor, in die er ſich begibt, und bewegt ihn, ſich
wegen neuer Inſtructionen zu entfernen. Als dies
gelungen iſt es 1¼½ Uhr. ö
Berryer (welcher vor einigen Augenblicken
den Saal verlaſſen und wieder zurückgekehrt war):
Meine Herren! Es war ein Fenſter offen, wir
ſahen viele Leute auf der Straße. Ich habe vom
Fenſter angekündigt, daß die Nationalverſammlung,
hier ordentlich vereint, ein Decret erlaſſen, in wel-
chem die Abſetzung des Präſidenten der Republik
ausgeſprochen; daß ſie ferner den Befehl über die
Armee und Nationalgarde dem General Oudinot
anvertraut und Herrn Tamiſier zu deſſen General-
ſtabs⸗Chef ernannt hat. Es folgten hierauf Bei-
fallsbezeugungen und Bravos.
(Schluß folgt.)

Redaktion. Druck und Verlag von Adolph Emmerling.
 
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