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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0180

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durch Koloman v. Szell nahezu sicher ist; es sind in Pest
nur Einzelheiten dafür zu ordnen. Dabei ist aber sicher
nicht ausgeschlossen, daß die Formalitäten bei Fortführung
der Compromißvcrhanolnngen noch etliche wenige Tage
beanspruchen könnten.
Frankreich. Paris, 16. Febr. Der Senat hat
heute die mit der Prüfung der Revisio ns Vorlage
beauftragte Commission gewählt. Seit langer Zeit hat
man eine so große Bewegung im Oberhause nicht gesehen
wie heute. Man muß bis in die Zeit des Ministeriums
Bourgeois zurückgehen, wo der Konflikt zwischen der Kam-
mer und dem Senat, oder bis auf die Tage, da durch
Boulanger Umsturz drohte, um eine annähernde ähnliche
Bewegung zu finden. Die Senatoren waren alle persönlich
von ihren Parteiführern eingeladen worden und von 300
Mitgliedern waren 243 erschienen. Neun Mitglieder des
Ausschusses erklärten sich für, fünf gegen die Vorlage;
die Zählung aller in den neun Bureaus abgegebenen Stim-
men ergiebt 123 für die Vorlage, 113 dagegen. Sieben
weiße Zettel wurden abgegeben. Da hiernach noch 57
Stimmen ausstehen, von denen eine Zahl im Plenum noch
erscheinen wird, so steht die Entscheidung noch nicht fest.
Indes geht die Ansicht in parlamentarischen Kreisen dahin,
daß die Vorlage mit einer kleinen Mehrheit schließlich an-
genommen werden wird.
Paris, 16. Febr. Mehrere Blätter melden überein-
stimmend, nach den in Lille angestellten Ermittlungen
werde es immer unwahrscheinlicher, daß der in Einzelhaft
sitzende Schulbruder Flaminien das ihm zur Last gelegte
Verbrechen begangen habe. Man will Gründe für die
Annahme haben, daß das Verbrechen außerhalb der Anstalt
von einem Schreiner begangen worden sei, der als ehe-
maliger Zögling und Hausgenosse der Lehrbrüder im Be-
sitze von Schlüsseln war, die ihm gestatteten, die Kiste mit
der Leiche nächtlicherweise einzuschmuggeln. Wie er es, falls
diese Annahme richtig ist, angestellt habe, um die Polizei
zu täuschen, die seit dem Sonntag Abend, als das Ver-
schwinden des Knaben bemerkt wurde, alle Zugänge zur
Schule Notre-Dame de la Treille bewachte, wird nicht ge-
sagt. Der betreffende Schreiner ist verhaftet worden. Die
Anticlerikaleu betheuern nach wie vor die Schuld des Schul-
bruders und wollen in der Wendung, welche die sensa-
tionelle Angelegenheit nimmt, die mächtige Hand der Jesu-
iten erblicken; sie setzen ihren Feldzug mit verdoppelter
Heftigkeit fort. Kurzum: die Angelegenheit ist noch eben-
so dunkel als bisher.

Dresdener
Der That-

„Die Löbtauer Landfriedensbrecher".
Unter dieser Ueberschrift veröffentlicht das amtl.
Journal das Urtheil des Dresdener Schwurgerichts
bestand ist hiernach im Wesentlichen folgender:
„Am 6. Juli 1898 hatte auf dem Grahl-Hempel'schen Bau
in Löbtau von früh 9 Uhr ab und nach Schluß der Arbeit um
6 Uhr für die dort beschäftigten Maurer, Zimmerleute und Bau-
arbeiter, etwa 35 bis 40 Mann. Hebeschmaus stattgefuudeu; da-
bei waren 5 Faß Münchner und Lagerbier, ca. ISO Liter im
Ganzen, aufgelegt worden. Gegen 8 Uhr Abends rief Jemand
in die Baubude: „Die Zimmerlcute alle raus kommen, bei Klemm
arbeiten sie noch!" Sofort verließen Gedlich, Geißler, Hecht,
Zwahr, Pfeifer, Leiber und an ihrer Spitze Moritz den Bauplatz
und eilten in schnellem Schritte, trotz Warnung ihres Arbeit-
gebers: „Macht keine Dummheiten" nach dem Ecke Süd- und
Herbertstraße gelegenen Neubau des Bauunternehmers Klemm,
um die dort arbeitenden Zimmerleute von der Arbeit abzuhalten.
In der Nähe des Neubaus lief Moritz voraus, betrat als Erster
den Platz, dessen Zugang äußerlich offen, aber durch das Plakat:
„Unbefugten ist der Eintritt verboten", gesperrt war, und frag e,
wie er selbst zugibt, lediglich um einen Borwand zu haben und
den Platz hefugt betreten zu können, den Polier Pollack nach
Arbeit. Als Pollack ablehnend antwortete, wandte sich Moritz
sofort an die dort arbeitenden 6 Zimmerleute mit den Worten:
„°/«8 Uhr arbeitet Ihr noch; pfui, schämt ihr Euch denn nicht?"
Gleichzeitig betraten die Anderen, die bisher vor dem Thor außer-
halb des Platzes gestanden hatten, den Bauplatz und machten
den Arbeitern unter Schimpfworten Vorwürfe. Nun kam der
Baugewerke Klemm jun., der mit seinem Vater vor dem Neubau
auf der Südstraße im Gespräch gestanden hatte, auf den Platz
und forderte die sämmtlichen fremden Arbeiter, denen sich außer
Schmieder, Schaer, die vom Grahl'schen Neubau gekommen
waren, und Wobst, der aus seiner in der Nähe gelegenen Woh
nung herbeigeeilt war, noch eine große Anzahl Arbeiter zugesellt
hatte, auf, den Platz zu verlassen
Sofort fielen nun die Verurtheilten über Klemm jun. her
(1. Angriff), drängten ihn hinter dem ersten Ziegelhaufen herum
nach der Laterne, in deren Nähe Klemm zu Falle kam, und
schlugen fortgesetzt mit Fäusten auf ihn ein. Da eilten Pollack
dessen Bruder Emil, die auf dem Klemm'schen Neubau beschäf-
tigten Zimmerleute Wende und Petrich und Klemm sen. zu
Hilfe. Klemm jun. kam in die Höhe und lief sofort hinter das
Haus in die dort befindliche Baubude. Dabei wurde ec noch
von einem Ziegelstück ins linke Auge getroffen. Während dessen
wendeten sich die fremden Arbeiter gegen Klemms Leute, die ihm
zu Hilfe gekommen waren. Klemm jun. kam inzwischen wieder
hinter dem Hause vor bis in die Nähe des Sandhaufens und
forderte von dort aus die fremden Arbeiter nochmals auf, den
Platz zu verlassen.
Da diese nicht sofort Folge leisteten, gab Klemm jun. aus
einem mit der Mündung dem Boden zugekehrten Revolver und
gestrecktem Arm zwei Schreckschüsse ab. Sofort stürzten nun die
Nächststehenden auf Klemm jun. los. Von der Straße her er-
tönte hierbei aus der stark angewachsenen Menge, die jedenfalls
durch Zwahrs Ausruf: „Ich bin geschossen!" aufgestachelt worden
war, der Ruf: „Schlagt den Hund todt!", und der Haufen auf
dem Platze schrie: „Wart', Luder, Du mußt sterben!", und ins-
besondere Wobst brüllte: „Schlagt den Hund todt!" Sie schlugen
auf ihn ein (2. Angriff) und warfen ihn in der Nähe des ersten
Ziegelhaufcns zu Boden. Dort packten noch Moritz und Zwahr
den Klemm jun. am Halse und würgten ihn mit den Worten:
„Hund, ich erwürge Dich!" Klemm jun. wurde nun mit
Fäusten geschlagen, mit Füßen getreten und mit Ziegel- und
Balkenstücken beworfen. Inzwischen arbeitete sich Pollack von
der Laterne her zu Klemm jun. durch, erhielt dabei mehrere
Faustschläge auf den Kopf und ins Genick, hob aber Klemm jun.
doch endlich auf und führte ihn, der in Folge der Mißhand
lungen nur schwer gehen und kaum noch sprechen konnte, nach
der hinter dem Hause gelegenen Bude und legte ihn dort auf
eine Bank. Auf dem Wege hinter das Haus flogen Ziegelsteine
und Balkenstücke hinter Klemm jun. her. Bei dieser Gelegenheit
hat Pfeifer geständigermaßen V. Stück Ziegelstein nach Klemm jun.
geworfen.
Pollack verschloß die Baubude und begab sich nach der Straße
zu, um die Bretterplanke, die umgefallen war, wieder aufzurtchten,
er wurde aber durch Reichelt mit den Worten daran gehindert:
„Das ist keine Sache. Das darf nicht gelitten werden, daß hier
länger gearbeitet wird. Es wird eben nicht zugemacht!" Da

hörte er Klemm jun. um Hilfe rufen. Es waren nämlich Zwahr,
mit den Worten: „er wolle nachgehen und den Hund todtschlagen",
und Andere hinter Klemm jun. her nach der Bude gegangen,
Zwahr hatte die verschlossene Thür erbrochen. Er betrat als
Erster die Bude, erfaßte eine leere Selterswasserflasche am Halse
und schlug mehrere Male mit ihr so stark auf Klemms Hinter-
kopf, daß die Flasche in Stücke zersprang, obwohl Klemm, vor
Schmerzen wimmernd, gebeten hatte: „Schlag' mich doch nicht
todt, ich habe doch auch Frau und Kinder!" Während des
Schlagens rief Zwahr aus: „Jetzt haben wir Dich, Hund. Jetzt
schlagen wir Dich todt, Du hast es nicht anders verdient!"
Hierauf ergriff Schmieder ein Balkenstück und schlug mit diesem
wiederholt auf Klemms Hinterkopf. Bei diesen scheußlichen Miß-
handlungen hatte Klemm jun. um Hilfe gerufen und war mit
Aufbietung seiner letzten Kräfte noch bis an die Hintere Hausecke
gelaufen, dicht gefolgt von Zwahr; dort aber brach er zusammen.
Pollack nahm sich nun seiner an und führte ihn stützend nach dem
Eingang zu. An der Bretterplanke riß aber Zwahr die Beiden
nieder und schlug mit Fäusten auf sie los. Dabet unterstützten
ihn die fremden Arbeiter wieder, ermuntert durch den Zuruf aus
der Menge und durch Wobsts Mund: „Schlagt den Hund todt"
(3. Angriff). Als nun Klemm hilflos am Boden lag, kniete
Zwahr auf ihm (4. Angriff). Moritz versetzte ihm einen Fußtritt
ins Gesäß, dessen er sich später auch noch gerühmt hat, endlich
stieß ihn auch Wobst mit den Füßen und rief dabei: „Jetzt habe
ich Dir den Gnadenstoß gegeben!"
Währenddessen hatte sich Pollack befreit und lief nach der
Wilsdrufferstraße zu, um Polizei zu holen. Ihm begegnete der
Steinmetz Schräder, den er bat, dies für ihn zu thun. Dann
arbeitete er sich wieder zu Klemm jun. durch, wobei er wieder
mehrere Faustschläge auf den Kopf erhielt. Er brachte Klemm
jun. in d e Höhe und schleifte ihn, da dieser nicht mehr gehen
konnte, die Südstraße entlang nach der Wilsdrufferstraße zu.
Noch ehe er diese erreichte, hatten ihn eine Anzahl fremder Ar-
beiter, darunter Zwahr, Schmieder und Gedlich, eingeholt. Sie
rissen Klemm jun. von Neuem nieder (5. Angriff), würgten ihn
am Halse mit dem Rufe: „Nun mußt Du sterben." In diesem
Augenblick kam Schräder herbei. Als dieser Klemm jun. anf-
heben wollte, versetzte Schmieder dem Klemm mit dem Stiefel
einen Tritt ins Gesicht, daß Klemm den Kopf wie leblos fallen
ließ. Von da schafften dann Pollack und Schräder den Schwer-
verletzten nach der Wache. Die versammelte Menschenmenge
wurde auf 300 bis 400 Leute geschätzt. Klemm jun. hat in
Folge dieser Mißhandlungen starke Schwellungen und Blutergüsse
um und in das Auge, ausgedehnte Haut- und Muskelverletzungeu
über den ganzen Körper und einen Bruch der Schädeldecke davon-
getragen. Die Kleider hingen in Fetzen von ihm. Er hat mehrere
Tage Blut gespuckt und war einige Monate schwer krank. Noch
gegenwärtig behauptet er, Schwindel und Kopfdruck zu empfinden.
Sein Auftreten in der Verhandlung war das eines Menschen, der
geistig wie körperlich sich von den erlittenen Mißhandlungen noch
durchaus nicht völlig erholt hat.
Angesichts dieser Thatsachen schreibt nun die Sächsische
Arbeiterztg., daß den Verurtheilten jedes Schuldbewußtsein ge-
fehlt habe, und daß sie zunächst in durchaus unanfechtbarer
Weise ihre Interessen gewahrt und unter dem Eindrücke der be-
rechtigten Nothwehr gegen den schießlustigen Bauunternehmer
gehandelt hätten. So beurtheilt die Sozialdemokratie die
schlimmste Vergewaltigung eines Wehrlosen von Seiten ihrer
Genossen! (Schluß folgt.)

Z Aus der Garnison. Die ursprünglich auf heute anberaniut»
Rekrutenvorstellung ist auf morgen verschoben worden-
Hö Schöffengerichtssttzung vom 16. Febr. 1) Jakob Hähnfl
aus Wieblingen, z. Zt. hier in Haft, erhielt wegen Unterschlag»^
14 Tage Gefängniß, 2) Otto Petz, Kellner aus Jagenhaus»»'

Aus

zum Ha
Sache g
so und
die sich
ergriffen

z. Zt. hier in Haft, wegen Betrugs 14 Tage Gefängniß, 3) Pest ^ ^ch

theiligt

Viktor Kober aus Rohrbach, z. Zt. in Sinsheim, erhielt w»st",
Diebstahls einen gerichtlichen Verweis, 4) Jakob Rabe, Taglöhn»' daß pjx
dahier, wegen Sachbeschädigung 3 Tage Gefängniß, 5) Ludvst steht, si
Lehn, Dienstknecht in Handschuhsheim, wegen Sachbeschädigung"-—----
3 Tage Gefängniß, 6) Viktor Kober, Taglöhner dahier, weg»»
Beleidigung und Ruhestörung 1 Woche und 3 Tage GefängNiv-
7) Erhard Willi Pfaff, Kaufmannslehrling dahier, wegen Unter
schlagung und Diebstahls 5 Tage Gefängniß, 8) Karl genau»
Wenzeslaus Schmich, Steinbrecher in Dossenheim, wegen Körper
Verletzung 1 Woche Gefängniß, 9) Oskar Weber, Schlosser hist
Joh. Adam Klein, Schlosser hier, Karl Lay, Taglöhner Hst'
erhielten wegen Körperverletzung je 1 Woche GefängiM
10) Hermann Theodor Exner, Kaufmann in Wiesbaden, echtes
wegen Unterschlagung 18 Tage Gefängniß, 11) Karl Volk, Haue
bursche in Rippberg, wegen Betrugs einen gerichtl. Verwest
12, Karl Friedrich Winteroll, Flaschner in Weinheim, weg»»
Diebstahls eine Geldstrafe von 10
----- Polizeibericht. Bei einer heute Nacht vorgenommene»
Razzia wurden sieben Landstreicher aufgegrtffen und verhafte»
Ein von einer auswärtigen Behörde wegen schwerer Körper
Verletzung Verfolgter und ein Bettler wurden ebenfalls verhaste»
Zwei Personen kamen wegen groben Unfugs zur Anzeige. ,
H) Mörlenbach, 16. Febr. Sin betrübender Unglücksfal'
ereignete sich gestern beim Bahnbau in der Nähe von Weihst-
Ein Arbeiter saß in einem Rollwagen, welcher entgleiste »U»
eine steile, sehr hohe Böschung hinadstürzte. Beim Ueverschlag»»
des Wagens kam der Insasse so unglücklich unter denselben, dB
man den Armen todt vom Platze trug. Dieser Unglücksfall >>
durch die ihn begleitenden Umstände um so tragischer und de
dauernswerther, indem der Verunglückte, ein Italiener, erst lst
einigen Tagen hier aus derHeimath ankam, wo er sich erst «er
Hcirathet hatte. Als er beim Bahnhau hier Arbeit fand, befast
er seine junge Frau brieflich Hierher. Nach bereits eingetroffelst
Nachricht wird die nichts Böses ahnende Gattin heute oder «o»
gen hier ankommen. Also vielleicht noch rechtzeitig genug, U>»
ihren Mann zur Erde bestatten zu helfen.
Mannheim, im Febr. Das Comits unabhängig»»
Petroleumgroßhändler Südwestdeutschlands b»'
richtet laut einer im Handelskammerbericht Mannheim veröffem
lichten Mittheilung: „Unsere Thätigkeit war zunächst der L»
seitigung der Verträge der Monopolgesellschaften gewidmet. 3» »ch uns
folge des Eingreifens des Reichstags und der Neichsregierust stauens
war cs uns gelungen, das Zugesländniß zu erhalten, daß weit»»' hören
Verträge nicht mehr uuterbreiiet werden. Gleichwohl erachtet»» »uch „k
wir es für unsere Pflicht, auch für die Beseitigung der schon l>»ft»ird m
stehenden Verträge einzutreten. In einer Audienz bei de»'
Herrn Staatssekretär des Innern, Grafen v on Posadowskv-
haben wir diese Wünsche zur Geltung gebracht. Wir haben d>»

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Stadt und Land.
Heidelberg, 17. Februar.
A Vortrag im Evangelischen Bund. Im kleinen Saal der
Harmonie sprach gestern Herr Geh. Hofrath Schröder über
Fritz Reuter und das Christenthum. Für wen das Christenthum
wesentlich Buchstabenglaube ist, der mag das Christenthum
Reuters anzweifeln, denn Reuter besaß diesen Buchstabenglauben
nicht. Er war ein Gegner jeder intoleranten Richtung und
opponirte heftig gegen die mecklenburgische Theologie von dazu-
mal, für die der Teufelsglaube so wichtig wie der Gottesglaube
war und die alle Namen als unchristlich verwarf, die nicht im
Rostocker Kalender standen. Dem Pharisäerlhum aller Art und
dem geistlichen Hochmuth ist Fritz Reuter in seinen Schriften
entgegeugetreten, aber andererseits gibt es zahlreiche Stellen in
seinen Werken, aus denen die echt religiöse, vielfach poetische
und tief ergreifende christliche Auffassung Reuters spricht. Redner
belegte seine Ausführungen nach beiden Richtungen hin durch
Zitate aus den Reuter'schen Werke», wobei er insbesondere
Stellen aus den Läuschen und Rimels, Hanne Nüte, sowie aus
der Reis' nach Belgien und Ut min Stromtid anzoz. In der
That, ein Mann, der Kirchgangs-, Einsegnungs- und Sterbe-
szenen so beschrieben hat, wie Fritz Reuter, der gerade solche
Szenen mit dem Zauber einer goldenen ans tiefstem Herzen
kommenden Poesie v,erklärt hat, sodaß sie den Leser aufs tiefste
ergreifen und in ihm lange nachklingen, der ist gewiß ein Christ
pewesen.
Das Neckarkanalisirungs-Projekt. Aus Stuttgart wird der
Bad. Landesztg. berichtet: In den letzten Jahren ist die Frage
der Handelsschifffahrt auf dem Neckar neuerdings ventilirt
worden und die beiderseitigen Interessen (für die Schifffahrt auf
dem mittleren und unteren Neckar) fanden sich in dem Bestreben
zusammen, einen Großschifffahrtsweg auf dem Neckar ein-
zurichten. Rein hydrographisch betrachtet, bleibt der Neckar bis
zu seiner Mündung ein unzuverlässiges Gebirgswasser mit zu ge-
ringem und sehr wechselndem Wasserstand, das für größere Last-
kähne nur über die Hälfte des Jahres benützbar ist. Volle Unab-
hängigkeit von dem Wasserstand zu erlangen, ist für die Neckar-
schifffahrt die erste Bedingung für ihre Lebens- und Konkurrenz-
fähigkeit, namentlich gegenüber der Eisenbahn. Eine intensivere
Ausnützung der Wasserstraße wäre aber nur zu erreichen, wenn
der Neckar kanalisirt ist und für den Betrieb Schrauben- oder
Ruderboote, sowie Schiffe von einer Tragkraft bis zu mindestens
4 - 600 Tonnen eingestellt werden stati der Schiffe, die heute nur
durchschnittlich mit 100 Tonnen fahren können. Das Ergeb-
niß der letzte» hydrotechnischen Untersuchung des Neckars
ist nach einer den Mitgliedern der Stuttgarter Handelskammer
vertraulich zugegangenen Mittheilung folgendes: Für den
Neckar läßt sich durch die Kanalisation von Mannheim bis
Cannstadt eine Minimaltiefe von 2 Metern erreichen und
damit seine Schiffbarkeit so steigern, daß Schiffe mit einer Trag-
fähigkeit bis zu 600 Tonnen nach Cannstadt-Stuttgart
Herauffahren können. Mit dem Bau und Betrieb eines Schleusen-
kanals würde für die Flößerei und die bestehenden Stauwerke
eine Schädigung nicht erwachsen. Die künftigen Frachtkosten für
200 Centner werden ohne Schifffahrtsabgave für Mannheim-
Heilbronn auf 15.34 Mk., mit Abgabe auf 20.17 Mk. berechnet
gegen 28 96 Mk. (per Kette) heutige Frachtkosten; für Maunheim-
Cannstadt auf 31.81 Mk. resp. 39.11 Mk. gegen 40.06 Mk. per
Bahn. Die Anlagekostcn würden für die Strecke Mannheim-
Cannstadt 30 Millionen Mark betragen. Hievon würden auf die
badische Strecke 14, die württembergische 16 Millionen entfallen.
Für den Seitenkanal Cannstadt-Eßlingen werden die
Kosten für 1,5 Meter Fahrtiefe auf 1,6 Millionen berechnet.
Diese Kosten würden wieder durch die zu gewinnenden Wasser-
kräfte hereingebvacht; an den neuen Wehren auf der württem-
bergischen Strecke würden fast 12 000 Pferdekräfte, auf der
badischen über 20 000 gewonnen, die zusammen einen Werth von
32 Millionen Mark repräsentiren, fast genau die Anlagekosten
des Großschifffahrtsweges. Man kann nur wünschen, daß die
Projektirung richtig ist und bald in die That umgesetzt wird.
* Theater. Zum Benefiz für Herrn Regisseur Dank mar
ging gestern bei gut besetztem Hause der „Kaufmann von Venedig"
über die Bühne. Als Regisseur wie als Darsteller des Shylock
erntete der Benefiziant gestern wohlverdienten Beifall. Näherer
Bericht über die Vorstellung folgt morgen.

Genugthuung, daß durch das Eingreifen des Herrn Ministest Stadt
auch der größere Theil der bereits Unterzeichneten Verträge ^ache ,
z urückgez og en wurde." — Eine Mannheimer Petro' Mdstö
leum-Großhandlung, welche von den beiden Monopol'jAücke
gesellschafteu unabhängig ist, gibt über die nach Beseitigung dst
Verträge eingetretene Lage und den Petroleumhandel ist
Handelskammerbericht folgende Darstellung: „Durch die Est
bauung eigener Eisenbahn-Kesselwagen und infolg'
der Möglichkeit von der Pure Oil Company in Hamburg allst
Petroleum ohne Faß, also loses Petroleum, zu kaufen, wäre»
wir im Stande, an allen Orten die Konkurrenz mit den Monopol'
gesellschafteu aufzunehmeu. Wenngleich loses Petroleum ohnehst
eine Preissteigerung von 70 Proz. erfuhr, so war der von d»»
Monopolisten im Binnenland geforderte Preis noch beträchtlist


fuhren
»Pistole
gr-wl-l
Anischc

höher. So konnten wir unsere Kesselwagen von Hamburg »ust L»'lch
Mannheim und selbst von Hamburg nach d er S ch w e > l Mefe
senden, trotzdem die Bahnfracht, welche wir tragen mußten, 4 bst , »»old
^ mal so hoch ist, als die Wassersracht, deren sich infolge eigen»- ," he
ankanlagen die Monopolisten bedienen. Russisches Petr»,

Tankanlagen die Monopolisten bedienen. Russisches P»'fl',
eum, welches seit mehreren Jahren hier nicht mehr importst f"

wurde, ist in Konkurrenz mit dem amerikanischen er st mal
wieder von uns eingefühlt worden. Die Nachfrage war ist
stark, daß wir sie mit unseren vorhandenen Kesselwagen kaU>»
bewältigen konnten. Wir haben deren Zahl neuerdings vermehrst
8,0. Mannheim, 16, Februar. Die Verlegung des in
Hausen liegenden schwarzen Dragonerregiments nach Mannhefl
dürfte erst nach Verlauf von l'/z Jahren stattfinden, da '»
Mannheim die nothwendigen Kasernen erst erstellt werden müsse»;
ch Mannheim, 16. Februar. Der hiesige BürgerausschU»
genehmigte in seiner beutigen Sitzung die Vorlage des Stadst
raths, betreffend die Erhöhung des Kostenaufwandes für die El
richtung einer Festhalle von 1'ft Million Mark auf 1598 600 Ast
Ferner stimmte der Bllrgerausschuß dafür, die Erbauung b»
Festhalle Herrn Professor Bruno Schmitz in Berlin zu üb»',
tragen. Weiter wurde genehmigt die Bewilligung von 916 000 M»
zur Bestellung des Oberbaumaterials für das zu errichten»'
elektrische Straßenbahnnetz, Es entspann sich dabei eine hestst,
mehrstündige Debatte über die Frage, ob nur Schienen nach d»st
System Haarmann bestellt werden sollen, oder je zur Hallst
Haarmannschienen und Rillenschienen, welch letztere etwas billigst
als die elfteren sind, dafür aber nach Ansicht der meisten Red»»,
nicht so dauerhaft wie die Haarmannschienen. Der Bürgeraust
schuß stimmte schließlich der Vorlage des Stadtraths zu, wel«
nur Haarmannschienen verwendet wissen will. ,,
6 Offenburg, 16 Febr. Die hiesige Staatsanwalticlst',
erhielt von einem Handwerksburschen aus Zweibrücken einst
Brief, in welchem er mittbeilt, daß er der Mörder der Erhard"»
Loos in Schonach sei. Auf Erkundigungen stellte sich jeddst
heraus, daß der Handwerksbursche erst vor kurzer Zeit aus einst
Heilanstalt für Geisteskranke entlassen worden sei und der Br>"
nur eine Folge seines geistig anormalen Zustandes sei. , „
6.6, Freibnrg, 16. Febr. Die Erdbeben in der Kaffst,
stuhlgegend haben sich heute früh theilweise wiederholt. -0
Bischoffingen erfolgten, lt. Breisg. Ztg, heute früh gegen bst,
4 Uhr zwei Erdstöße, welche die Leine aus den Betten scheuchst^

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Auch in Sasbach verspürte man um 3 Uhr 10 Minuten mehr
Erdstöße.
6.!l. Billingen, 16. Februar. Am Fastnachtmontag siel
Obeceschbach beim Tanze ein junges Mädchen plötzlich um »fl
war nach kurzer Zeit eine Leiche. Allzufestes Schnürren soll »
Todesursache sein

!
vey

/e',

Eingesandt.
Zum Bau einer Brücke zwischen Schlierba»"
und Ziegelhausen. ,
Wenn sich einmal irgendwo ein Verkehrsbedürfniß gelt»!,,
gemacht hat, läßt sich das Streben, es zu befriedigen, nicht küstst
lich eindämmen und wenn auch eine Zeit lang Stille eingekst,
zu sein scheint, so ist das eben nur Schein; denn es low» j
immer wieder eine Zeit, in der der Schmerzensschrei nach st»!
Hilfe von neuem in die Oeffeutlichkeit dringt und das ist st st
ganz natürlich, weil sich die Mängel schlechter und ungenügest,,
Verkehrsverbindungen mit allen ihren unerträglichen Etnzelh»llst
bald etwas mehr, bald etwas weniger fühlbar machen und »fl.
gewisse Zeit hindurch bei stiller Hoffnung auf Besseres gedüst ,,
hingenommen werden. Aber plötzlich bricht der Geduldsfa»,,
und die Flamme des Unmuths lodert hell auf und dies wie»»
holt sich so lange, bis das Bedürfniß befriedigt ist. ,h


So geht es auch mit ^er Brücke^ zwischen Schlierbach

Ziegelhausen und es wird Niemand Wunder nehmen, daß
vor kurzem wieder in der Presse eine Stimme erhob, die »st
Herstellung einer Brücke dringend verlangt. Man könnte
meinen, jene Versammlung, die vor mehr als Jahresfrist ,,
Ziegelhausen tagte, wäre nur Strohfeuer gewesen und die »»
 
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