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Heidelberger Familienblätter — 1868

DOI Kapitel:
No. 131 - No. 143 (1. November - 29. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43665#0573

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— 561 —

beſonders Nathan, der deſſen Finanzgenie geerbt
hatte. Derſelbe — kaum großjährig — etablirte
ſich im Jahre 1798 in Mancheſter mit 500,000
Francs, welche ihm die väterliche Caſſe geliehen
atte. ö
In weniger als vier Jahren verdreifachte er
dieſe Summe und verlegte ſein Bankhaus nach Lon-
don, wo bald ſeine Geſchäfte rieſige Dimenſionen
annahmen. Im Jahre 1814 war er in Brüſſel.
Am Tage der Schlacht bei Waterloo reiſte er
eiligſt nach London zurück, kam dort an, 24 Stun-
den früher, bevor noch die Siegesnachricht officiell
bekannt war, kaufte er alle Rente zuſammen, die
er auf der Börſe finden konnte, und realiſirte mit
einem Coup einen Gewinn von 30 Millionen.
Während der Invaſion von 1815 vervierfachte er
ſein Vermögen. Nathan Rothſchild war es, wel-
chem man einſt das Projekt zuſchrieb, dem Schick-
ſale der in der Welt umherirrenden Juden ein
Ende zu machen, dieſelben wieder an den Ufern
des Jordan zu vereinigen, auf demſelben Boden,
der ihnen vor 1800 Jahren entriſſen wurde. Der
reiche Bankier wolle — ſo ſagte man — Jeruſa-
lem den Türken abkaufen und ſeinen Glaubensge-
noſſen zum Geſchenke machen. Natürlich würden
ihn die Juden aus Erkenntlichkeit zum Könige von
Paläſtina gemacht haben.

Wie es ſich ſpäter herausſtellte, war das Pro-

zekt nichts Anderes, als eine von engliſchen Zei-
tungen flügge gemachte Ente.
M. L. Mayer.

Ueber den Forrſchritt der Central⸗Pa-
eiſie⸗Ei ſenbahn

ſchreibt ein Correſpondent des San Francisco Bul-
letin u. A.: Ein Bild der regſten Thätigkeit bietet
die Central⸗-Pacific-Eiſenbahn ihrer ganzen Linie
entlang; von Sacramento bis zu einem 500 Mei-
len öſtlich gelegenen Punkte der Weg durch Fracht⸗,
Bau⸗ und Vorrathszüge belebt, ſoweit dies das
Geleis erlaubt; dieſen ſchließen ſich unabſehbare
Wagenzüge, beladen mit Vorräthen und Bauma-
terialien aller Art, an. Gegenwörtig beſchäftigt
die Geſellſchaft eine Arbeiter⸗Armee von 10,000
Mann, ſowie 3000 aus vier Pferden, Mauleſeln
oder Ochſen beſtehende Geſpanne. Dieſe Armee
mit ihrem Troß, beſtehend aus Händeln, Marke-
tendern ꝛc., ſind die Pionniere, welche den erſten
Grundſtein zu zahlreichen Anſiedelungen von blei-
bender Dauer legen. Der ganzen Bahnſtrecke ent-
lang entſtehen Ortſchaften, Dörfer und Städte, die
ſich bald durch ihren Handel mit dem Innern einen
Wohlſtand erwerben und als Mittelpunkte für per-

manente Beſiedelung des fruchtbaren, jungfräulichen

Bodens zu betrachten ſind. Die zweimal des Tags

paſſirenden regelmäßigen Paſſagier⸗ und Güterzüge
bilden nur den kleinſten Theil des regen Verkehrs,
und man kann mit Sicherheit behaupten, daß durch
den Bau der Central-Pacific-Eiſenbahn bereits
15,000 bis 20,000 Perſonen in bisher unbewohnt

geweſenen Gegenden ihren bleibenden Wohnſitz aufk⸗ü⸗

geſchlagen haben. Die Wälder der Sierra Nevada
ertönen auf eine Entfernung von hundert Meilen
von den Axthieben der Holzfäller und den Meißel-
ſchlägen der Steinarbeiter. In Truckee allein ſind
25—30 Sägemühlen in vollem Betriebe, um das
nothwendige Bauholz zu liefern; der Truckee⸗Fluß
iſt mit Baumſtämmen angefüllt, die ihren Weg
nach dem Thale nehmen, um in den dortigen Säge-
mühlen verarbeitet zu werden. Bauholz aller Art
iſt längs der Bahn aufgeſchichtet und wartet auf

Beförderung nach den benöthigten Punkten, um

zum Bau der Strecke ſelbſt oder zu Schneedächern,
Stationsgebäuden, Schuppen, Wohnhäuſern u. ſ. w.
verwandt zu werden; 70 Locomotiven und mehrere
Hundert Waggons ſind mit dem Transport unauf-
hörlich beſchäftigt. Fünfhundert Tonnen Bauma-

terialien gehen jeden Tag über die Sierra Nevada,

deren höchſter Punkt 7030 Fuß über der Meeres-
fläche erhaben, nach der „Front“, welche ſich gegen-
wärtig circa 400 Meilen öſtlich von Sacramento
befindet. ö
Je näher der Winter rückt, um ſo rieſigere An-
ſtrengungen werden gemacht, um vor Eintritt der
Schneeſtürme ſo viel von der Strecke, als nur mög-
lich, in fahrbaren Zuſtand zu bringen, Baumaterial
zu transportiren und die Schneedächer zu vollenden.
Denn ſobald Schneewetter einſetzt, muß das rege
Leben verſtummen, und die ganze Arbeit wird ſich
dann darauf beſchränken, die Strecke ſtets von Schnee
frei und in betriebsfähigem Zuſtand zu erhal-
ten. Deßhalb iſt man bemüht, den Schienen-
weg vor Eintritt des Winters ſo weit als mög-
lich zu vollbenden. Bis Winnemucca, einem Platz
324 Meilen öſtlich von Sacramento, laufen bereits
regelmäßige Paſſagierzüge, weitere 24 Meilen, faſt
bis Emigration Cannon, ſind mit Schienen belegt;
50 Meilen darüber hinaus iſt die Strecke bereits
vollſtändig gradirt und eine ſtarke Arbeiter⸗Abthei-
lung iſt mit Herſtellung des Bahnbettes für noch
weitere 50 Meilen beſchäftigt. Die Entfernung von
Sacramento bis zur Nordſpitze des Salzſee's beträgt
651 Meilen; 348 Meilen davon ſind gegenwaͤrtig
in betriebsfähigem Zuſtande, und jeden Tag wer-
den durchſchnittlich weitere 2¼ Meilen mit Schie-
nen belegt. Es hängt demnach lediglich von den
Transportmitteln und dem Wetter ab, wann der
Salzſee erreicht werden wird. Das Gradiren kann
in einem Zeitraum von drei Monaten beendet ſein,

denn eine andere Arbeiter⸗Abtheilung, die von den

Mormonen vertragsmäßig beſchäftigt wird, hat die
Gradirung von 100 Meilen dieſſeits des Salzſee's
 
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