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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0202

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Gegentheil zu verkehren." Wie aus Vorstehendem zu er-
sehen ist, will man auch in Kreisen, die den Eisen-
bahnreformen bisher kühl gegenüberstanden, sich nicht
mehr damit allein zufrieden geben und trösten lassen, daß
Herr Thielen der Freund unseres Verkehrsministers ist.
Bayern, ff Aus der Pfalz, 21. Febr. Eine im-
mer freundlichere und erfreulichere Gestaltung nehmen die
parteipolitischen Verhältnisse der Pfalz an.
Herrschte noch vor Jahresfrist wildes Kampfgetöse in den
Reihen des Bundes der Landwirthe und der national-
liberalen Partei, so gewinnt jetzt die Friedensstimmung
immer mehr die Oberhand. Man hat auf beiden Seiten
rechtzeitig eingesehen, daß der Landwirthbund und die
nationalliberale Partei zusammengehören, und ist fest ent-
schlossen, das bei den letzten Reichstagswahlen nur lose
geknüpfte Band immer fester und enger zu knüpfen. Ein
großer Schritt vorwärts in diesem löblichen Bestreben ist
auf der am letzten Sonntag in Kirchheim bei Frankenthal
abgehaltenen Versammlung des Bundes der Landwirthe
gethan worden, der auch zahlreiche Mitglieder der natio-
nalliberalen Partei anwohnten. Ein Zug der Versöhnung
ging durch die ganze Versammlung, und in erster Reihe
war es der früher den Nationalliberalen nicht sehr hold
gesinnte Reichstagsabgeordnete Lucke, welcher dringend
ermahnte, die Streitaxt zu begraben und Frieden zu
schließen. Hr. Lucke hat sich a^em Anscheine nach aus-
gesöhnt mit dem früher ihm nicht sehr sympachischen Ge-
danken, daß der Bund der Landwirthe in der Pfalz
nationalliberal ist und nur nationalliberal sein kann, aber
nicht konservativ. Hr. Lucke, der ein konservativ gesinnter
Mann ist, schickt sich in das Unvermeidliche, und das ge-
reicht ihm zur Ehre. Er kann dadurch der Sache des
Bundes der Landwirthe nur nützen. Daß in der Kirch-
heimer Versammlung die Friedensworte des Hrn. Lucke
von den nationalliberalen Rednern sehr freudig ausgenom-
men und in gleichem Sinne erwidert wurden, ist ja selbst-
verständlich. Der nationalliberale Hauptsprecher, Herr
Rechtsanwalt Rührig von Frankenthal, führte aus, die
Worte des Frhrn. v. Wangenheim auf der jüngsten Ber-
liner Generalversammlung des Bundes der Landwirthe,
daß ein Ausgleich der Interessen aller produzirenden
Stände nothwendig und die einseitige Vertretung laud-
wirthschaftlicher Interessen nicht angängig sei, hätten in
nationalliberalen Kreisen freudig berührt. Die national-
liberale Partei habe diese Grundsätze auch auf ihre Fahne
geschrieben. Herr Rührig forderte die Landwirthe auf,
sich der uationallibcralen Partei anzuschließen und in
ihrem politischen Rahmen wirthschastliche Interessen zu
wahren. Herr Lucke erklärte wiederholt, daß der Bund
Nichts dagegen habe, wenn seine Mitglieder sich der
Nationalliberalen Partei anschließen, die zu den staats-
crhaltenden Elementen im besten Sinne des Wortes ge-
höre. Das ist eine recht erfreuliche Besserung der partei-
politischen Verhältnisse der Pfalz, die bei kommenden
Wahlen ihre guten Früchte zeitigen wird, namentlich wenn
bis dorthin das gegenseitige Verständniß und das beider-
seitige Vertrauen noch eine Verbreiterung und Vertiefung
erfahren haben. Sind die nationalliberalen Partei und
der Bund der Landwirthe einig in der Pfalz, dann ge-
hört diese ihnen, sind sie Gegner, dann haben Centrum
und Sozialdemokratie allen Grund zur Freude und zum
Trinmphiren. Schon bei den nächsten im Sommer d. I.
stattfindenden Neuwahlen zum bayrischen Landtag wird
sich zeigen, daß sich die Schwarzen und Rothen zu früh
n der Rolle der lachenden Dritten präsentirt haben.
Preußen. Berlin, 21. Februar. In der Budget-
commission des Abgeordnetenhauses gab dei der Becathung
des Eisenbahnetats der Abg. Möller (natl.) in
längerer Darstellung einen Ueberblick über den Verlauf
der Ereignisse seit der letzten Berathung und legte
Wünsche und Bestrebungen dar. Er betonte, daß die
Sicherheit erheblich zugenommen habe und dadurch ein
Gefühl der Beruhigung ins Land gezogen sei. Er ver-
langte thunlichste Trennung des Personenverkehrs vom
Güterverkehr auch auf den Strecken und wies nach, daß
cs genügen würde, wenn etwa 2—8 Prozent der vor
handenen Strecken viergeleisig ausgebaut würden. Ferner
sei es aber nothwendig, zur Entlastung der Hauptbahnen
Umgehungsbahnen zu bauen. Zur Beschleunigung des
Güterverkehrs habe die Einführung kurzer und rasch fahren-
der Gütcrzüge beigetragen; allerdings seien dadurch die
Betriebsausgaben etwas gewachsen. Bei der Verwaltung
müßten die engen fiskalischen Gesichtspunkte in den Hinter-
grund treten; sie müsse dem Beispiele der großen Schiff
fahrtsunternehmuugen folgen. Die Eisenbahnen müßten
wieder ein Wirthschaftsunternehmen werden, der Dis-
positionsfonds müsse von 30 auf 50 Millionen erhöht
werden. Ohne einen solchen könne die Verwaltung nicht
dem stetig wachsenden Verkehr folgen. Auch könne ein
solcher Fonds in etwas den Mangel eines Eisenbahn-
garantiegesetzes ersetzen. Vielfach seien aber die Eisew
bahnen an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt,
so daß eine Ergänzung durch den Ausbau der Wasser
straßen geboten sei. Der Eisenbahnminister wies
in seiner Entgegnung darauf hin. daß die Noth Anfang
der neunziger Jahre auch manche nützliche Reformen ge-
zeitigt habe. Damals sei der Grundsatz angenommen wor
den, aus dem Betriebe zu bezahlen, was der Betrieb
leisten kann, aus Anleihen aber nur wirkliche Neubauten
zu decken. Der Wagenmangel sei im vergangenen Jahre
sehr gering gewesen. Ein nationalliberaler Redner
tadelte die übergroße Sparsamkeit und wünschte den Bau
weiterer Vollbahncn, insbesondere der Linie Osterfeld-
Hamm. Von conservativer Seite wurde hervor
gehoben, wie im Osten durch den Bau- von Klein- und
Nebenbahnen sich der Verkehr gehoben habe, es müßten
aber noch vielfach auf den Hauptbahnen schwerere
Schienen gelegt und größere Güterwagen angeschafft wer-
den. In der Einzelberathung zeigte sich weder in der

Commission noch beim Minister große Neigung, die
Kilometerfahrhefte einzuführen, dagegen wurde von mehreren
Seiten aus die Verlängerung der Gültigkeitsdauer der
Rückfahrkarten gedrängt, während die Verwaltung sich
hiergegen ablehnend verhielt. Indessen wurde zugesagt,
die Wünsche der Radfahrer auf Beförderung der Fahr-
räder mit Schnellzügen möalichst zu berücküchtiaen._
Aus der Karlsruher Zeitung.
— (H o f - A n s a g e) Wegen Ablebens Ihrer Kaiserlichen
Hoheit der Erzherzogin Maria Immaculata von
Oesterreick legt der Grobherzogliche Hof von heute an die
Trauer auf 6 Tage bis zum 27. Februar einschließlich nach der
4. Stufe der Trauerordnung an. Karlsruhe, 22. Febr. 1899.
Grobherzogliches Oberstkammerherrn-Amt. I. V,t Edelsheim.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben den
nachgenannten Königlich Preußischen Offizieren und Unteroffizieren
die nachfolgenden Auszeichnungen verliehen und zwar: L. das
Ritterkreuz des Ordens Berthold des Ersten: dem
Oberstleutnant von Schmidt-Pauli, Kommandeur des 1.
Garde-Ulanen-Regiments; 6. vom Orden vom Zähringer
Löwen: 1. das Ritterkreuz erster Klasse: dem Major
von Nohrscheidt uud dem Major von B o dels ch wingh,
Bataillonskommandeur im Königin Augusta Garde-Greuadier-
Regimmt Nr. 4 und dem Rittmeister der Reserve vom 1. Garde-
Ulanen-Regiment, von Aren stör ff; 2. das Ritterkreuz zweiter
Klasse mit Eichenlaub: dem Hauptmann von Below, Kom-
pagniechef im Königin Augusta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4;
3. das Ritterkreuz zweiter Klasse: dem Oberleutnant von Der-
schau von demselben Regiment; 6. Das Verdien st kreuz
vom Zähringer Löwen: dem Feldwebel Wilhelm Walter
von der Schloßgarde-Kompagnie in Berlin; 0. die silberne
Verdien st-Medaille: dem Militär-Musik-Dirigenten Mikolaj
Przywarski und den Feldwebeln Preußer und Bausch
vom Königin Augsta Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4, dem
Vice-Wachtmeister Mönke von der Leibgendarmerie und dem
Sergeanten Schöngalla vom Königin Elisabeth Garde-
Grenadier-Regiment Nr. 3, kommandirt zum GouvernementBerlin.
Karlsruhe, 22. Febr. Um halb 6 Uhr treffen der
Erbgroßherzog und die Erbgroßherzo gi u aus
Coblenz hier ein. Dieselben gedenken einige Tage bei den
Großherzogl. Herrschaften zu verweilen. Morgen begehen
der Großherzog und die Großherzogiu in Gemeinschaft mit
den Erbgroßherzoglichen Herrschaften den Gedächtnißtag des
Heimganges ihres geliebten Sohnes, des Prinzen Ludwig
Wilhelm. Um 6 Uhr nehmen die Höchsten Herrschaften
an dem Abendgottesdienst in der Schloßkirche theil, bei
welchem der Pfarrer Gleis von Teutschneureuth die Pre-
digt hält. Nach dem Gottesdienst empfangen Ihre Kgl.
Hoheiten den Genannten in Privataudicnz.

Ausland.
Frankreich. Charles Chincholle vom Figaro hat die
alte Mutter des Präsidenten Loubet auf dem
Bauernhöfe ausgesucht, wo sie noch selbst schaltet. Es ist,
wie der Reporter-Fenilletonist des Figaro mittheilt, eine
stattliche Besitzung, die zu der Gemeinde Marsanne, 15
Kilometer von Montslimar, gehört und der Familie des
ehemaligen Senatspräsidenten als Sommeraufeuthalt diente.
An beiden Seiten der Landstraße stehen Maulbeerbäume,
und in den Wiesen fangen Mandelbäume uud Pfirsich
bäume za blühen an. Die alte Frau empfing den Gast
in ihrer einfachen Schlafstube, deren Hauptschmnck eine
Photographie ihres verstorbenen Gatten und ein Heiligen
bild sind. Sie saß auf einem niedrigen Stuhle mit hoher
Lehne, einer „Chauffeuse", am Kamin, das noch rosige
rundliche Gesicht von der dichten Krause einer weißen Haube
eingerahmt, die Hände auf einer neuen blauen Schürze ge-
faltet. Als man ihr sagte, der fremde Herr habe ihren
Sohn nach der Wahl in Versailles gesehen, er befinde sich
wohl und habe zufrieden geschienen, da richtete sic einen
etwas bangenBlick ans den Besucher und sagte: „So, zu
frieden? Ich bin aber gar nicht zufrieden." Beim Em-
pfange des Telegramms ihres Enkels, das ihr die Wahl
seines Vaters meldete, brach die Sechsundachtzigjährige in
die Worte aus: „Ach, der Aermste! Was wird er alles
auSzustehen haben!" Der neue Präsihent führte bisher
ein ganz patriarchalisches Leben im Schooß seiner Familie
und er wird den Franzosen nicht durch seine Prnnkliebe z
imponiren suchen wie sein Vorgänger. Gegen prunkvolle Gesell-
schaft hat er entschieden Abneigung. An liebsten verlebt er seine
Abende daheim. Er liest sehr viel. Er ist kein reicher Mann u.
hat kein Verlangen nach Geld und Ehren. Seine Stärke liegt
in Finanzfragen. Er hat viele Jahre in einer anspruchs-
losen Etagenwohnung gehaust und statt des weißen Tisch
tuchs sein Mittagsmahl von einer Tischdecke von weißem
Wachstuch genossen. Seine Hände sind, figürlich gesprochen,
rein, auf die Kleidung gibt er nichts, der reine Gegensatz
zu Felix Faure. Frau Loubet ist in der Zurückgezogenheit
ausgewachsen, in der die Frauen der Mittelklasse in Süd
frankreich erzogen werden und leben. Sie kennen keine
äußern Vergnügungen als den Sonntagsspazierzang.
Paris, 22. Febr. Präsident Loubet empfing heute
Nachmittag im Ministerium des Auswärtigen die fremd
ländischen außerordentlichen zur Leichenfeier eingetroffenen
Gesandten und Missionen. — Die hiesige Polizei beschlag-
nahmte heute 10000 Medaillen mit dem Bildniß des
Herzogs von Orleans, sowie Prägestempel. — In Vor-
aussicht von Kundgebungen anläßlich der morgigen
Leichenfeier ordnete der Polizeipräfekt an, alle aufrührerischen
Embleme fortzunehmen und ihre Träger zu verhaften,
sowie jede Menschenansammlung zu zerstreuen und jeden
festzunehmen, der in den Straßen bei dein Vorüberkommen
des Leichenzuges beleidigende Rufe gegen den Präsidenten,
die Mitglieder des Parlaments oder die Behörden ausstößt
England. Eine eigenartige Illustration zur Abrüstungs
idee bietet gegenwärtig England. Aus den soeben ver-
öffentlichten Voranschlägen des H c er es b ud gets für
1899/1900 ergiebt sich eine sofortige Erhöhung der Aus
gaben um 1091 700 Pfund Sterling und eine Vermeh
rung der Mannschaften um 7493, Indien nicht eingerechnet.
Die im letzten Jahre gemachten Erfahrungen heißt, es
im Motivenbericht, lassen eine schnelle Verwirklichung
der geplanten Verstärkung des Heeres angezeigt erscheinen
Alle Batterien der berittenen Feldartillerie sollen eiligst in
schnellfeuernde Geschütze umgewandelt, fünf neue Batterien

Feldartillcrie noch in diesem Jahre, zehn andere bis zum
Jahre 1901 fertiggestellt werden. Im großen Maßstabe

soll auch die Neuarmirung der Vertheidigungswerke im
Muttcrlande und in den Kolonien im Einverständniß mit
den Marinebehörden in Angriff genommen werden.
Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 23. Februar.
Von der Universität. Bei der naturwissenschaftlich-mathe-
matischen Fakultät unserer Hochschule habilitirt sich am Sams-
tag, den 25. d M„ Dr. Hugo Glück für das Fach der Botanik.
Seine öffentliche Probevorlesung wird über „Die Natur der
Flechten" handeln.
/X Vortrag im Verein selbständiger Handwerksmeister. Im
kleinen Saal des Prinz Max hielt gestern Herr Schneidermeister
Franz Möller aus Dortmund, ein seit lange in der Hand-
werkerbewegung stehender Mann, einen Vortrag über die Lage
des Handwerks und die Aufgaben der Handwerkerkammern. Die
Versammlung war von ca. 100—120 Handwerkern besucht und
wurde von Herrn I ä ck l e geleitet. Der Vortragende widmete
den größern ersten Theil seiner Rede der Schilderung der Blüthe-
zeit des Handwerks im Mittelalter; er erkannte dabei an, daß
am Verfall der damaligen Organisation das Handwerk selbst
nicht ohne Schuld sei. So wies er einerseits auf die Verbote
gegen die im Handwerk herrschende Ueppigkeit hin, die s. Zt. er-
lassen werden mußten, andererseits auf die Bestimmungen über
die B nnmcile und den Meistersitz, die sich als eine unzulässige
Beschränkung des Wettbewerbs oarstellen. Der dreißigjährige
Krieg habe dann noch das Seinige zur Schwächung deS
Handwerks gethan. Aber immerhin hätte noch 1848 im
Römer zu Frankfurt eine Dclegirten-Versammlung von Hand-
werkern getagt, durch die eine Million Handwerker vertreten
wurden. Die Thesen, die damals in einmonatiger Berathung
aufgestellt wurden, haben für heute noch Werth und Interesse.
Leider sei in Preußen als Konkurrenz der fachgenössischen Prü-
fung die Kreispcüfung eingeführt worden und im Jahre 1869
habe mau mit der Handwerksorganisation tabula rasa durch Ein-
führung der Gewerbefreiheit gemacht. Der Vortragende spricht
dann nachdrücklich für die Wiederorganisation des Handwerks,
die aber im Einklang mit den modernen Produktionsbedingungen
stehen und die früheren Auswüchse und Schädlichkeiten vermei-
den müsse. Das neue Gesetz, das die Jnnungsbildung, selbst die
Zwangsinnungsbildung, ermögliche, über Lehrlingshaltung, Prü-
fung, Meistertitel Bestimmungen treffe und die Handwerkerkam-
mern einführe, bringe zwar nickt Alles, was der Handwerker-
stand wünschen müsse, aber es sei ein guter Anfang und man
müsse Schritt für Schritt weiter kämpfen. In Berlin herrsche
jetzt im Gegensatz zu früher ein der Sache günstiger Wind. An
den Handwerkern liege es jetzt, zu zeigen, was sie für ihren
Stand leisten können und wollen. Der Portrag, der sachlich und
leicht verständlich war, wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen.
Der historische Rückblick, der zwei Drittel des ganzen Vortrags
cinnahm, hätte zu Gunsten des eigentlichen Themas, das nur
wenig berührt wurde, kürzer gehalten werden sollen. — Nach
dem Referenten ergriff Hr. Walz aus Karlsruhe das Wort,
der statt im Sinne der Handwerkerpartei und gegen die Be-
strebungen der Gewerbevereine sprach. Hr. Möller hielt, da-
ran anknüpfend, noch einen '/.ständigen Vortrag. Dann sprach
Hr. Peter Beck über die Arbeit des Handwerkervereins und die
Bildung von Innungen in Stadt und Umgegend. Er schloß mit
einem Hoch auf Hrn. Möller. Nachdem dieser seinen Dank
ausgesprochen und der Vorsitzende, Hr. Jäckle, einige Schluß-
worte gesprochen, erreichte die Versammlung nach '/z9 Uhr ihr
Ende.
XV. Gartenbau-Verein. Der gestern Abend im Gartensaale
der Harmonie von Herrn Geh. Hofrath E. Pfitzer im Garten-
bau-Verein abgehallene Vortrag war erfreulicherweise wieder
recht zahlreich besucht. Herr Pfitzer sprach diesmal über „D i e
Stammpflanzen unserer Gewürze!" Es ist dies
eigentlich ein Anschlußvortrag an den von Herrn Garteninspector
Massias am 25. Januar gehaltenen über „Küchenkräuter".
Als sehr viel begehrtes Gewürz nannte Redner in erster Reihe
den Zimmt. Der Zimmt ist, wie die meisten Gewürze, welche
Herr Pfitzer besprach, schon im frühesten Alterthum bekannt
gewesen. Schon im Jahre 2700 vor Ehr. war er den Chinesen
bekannt. Natürlich stand der damalige Preis in keinem Ver-
hältniß zu dem heutigen. Erst nach der Entdeckung des Seewegs
nach Ostindien wurde er billiger. Bis dahin hatte mau nur den
chinesischen Zimmt gekannt, doch von da ab bürgerte sich der
Zimmt von Ceylon ein und hat jetzt seinen chinesischen Rivalen
vollständig verdrängt. Bei uns wurde er um 1300 n. Chr.
bekannt, aber erst um 1700 n. Chr. billiger. Das Gewürz dürste
hinlänglich bekannt sein. Bemerkt sei noch, daß cs die Rinde
der Stengel ist. In zweiter Reihe käme dann der Ingwer.
Derselbe kommt jetzt als Speisegewürz mit einzelnen Ausnahmen
fast garnicht mehr zur Geltung, doch bei den Alten war er sehr
bekannt und hochgeschätzt. Wir finden ihn schon in einem
römischen Kochbuche angeführt. Als drittes käme die Karda-
mome, aus deren Früchten ein ätherisches Oel gewonnen wird-
Eines unserer Hauptgewürze ist der Pseffe r. Seine Heimath
ist Ostindien. Er gehört zu den Kletterpflanzen, bringt unschein-
bare Blüthen hervor und etwa erbsengroße Früchte. Man unter-
scheidet weißen und schwarzen Pfeffer. Im Alteithum war er
sehr geschätzt und, wie damals alle Gewürze, sehr theuer. Die-
selben wurden mit Gold ausgewogen. Alarich verlangte 408
von Rom als Entschädigung 5000 Pfund Gold und 3000 Pfund
Pfeffer. Ja damaligen Kaisern wurde er zum Geschenk gemacht.
Eine verwandte Pflanze ist die Gewürznelke. Ihre Heimath
ist ebenfalls Ostindien, sie kam zuerst nach China und später
nach Europa und bildete genau wie der Pfeffer die kostbarsten
Geschenke. Die Gewürznelke ist die getrocknete Blüthenknospe
der Pflanze. Die Muskatnuß, ebenfalls ein sehr bekanntes
Gewürz, ist auf den Molukken einheimisch. Sie kommt in
gebrannten Kalk gelegt zur Versendung. Diese Maßregel
ist deshalb nothwendig, um die Keimkraft abzulödten-
Die Muskatnuß ist in ihrer Heimath seit sehr langer Zeit als
Gewürz im Gebrauch, aber bei uns neu. Um 500 war sie ein
beliebles Räuchermittel. Im Mittelalter wurde sie in L-ilbft
oder Gold gefaßt und als Familienschatz aufbewahrt. Dafür
würden sich heute allerdings die Damen recht schön bedanken-
Jm 17. Jahrhundert wurde sie dann billiger. Das englische
Gewürz, dessen Heimath Westindier: und Mexiko ist, wurde
von den Mexikanern zum Würzen von Chocolade verwandt. Den
Namen hat es daher, weil es 1693 durch die Engländer bekannt
wurde. Die Vanille, zur Gattung der Orchideen gehörend-
hat bleistiftdicke Stengel und fleischige Blätter. Sie ist ebenfalls
ein altbekanntes Gewürz und wurde durch die Spanier und
Portugiesen eingeführt. Leider sind die Preise für Vanille auch
heute noch keine niedrigen. In den Mittelmeerländern wächst-
wenn auch dort nicht heimisch, der Lorbeer. Derselbe war
allerdings im Alterthum am Mittelmeer verbreitet. Jedoch hatte
er damals eine ganz andere Verwendung als heute und wurde
damals wohl ausschließlich zum Schmücken der Sieger benutzt-
Die Schalen der Citronen und Orangen finden ja auch
in der Küche reichliche Verwendung. Die Citronen und Orange"
wachsen mit der Pomeranze am Mittelmeer halb wiw-
Die Citrone blüht rosa und die Pomeranze weiß. Zur Zeit der
Krcuzzüge wurden auch in Palästina Citronen- und Orangen-
bäume gefunden. Im 14. Jahrhundert wurden sie am Mtttelmeer
kultivirt. Im früheren Mittelalter waren dieselben unbekannt. No«
von Wichtigkeit ist der Safran. Es ist eine CrocuS-Art; ,nm
blüht er nicht im Frühjahr, sondern im Herbst. Er war früher
in Nordeuropa als Färbemittel sehr geschätzt, ist jedoch jetzt durw
chemische Farbstoffe, da er zu theuer ist, in den Hintergrund ge'
drängt. Es find die getrockneten braunrothen Narben der Blüthe-
an denen noch oft die Griffelfäden hängen. Die Kultur de»
 
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