Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Familienblätter — 1868

DOI chapter:
No. 131 - No. 143 (1. November - 29. November)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43665#0570

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
— 558 —

ausgab, aber nichts verſtand, ſollte ſie darin unter-
richten, das Reſultat blieb Null, und die Techniker
und der Jude wurden dem öͤffentlichen Spott preis-
gegeben. Da war ihnen der Zufall günſtig, ſie
gelangten in den Beſitz eines Buches technologiſchen
Inhalts, das für ihre augenblickliche Rettung von
Werth war. ö
Ein, einen Fuß großes Kanönchen von /½ Pfd.

Kaliber kam zu Stande, wofür ſie mit Lobhudeleien

bedeckt und ihre Mühe ihnen reichlich belohnt wurde.
Bald war eine Kanone von 4 Pfund Kaliber zu
Stande gebracht, jetzt erſchien der Kaiſer ſelbſt, um
die Arbeiten zu überwachen — d. h. er mißhan-
delte die achtbaren Männer, indem er Unmögliches
verlangte. Sie wurden um Mitternacht aus ihren
Wohnungen geholt und im Beiſein des Kaiſers zur
Arbeit gezwungen; mußten Lob und Drohung er-
tragen. Schließlich wurden ſie Nachts ins Gefäng-
niß gebracht und mußten am Tage, von Soldaten
bewacht, arbeiten, und zwar je nach der Laune des
Kaiſers. Das Loos dieſer Unglücklichen war am
härteſten; es war Bender aus Baden, Kienzler und
Meier aus Württemberg, Saalmeier aus Sachſen
und Waldmeier aus der Schweiz. Kienzler ſtarb
durch Vergiftung der eingeathmeten Metallgaſe.
Schimper war, wie Eingangs ſchon geſagt, auch

durch Gewaltthätigkeit in der Nähe des Kaiſers ge-

feſſelt, daher Zeuge aller Vorfälle. M.

Preußiſch⸗öſterreichiſche Handelsbezie-
hungen.
In dem Berichte über eine Gerichtsverhandlung
wegen Majeſtätsbeleidigung, welche gegen einen
Tagelöhner zu Wien geführt wurde, leſen wir:
Nachdem ſich hierauf der Angeklagte über die als
Majeſtätsbeleidigungen incriminirten Aeußerungen
verantwortet hatte, bemerkt der Präſ.: Als Sie
zum Bezirksgerichte geladen wurden, ſind Sie nicht
erſchienen und haben ſagen laſſen, wegen einer ſol-
chen Dummheit kommen Sie nicht. — Angekl.:
Ja, da muß der Wirth g'ſtroft werden, der hot
mir g'ſogt, daß ſie ihn wegen ſo aner Dummheit
z'ſombiſſen (angeſchrien) hoben, und do hob' i mir

denkt, werden ſie's mit mir a nöt beſſer machen.

— Präſ.: Sie erhielten noch eine zweite Vorla-
dung und ſind auch dann nicht gekommen. — An-
gekl.: Jo, dos wor grod am Kirtog⸗Montag; ſoll
i mi, wonn d' andern Leut' luſti ſan, einſperren
loſſen? — Präſ.: Als endlich das drittemal der
Gendarm gekommen iſt, um Sie abzuholen, haben
Sie ſich verſteckt und unter den Leuten ausgeſtrent,
Sie ſeien nach Preußen gereiſt, um Ihre Kinder
zu verkaufen. — Angekl.: Dös is ka Lug, dös

g'ſogt, in Preußen kafen's Kinder, 's hot erſt jetzt
an's 500 fl. für an Buben kriegt; no hob' i mir
denkt, packſt die zwa Buben z'ſammen, fahrſt 'nüber;
50 fl. a jedes werden's do werth ſein? — Präſ.:
Haben Sie ernſtlich denn geglaubt, daß man Kin-
der verkaufen kann? — Angekl.: Worum ſollt' i's
noöͤt glauben? — Präſ.: Und würden Sie Ihre
Kinder verkauft haben? — Angekl.: J bitt' Euer
Gnoden, i hätt a Biſſel Geld bei anander g'ſehen,
und nochher wos glauben's denn, wos g'hört zu
den Kindern für Geduld; jetzt flick' i ihna d' Ho-

ſen, glei kommen's wieder z'riſſen daher, und ſog'

i wos, ſchneiden's G'ſichter. — Präſ.: Woher ſol-
len die Kinder Erziehung haben, wenn Sie nichts
thun als trinken?

Pietiſtiſche Barbarei.
Die „Spen. Zig.“ führt einige Stellen aus
dem neuen Geſangbuch an, welches der jetzige Herr
Superintendent für Preußiſch-Schleſien einführen
will. Es heißt daſelbſt: ö
Wie's Gott gefällt, ſo gefällt mirs wohl
In allen meinen Sachen.
Wie's Gott verſehen hat einmal, (Reim!)
Wer kann es anders machen?
Drum iſt umſonſt
Geld, Witz und Kunſt, (Reim!)
Hilft auch nicht Haarausraufen.
Man murr' und beiß',
Soll's ſein, ſo ſei's,
Wird doch ſein'n Weg nauslaufen. (I)
In einem Adventliede (M. 1 V. 5) heißt es:
„Laßt uns die Weg' ihm bahnen ö
Und machen Alles ſchlecht.“
In Nr. 443: ö
„Und weil ich voller Fehler bin,
Und wo ich mich nur wende hin,
Beſchmutzet und unflätig.“
Wie weit iſt da noch zum „Sündenknüppel“
anderer Geſangbücher, und welche geiſtige Erhebung
und Veredlung kann das Volk von ſolchen Barba-
rismen und Rohheiten davontragen? Man wird
es nur begreiflich finden, wenn Gemeinden mit ge-
bildeter Bevölkerung von ſolchen Büchern nichts
wiſſen wollen.

Ein Pechvogel fahrt mit der Bahn durch eine

kleine Station. Der Zug fuhr gerade in den Per-

ron, als Jemand fortwährend Meyer! Meyer!
brüllte. Unſer Herr ſteckt den Kopf zum Fenſter
heraus und — erhält eine tüchtige Ohrfeige. Jam-

mernd erzählt er ſein Leid dem Bahnhof⸗Inſpector.

Dieſer fragt ganz gelaſſen: „Heißen Sie denn
Meyer?“ „Nein“. — „Nun, dann geht die Sache

Sie ja gar nichts an!“ —

hob' i thun wollen. Der Vetter Griesbauer hot

Redaktion, Druck und Verlag von Adolph Emmerling.
 
Annotationen