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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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n Plakat.
Zeitung

Dienst«!!, den 7. Mär?

Fernsprech-Anschluß Nr. 82.
I8SS.

Deutsches Reich.
— Dem Reichstag ging eine Novelle zur Gewerbe-
ordnung zu betreffend die Conzessionspflicht der
Gesindevermiether und betreffend den Schutz der
Ladenangestellten und jugendlichen Arbeiter.
Deutscher Reichstag. Berlin, 6. März. Das Haus
setzt die dritte Berathung betreffend die Errichtung eines
bayerischen Senats beim Reichsmilitärgericht
fort.
Abg. Schädler (Centr.) erklärt, daß er trotz der Erklärung
des Reichskanzlers glaube, daß im Gesetzentwurf die Rechte
Bayerns nicht genügend gewahrt seien und daß er mit seinen
engeren Freunden gegen den Entwurf stimmen werde.
Darauf wird der Gesetzentwurf in dritter Lesung ange-
nommen.
Das Extraordinarium des Mililäretats wird ohne De-
batte genehmigt. Ebenso wird der Kommissionsantrag, nachdem
705000 Mk. gestrichen und Einzelnes um 5000 Mk. .erhöht ist,
angenommen.
Darauf wird der Etat des Pensionsfonds ohne De-
batte angenommen.
Es folgt die Berathung des Etats des Reichsinval iden-
fonds. Die Kommission beantragt eine Resolution, wodurch,
wenn die Mittel zur Gewährung an berechtigte Invaliden feh-
len, solche durch Retchsmittel eingefordert werden sollen, und
durch welche der Reichstag ersucht wird, noch in dieser
Tagung einen Gesetzentwurf vorzulegeu, wodurch
den Wünschen der Invaliden Rechnung getragen wird bezüglich
der Wittwen- und Waisenpension der Unteroffiziere ohne Be-
nutzung des Civilversorgungsscheins und Gewährung der Militär-
pension neben dem Civileinkommen der Beamtin.
Abg. Müller-Fulda (Centr.) befürwortet die Resolution.
Abg. Graf Oriola (ntl.) schließt sich dem Vorredner an
und hält es besonders für richtig, daß die fehlenden Mittel aus
allgemeinen Reichsmitteln beschafft würden.
Staatssekretär Dr. Frhr. v. Thiel mann: Die verbündeten
Regierungen seien hinter dem Gesetz von 1895 um keinen Schritt
zurückgeblieben, sondern seien über die strenge Auslegung des
Gesetzes sogar hinausgegangen. Eine Bilanz des Reichsinvaliden-
fonds erfolge alle drei Jahre. Die letzte Bilanz von 1897 weise
einen Aktivbestand von L9000000 Mk. auf, über die Zinsen seien
die verbündeten Regierungen bereits hinausgegangen, indem sie
3 000 OM Mk. mehr ausgegeben haben. In der Kommission sei
gesagt worden, der Reichstag habe das Gesetz von 1895 nur als
Abschlagszahlung betrachtet, ihm sei hiervon nichts bekannt.
Uebrigens hätten die verbündeten Regierungen einen Gesetz-
entwurf in Vorbereitung; Einzelheiten könne er noch nicht be-
richten, weil das Gesetz den Bundesrath noch nicht passirt hat.
Dem Vorwurf der Kleinlichkeit ihm gegenüber liege ein funda-
mentaler Jrrthum zugrunde. Es handle sich nicht um 6000,
sondern um 15 OM Veteranen. Es würde sich also nicht um
720000 Mk., sondern um 1800 OM Mk. handeln. Nach der
Steigerung von 1896 bis 1898 lasse es sich voraussehen, daß in
den nächsten Jahren jedes Jahr eine weitere Steigerung von
mehreren tausend Mark bringen werde. Es dürfte nicht zweifel-
haft sein, daß den Veteranen des glorreichen Krieges eine warme
Theilnahme entgegengebracht werde. Ganz anders stelle sich aber
die Frage, wenn sie, wie der Vorredner gethan habe, auf das
Gebiet einer allgemein menschlichen Fürsorge hinübergespielt
werde. Er könne heute nicht sagen, daß die verbündeten Regie-
rungen bereit sein werden, in den Etat ein gänzlich neues Kapitel
eiuzufügeu. Bei der preußischen Negierung bestehe die Neigung
hierfür nicht.
Abg. Kardorff (Rp.) ist im Allgemeinen mit Graf Oriola
einverstanden- Vielleicht wäre es besser, dem Reichsinvalidenfonds
durch eine Anleihe so viel hinzuzuführe», um üllen Ansprüchen
genügen zu können.
Abg. Graf v. Roon (kons.): Er sei mit seinen Freunden für
die Resolution.
Abg. Werner (d. Refp.): Der preußische Finanzminister
sei leider niemals zu haben, wenn es sich um Forderungen wie
die vorliegende handle. Wie ein Lindwurm hüte er seine Schätze.
Es sei des deutschen Reiches unwürdig, daß für Invaliden und
Veteranen nichts übrig sei. Ein Unrecht sei das Vorgehen der
Militärverwaltung gegen den Leipziger Veleranenverband.
Abg. Dr. Schädler (Centr.) stimmt für beide Theile der
Resolution.
Abg. v. Staudy (kons.) schließt sich den Ausführungen
Graf Oriolas an. Es handle sich nicht um so bedeutende
Summen, daß man sie nicht bewilligen könnte.

Abg. Singer (Soz,): Auch die Sozialdemokratie hege
Sympathie für die Veteranen. Die Zweifel hieran weise er als
gehässig zurück.
Die Resolution wird hierauf einstimmig angenommen;
ebenso der Etat des Reichsinvalidenfonds.
Morgen 1 Uhr: Fortsetzung der heutigen Berathung; außer-
dem lsx Heinze.
Baden. Offen bürg, 6. März. Die Mittheilung,
daß auf dem demokratischen Parteitag die Presse
nicht zugelassen war, beruht auf einem Jrrthum. Die
Presse war zugelassen und es bringen Blätter verschiedener
Parteirichtung Berichte. Man ersieht daraus, daß die
Demokraten noch immer, wie seit fünfzig Jahren, dicke
Reaction wittern und daß sie dieselbe — lacht nicht, ihr
Freunde! — unentwegt bekämpfen wollen, indem sie mit
dem Centrum gegen den gemäßigten Liberalismus Vorgehen.
Badischer Landtag. L. 6. Karlsruhe, 6. Mürz.
(123. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer.) Am Re-
gierungstisch: Staatsminister Dr. No kk, Ministerialdirektor
Frhr. v. Neubronn, Geh. Oberregierungsrath H e ß und
Geh. Oberregierungsrath Hübsch.
Präsident Gönner eröffnet um 4'/^ Uhr die Sitzung
und widmet dem verstorbenen Altbürgermeistcr und früheren
Abgeordneten Stigler in Rastatt einen ehrenden Nachruf.
Abg. Fieser (ntl) berichtet über den Gesetzentwurf betr.
die Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuches und zwar über
den allgemeinen Thcil. Die Kommission ist im Allgemeinen mit
dem Inhalt des Entwurfs einverstanden. Nur in Einzel-
bestimmunge» macht sie Abänderungsvorschläge, insbesondere
über die Frage, ob die wenigen Bestimmungen des badischen
Landrechts, die neben dem neuen Reichsrechte bestehen bleiben
sollen, in der alten Form erhalten und als Bruchstück des Land-
rechts fortbestehen. oder ob dieselben in neuer Fassung dem
Entwürfe einverleibt und das ganze Landrecht als aufgehoben
bezeichnet werden soll. Sie ging dabei von der Auffassung aus,
daß die Gerichtspraxis und das Interesse des Publikums gleich-
mäßig verlangen, daß das badische Landrecht völlig außer Kraft
gesetzt, die wenigen Bestimmungen, die aufrecht erhalten werden,
in einer neuen Fassung in das Ausführungsgesetz ausgenommen
werden. Bei der neuen Redigirung unserer aufrecht zu erhalten-
den Landrechtssätzc legte die Kommission vorzugsweise Werth
auf den dem Elsaß-Lothringischen Landesausschuß vorgelegten
Entwurf, da derselbe nicht nur die etwas alterthümlich gewordene
Fassung der bezüglichen Fragen modernisirt, sondern auch vor-
zugsweise deshalb Rücksichtsnahme verdient, weil dieser Entwurf
durch den Bundesrath gevrüft und redigirt worden ist und dabei
dem Reichsjustizamt die Hauptthätigkeit zufiel und weil hiernach
anzunehmen ist, daß auch das Rheinische Recht in den bezüg-
lichen Sätzen die gleiche Fassung erhält und in diesem Falle
unsere bisherige Nechtseinheit auf dem fraglichen Gebiete nicbt
nur mit Elsaß-Lothringen, sondern auch mit Rheinpreußen auf-
recht erhalten bleibt, was für die Rechtsprechung von ganz er-
heblichem Vortheil ist. Nachdem die Kommission hierin einig
war, ergab sich von selbst die Nolhwendigkeit, dem ganzen Gesetz-
entwurf eine veränderte Fassung zu geben. Dabei glaubte die
Kommission am zweckmäßigsten in der Weise zu verfahren, daß
sie die einzelnen Bestimmungen nach der Einthetlung des bürger-
lichen Gesetzbuchs (Allgemeine Bestimmungen, Recht der Schuld-
verhältnisse, Sachenrecht, Familienrecht und Erbrecht) änderte für
die zwei größeren Gesetze über Stammgut und über Hinter-
legungswescn, sowie über die Aufhebung der Landesgesetze, die
Uebergangs- und die Schlußbestimmungen besondere Abschnitte
beifügte. Es sei eine große That, daß ein einheitliches Recht
zustande gekommen sei. Wir scheiden aber nicht gerne von
unserem seitherigen Rechte, wir müssen indeß froh sein, daß wir
in der Einheit auch die Rechtssicherheit erworben haben. Weiter-
hin habe das neue Recht den Vorzug, daß es den modernen
Erfordernissen entspreche. So sei unter anderem die juristische
Persönlichkeit leicht zu erreichen, was in der Zeit der Ver-
gesellschaftung sehr wichtig sei. Auch in das Obligationsrecht
seien neue Gesichtspunkte gekommen, das Retentionsrecht ist ver-
ändert und dem Miether sind Kündigungsrechte eingeräumt, wenn
die Wohnung gesundheitsgefährlich ist. Ebenso ist eine Sicherung
gegen die übermäßigen Konventionalstrafen vorgesehen. Der
Zinsfuß ist offiziell von 5 auf 4 Proz. ermäßigt worden. Im
Familienrechte wolle er nur auf die Erweiterung des Rechtes
der Frau Hinweisen. Freilich habe das neue Gesetzbuch auch
seine Schattenseiten- Vor allem leide es an einer gewissen
Schwerfälligkeit und Unverständlichkeit der Sprache und auch die

Uebersicht sei nicht leicht. Ein Uebelstand seien ferner die zahl-
losen Verweisungen. Gegenüber diesen Mängeln könne sich das
Badische Landrecht sehr gut sehen lassen und man dürfe ihm ein
dankbares Gedenken bewahren. Dank diesem Gesetz sei das
badische Land zu einem einheitlichen Gebilde zusammengeschweißt
worden. Diese Kodifikation, die auf der Grundlage der Freiheit
der Person, der Freiheit des Besitzes und der Freiheit des
Willens beruhte, hat dem Zauberspuk früherer Feudalrechte ein
Ende gemacht und die Blüthe des Landes ermöglicht. Wegen
der unverkennbaren Vorzüge des französischen Rechts wäre es
wünschenswerth gewesen, es wäre mehr im neuen Bürgerlichen
Gesetzbuch zur Geltung gekommen. Wir werden deshalb auch,
weil eine völlige Rechtsumwälzung in Baden durch die Nicht-
berücksichtigung des französischen Rechts eintritt, im nächsten
Jahre mit großer Unzufriedenheit zu rechnen haben. Die Prozesse
werden sich verlangsamen, weil die Gerichte unter den neuen
Rechtsverhältnissen schwerfällig arbeiten und sie außerdem sich
veitheuern, weil der Bürger sich nicht mehr zurechtfindet, sondern
schon in relativ einfachen Fällen Rechtsbeistand heranziehen
muß. Er hoffe aber, daß alle Parteischattirungen dem Werke
zustimmen, wie sie ja auch in der Kommission alle einmüthig
waren. (Beifall auf allen Setten des Hauses.)
Abg. Dr. Binz (nat.-lib.) weiß, daß die älteren heimischen
Juristen mit großer Liebe an dem Badischen Landrecht hängen.
Doch habe auch dies Werk seine Mängel gehabt. Vor allem habe
das Badische Landrecht an einer unpräzisen Fassung gelitten, aus
der sich eine Reihe von Unsicherheiten entwickelte. Die Praxis
habe diesen Mangel etwas gemildert. Die oberen Gerichte haben
freilich durch ihre Entscheidungen Normen geschaffen, nach denen
sich die unteren, wie billig, richteten. Das neue Bürgerliche Gesetz-
buch befleißige sich einer strammeren knapperen Sprache; cs sei
abstrakter gefaßt, aber gerade durch seine klare Sprache sichere es
auch die Rechtssprechung. Der allgemeine Theil sei ein bedeu-
tender Fortschritt gegenüber dem Badischen Landrecht. In dem
Obligationsrecht sei der Niederschlag der modernen RcchtSeut-
wickelung enthalten. Das Gleiche gelte auch für das Sachenrecht.
Wie viel Unheil ist über die Landbevölkerung gekommen, daß cS
aus einem übertriebenen Doktrinarismus die Immobilien mit
Mobilien unter das gleiche Recht stellt. Jetzt sei der Landwirth
gegen Ueberraschungen und Uebervortheilungen gesichert durch die
Bestimmungen, daß der Landverkauf notariell beglaubigt sein muß
oder vor dem Pfandgericht zu geschehen hat. Der hier geltende
ooäs oivils habe die Frau geradezu skandalös schlecht behandelt.
Das Bad. Landrecht habe diese Bestimmung zwar etwas gemildert,
indem es der Hinterbliebenen Wittwe das Nutznießungsrecht an
dem Vermögen des Mannes zugestand. Das neue Bürgerliche Ge-
setzbuch gesteht der Frau ein Erbrecht zu. Das entspreche dem
deutschen Volksgemüly. Ebenso seien die unehelichen Kinder mehr
geschützt. Die Leistungen des Vaters für uneheliche Kinder seien
quantitativ wie qualitativ größer geworden. Die Vorzüge des
Bürgerlichen Gesetzbuches werden sogar vom Auslande anerkannt.
Ein französischer Rechtslehrer habe darin ein neues Zeichen von
deutscher Kraft und deutschem Rechlsbewußtsein gesehen und be-
dauert, daß Frankreich sich nicht zu einer gleichen That auf-
schwingen kann. Die Vorzüge des Bürgerlichen Gesetzbuches
zeigen sich ganz besonders im Hypothekenrecht. Er sei fron, daß
eine Gesetzgebung aus deutschem Gemülh und deutschem Bewußt-
ein herauswachse. Er wünsche nur einen allgemeinen wiffen-
chaftlichen Zusammenhang mit den fremden Völkern, sonst sei er
Ar ein nationales Recht. Die Epoche ist nunmehr auch eröffnet,
daß das römische Recht nicht mehr so wie früher die Grundlage
allen Rechtsstudiums sei. Zwar falle es noch nicht ganz in die
Rumpelkammer, aber es sei ihm doch seine beherrschende Stellung
abdekredirt worden. Redner geht nunmehr zu den einzelnen Be-
timmungen der Artikel 1—13 des Ausführungsgesetzbuches über.
Die Sitzung wird um 7 Uhr Abends unterbrochen und auf
Mittwoch, den 8. März, Vormittags 9 Uhr, vertagt._
Aus der Karlsruher Zeitüng.
— Mit Entschließung Großh. Ministeriums der Finanzen
wurde Forstassessor Karl F ei st in Baden nach Heidelberg ver-
setzt und mir der Leitung des Beztrksforsteidienstes daselbst
betraut.
Karlsruhe, 6. März. Der Großherzog empfing
heute Vormittag 10 Uhr den Präsidenten des Evangelischen
Oberkirchenraths Dr. Wielandt und um 11 Uhr den Staats-
minister Dr. Nokk zur Vortragserstatlung. Gegen 6 Uhr
begibt sich Seine Königliche Hoheit nach Gottesaue, um
daselbst im Offizierscasino des 1. Badischen Feld-Artillerie-
Regiments Nr. 14 einen Vortrag des Regimentskomman-
deurs Obersten Kehrer über neue Geschützconstruktionen
zu hören.

Der erste Maskenball.
10) Novelle von I« Leopold Schiener.
(Fortsetzung.)
»Freilich, sie müssen hübsch groß geworden sein und schön.
Nerr Neffe, Vorsicht I" sagte sie mit dem Finger drohend.
Waldheim wurde ganz unheimlich zu Muthe. Die Kra-
watte schien ihm zu eng geworden zu sein. Ihm, der sonst
U Unterhaltungsstoff nie in Verlegenheit war, wollte kein
Kort aus der Kehle. Er war überzeugt, daß er vor der
Biutter seiner »Spreewälderin" saß. Er mußte sprechen, um
!»cht unhöflich und stupid zu erscheinen. Auch batte er den
"ohaslen Wunsch. Näheres über seine unbekannte Geliebte zu
erfahren.
. »Wenn ich nicht irre, Frau Justizrath", begann er mit
«ogernder Stimme, »habe ich Ihren Namen schon gehört!"
^ »Das ist wohl möglich, mein Name ist ein so häufiger,
°° ich nicht zweifle, es giebt in Berlin viele vieles Namens."
» »Nein nein, ich irre mich nicht, es wurde auch Ihr Titel
benannt. Wo war es doch gleich?" Er that. als ob er sich
tv stnne. »Ach richtig, es war auf einem Maskenball bei dem
Präsidenten Sieber!"
»Den habe ich allerdings besucht."
2- «Wie kommst Du denn zu dem Präsidenten?" fragte die
^-ante verwundert-
»Ein Kollege hatte mich eingeführt."
s. »Und Du hast Dich amüsirt? Natürlich, wer amüsirte
in Deinen Jahren nicht! Denkst Du noch an die Zeit,
iflsrro, wo wir beide im Ballanzuge erschienen? Schade,
paß Du bei meiner guten Klara nicht schon vor dem
°lle emqesührt warst."
h . »Das bedauere ich besonders lebhaft," sagte Doktor Wald-
d "ri. »denn man rühmte die Schönheit Ihrer Fräulein Tochter
» rnehmlich. Freilich, wenn man die Mama sieht," setzte er
diiÄ?- so darf man sich nickt wundern, daß die Töchter
"rch ihre Schönheit hervorsiechen."
--^ch habe nur eine Tochter, Herr Doktor Waldheim,"

sagte die Justizräthin lächelnd. „Die andere junge Dame ist
meine Nichte, die bei mir wohnt, weil sie elternlos ist."
Nun er so viel wußte, wollte er auch den Rest erfahren.
»Verzeihen Sie Frau Justizrath, wenn ich noch eineiFrage
stelle. Ick würde sie unterdrücken, wenn ich nicht in meinem
Berufe als Arzt eine kleine Entschuldigung für meine indis-
krete Neugierde sähe. Man bedauerte, daß die eine der jungen
Dame, ob Ihr Fräulein Tochter oder Nichte — Sie ver-
zeihe», daß ich es gerade heraussage — einen Buckel habe?"
Die beiden Damen brachen bei diesen Worten in ein ho-
merisches Gelächter aus. Selbst die ernste Justizräthin lachte
so herzlich» daß der junge Mann tief verlegen wurde und
seine Frage bereute.
»Max. wie kannst Du Dir so etwas aufbinden lassen!"
rief die Tante von neuem.
»Wer hat Ihnen denn das vorgeredet, Herr Doktor?"
fragte die Justizräthin, nur mit Mühe ihr Lachen unter-
drückend.
Er wurde von neuem verlegen. Was sollte er antworten?
Er konnte unmöglich die junge Dame als seinen Gewährs-
mann nennen.
»Ich hörte es in einem Kreise junger Leute allgemein cms-
sprechen," log er frisch darauf los. »Die junge Dame, die
man meinte, trug die Kleidung der Spreewälderinnen."
„Diese hatte allerdings meine Nichte gewählt. Aber Sie
sind dennoch schändlich düpirt worden: meine Nichte ist eine
tadellos gewachsene Blondine, daß hier nur absichtliche Täu-
schung oder ein Mißverständniß obwalten kann. Ich hoffe.
Sie werden uns bald die Ehre Ihres Besuches schenken und
sich selbst überzeugen. Meine Nichte wurde übrigens an je-
nem Abend plötzlich unwohl, so daß wir vor der Demas-
kirung beimkehren mußten. Das Mädchen wird sich amüsiren,
wenn ich ihr von dem Buckel erzähle."
»Ich möchte bitten, Frau Justizräthin," fiel er rasch ein,
»das nicht zu thun. Es ist ja auch möglich, daß ich mich

verhört habe-"
»Ich unterstütze die Bitte meines Neffen, liebe Klara,
sagte die Tante. „Es würde etwas Peinliches für ihn haben.

vor Deinen Mädchen mit dem Bewußtsein zu erscheinen, daß
er sich Ihnen gegenüber lächerlich gemacht hat."
„Welche Maske trugen Sie?" fragte die Justizräthin den
Doktor Waldheim.
Das war eine verfängliche Frage, die er am allerwenigsten
mit der Wahrheit beantworten durste. Er log deshalb frisch
weiter: „Einen einfachen Domino."
„Die Dominos waren allerdings so zahlreich vertreten,
daß ein einzelner unter ihnen kaum auffallcn konnte. Aber
ein Türke in sehr charakteristischer Maske erregte meine Auf-
merksamkeit. Er verfolgte ausnahmsweise meine Nichte. Ich
hätte gern erfahren, wer in dieser Verkleidung stak. Können
Sie mir vielleicht Auskunft geben?"
Waldheim hustete einigemale, um Zeit zum Ueberlegen
zu gewinnen.
_ (Fortsetzung folgt.)

Stadt-Theater.
^ Heidelberg, 7. März.
„Madame Bonivard", Schwank in 3 Akten von
Alexandre Brisson und Antony Mars.
Der belustigende Schwank fand bei seiner gestrigen ersten
Aufführung in dieser Saison ein dankbares Publikum, wie zu
der Zeit, da er noch ganz neu war. Die komische Grundidee»
die drastischen Situationen, die heiteren Mißverständnisse und
Verwechslungen wirken noch so, als wären sie eben erst ausgedacht
worden.
Die Aufführung brachte den Humor des Stückes zur vollen
Geltung. Alles kommt dabei auf die Durchführung der Titel-
rolle an. Frl. Sander stattete die Madame Bonivard nicht
nur mit den grotesken Allüren der ehemaligen Tänzerin aus,
sondern hob auch die feineren charakteristischen Züge dieser
schwiegermütterlichen Figur geschickt und glücklich hervor, womit
der Erfolg des Abends gesichert war. Ihr erster und ihr zweiter
Schwiegersohn, die Herren Blank und Rudolph, verstanden
das Leid, an diese Schwiegermutter gerathen zu sein, sehr drastisch
zu verdeutlichen, insbesondere war des Herrn Blank verzweifele
 
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