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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0336

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einige Professoren der Akademie der bildenden Künste in
ihren Ateliers. Danach unternahmen Ihre Königlichen
Hoheiten mit dem hohen Besuche eine größere Spazierfahrt.
Abends halb 6 Uhr erwarten dieselben die Ankunft des
Erbgroßherzogs und der Erbgroßherzogin. Die Erbgroß-
herzoglichen Herrschaften kommen von Koblenz und gedenken
bis über Ostern hier zu bleiben. Zur Abendtafel sind die
Prinzessin Wilhelm, Prinz Max und die Fürstin zur Lippe
eingeladen.

Ausland.
Oesterreich. Wien, 28. März. Statthalter Graf
Kielmannsegg gab heute im Namen der Regierung im
niederösterreichischen Landtag eine Erklärung über
die Sprachenverordnungen ab. Er sagte, die Regierung
richte an alle versammelten Abgeordneten einen warmen
Appell, daß alle betheiligten Parteien, vertreten durch ihre
Führer und ihre Vertrauensmänner, die Scheu vor der
Oesfentlichkeit überwindend, an dem Berathungstisch sich
zusammenfinden möchten, um eine die'gegenwärtigen Wirren
behebende einverständliche Lösung der Streitpunkte anzu-
bahnen. Sollte diese Hoffnung sich erfüllen, was aller-
dings ohne thätige Mithilfe der belheiligten Parteien nicht
geschehen könnte, so würde für die Regierung auch kein
Anlaß gegeben sein, besondere anderweitige Schritte zu
unternehmen, um der Lähmung der verfassungsmäßigen
Thätigkeit der Reichsvertretung zu begegnen. Gegenüber
dem liberalen Ausschußreferenten Kopp, der der Regierung
die mißbräuchliche Anwendung des Z 14 auf die Sprachen-
frage vorwarf, erklärte Prinz Aloys Liechtenstein,
es sei theoretisch richtig, daß die Sprachenfrage nur durch
den Reichsrath geregelt werden könne, aber es sei praktisch
undurchführbar, daher bleibe als einziger Weg, eine Ver-
ordnung unter Vorbehalt der nachträglichen Genehmigung
des Reichsraths zu erlassen.
Rußland. Petersburg, 28. März. Der Reichs-
rath genehmigte den Bau einer Eisenbahn Kiew-Lo-
sowaja, die einen neuen Verkehrsweg nach dem Kauka-
sus schafft und der südwestlichen Industrie die Verwerthung
der Donezkohlen erleichtert.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 29. März.
* Se. König!. Hoheit der Großherzog von Hessen kam
gestern Rachmittag mit dem 2 Uhr 30 aus dem Oberland ein-
treffenden Schnellzug hier an und reiste 2 Uhr 36 nach Darm-
stadt weiter. Gestern, Dienstag, Abend 7 Uhr 10 passirte der
Reichskanzler Fürst Hohenlohe auf der Reise nach Baden-
Baden die hiesige Station.
I Von der Universität. Der außerordentliche Professor für
Laryngologie und Rhinologie an der hiesigen Universität, Dr.
Jurasz, hat dem Vernehmen nach unter sehr günstigen Be-
dingungen einen Ruf nach Lemberg bekommen. Hoffentlich ge-
lingt es, Herrn Prof. Jurasz, der seit 27 Jahren hier auf's er-
sprießlichste wirkt, unserer Universität zu erhalten.
X Aus dem Stadtrath. In der Stadtrathssitzung
vom 27. ds. wurden n. A. folgende Gegenstände zur Kenntniß
bezw. Erledigung gebracht:
1. Das Geschenk des Herrn Buchhändlers Gustav Köster an
die städtische Kunst- und Alterthümersammlung, bestehend in der
Photographie eines Gruppenbildes bekannter hiesiger Mitbürger
etwa aus der Mitte dieses Jahrhunderts, wird dankend entgegen
genommen.
2. Das Ergebniß der am 23. ds. Mts. vorgenommenen Ver-
steigerung von Arbeiten zur Herstellung von Waldwegen wurde
genehmigt.
3. Die erledigte Jngenieurstelle beim Tiefbauamt wurde
dem Abtheilungsbaumeister N. Fries in Bonn übertragen.
4. Behufs rasLer Erledigung der Einschätzung der Gebäude
in hiesiger Stadt zur Feuerversicherung wird die Bestellung
einer weiteren ständigen Einschätzungskommission befürwortet.
5. Das Bauvorhaben der Firma P. I. Landfried an der
Bergheimer Straße wird hinsichtlich der gewählten Bauflucht
nicht beanstandet.
6. Die Lieferung eines Kehricht- und eines Grubensatz-Ab-
suhrwagens für die städtische Abfuhranstalt wurde dem Wagner-
meister Georg Holz um sein Submissionsangebot übertragen.
Die Brauerei znm Engel von Ehr. Hofmann wird, wie schon
kurz erwähnt, demnächst unter Mitwirkung des Bankhauses
Alfred Seeligmann in Karlsruhe in eine Aktiengesellschaft umge-
wandelt werden. Das Aktienkapital ist mit 500 000 Mk. in
Aussicht genommen. Dem Aufsichtsrath werden angehören: der
Vorbesitzer Ehr. Hofmann, Stadtrath Kcall-Heidelberg, Brauerei-
direktor Eglau-Durlach, Bankier Alfred Seeligmann, Rechts-
anwalt Dr. Süpfle-Karlsruhe. Die Leitung erhält Brauerei-
besitzer Val. Metz-Weinheim.
ZZ Gewerbeschule. Heute Vormittag fand die alljährliche
Prüfung in Anwesenheit der Herren Oberbürgermeister Dr.
Wilckens, Bürgermeister Dr. Walz, Amtmann Dr. Klotz, von
Mitgliedern des Gewerbeschulrathes, des Gewerbevereins und
Angehörigen der Schüler statt. Die Schule war von 539 ordent-
lichen und 106 außerordentlichen Schülern besucht, von welchen
am Schluffe des Schuljahres noch 476 und 98, im Ganzen also
574 vorhanden waren. Die Prüfung lieferteffehr erfreuliche Ergebnisse
der unter der Leitung des Herrn Rektor Lender stehenden Schule.
Mit derselben waren mehrere Fachkurse, auch für solche Ge-
werbetreibende, die der Schule nicht mehr angehören, verbunden,
so daß die Gewerbeschule schon in vielfacher Beziehung einer
Fachschule gletchkommt, was für die weitere Ausbildung der
Gewerbetreibenden von großem Werth ist. Es leiteten Herr
Hoffmann einen Kurs im Modelliren, Herr Krecker einen solchen
im Dekorationsmalen und Herr Hartenstein einen Kunstschlosser-
kurs. Eine Ausstellung von in diesen Fachkursen Geleistetem wies
die guten Erfolge derselben nach. Außerdem waren, in mehreren
Sälen vertheilt, schriftliche Arbeiten und Freihandzeichnungen,
ferner geometrische und Projektions- sowie Fachzeichnnngen aus-
gestellt, die ein anschauliches Bild von der hohen Leistungs-
fähigkeit der Schule gaben. An eine große Zahl von Schülern
wurden Preise vertheilt. Mil der Prüfung verbunden war die
vom Gewerbeverein mit Unterstützung der Gewerbeschule veran-
staltete Ausstellung von Lehrlingsarbetten. An derselben bethei-
ligten sich 98 Lehrlinge. Bei der von dem 1. Vorsitzenden des
Gewerbevereins, Hrn. Alt-Oberbürgermeister Bilabel, vorgenom-
menen Preisvertheilung erhieltenaus dem 1. Lehrjahre 11 Aussteller
ein Diplom mit Note 1, 20 ein, solches mit Note 2; aus dem
2. Lehrjahre wurde 12 Lehrlingen ein Geldpreis von 5 Mk. nebst
Diplom mit Note 1, 15 ein Diplom mit Note 2 zuerkannt. Von
den Lehrlingen aus dem 3. Lehrjahre erhielten 9 einen 1. Preis
<8 Mk. und Diplom), 10 einen 2. Preis (5 Mk. u. Diplom) und
2 einen 3. Preis (Diplom). Aus dem 4. Lehrjahre war nur
ein Lehrling betheiligt, dem ein erster Preis zu Theil wurde.
Es sind also von 40 Lehrlingen aus dem 1. Lehrjahre 31, von
33 ans dem 2. 27, von 25 aus dem 3. und 4. Lehrjahr 22 mit
Preisen bedacht worden. Die prämiirten Arbeiten konkuriren um den
Staatspreis auf der in Rastatt stattfindenden Landesausstellung.
Zum Schluffe rheilte Herr Bilabel noch mit, daß 15 Lehrlingen
aus dem 3. Lehrjahre, deren ausgestellte Arbeit mit dem 1. oder

2. Preise bedacht wurde und die ein genügendes Zeugniß von
der Gewerbeschule erhielten, ein Diplom über bestandene Gesellen-
prüfung zugestellt wird, sobald sie von ihren Meistern aus der
Lehre entlassen werden, was für ihre spätere Laufbahn von gro-
ßem Werthe ist.
— Polizeibericht. Drei Personen kamen wegen Ruhestörung
zur Anzeige.
** Die Schöffengerichtssitzungen werden vom 5. k. Mts. ab
wieder im Amtsgerichtsgebäude abgehalten.
Eberbach, im März. Die neue Erziehungsanstalt
des badischen Landcsvereines für innere Mission auf dem
SchwarzacherHof bei Aglasterhausen, Amt Eberbach, für
verwahrloste konfirmirte Knaben hat nun auch die staatliche Ge-
nehmigung zur Aufnahme von sogenannten Zwangszöglingen
erhalten. Die Anstalt ist vorläufig für 10 Zöglinge eingerichtet
und bietet denselben unter der Leitung eines theologisch gebilde-
ten Inspektors eine tüchtige christliche Erziehung mit landwirth-
schaftlicher Beschäftigung auf dem über 100 Morgen großen
Gut, das von einem eigenen Verwalter umgetrieben wird. Alle
Anfragen über Aufnahmebedingungen ec. 'sind zu richten an
Herrn Inspektor Schaller auf demSchwarzacher Hof beiAglaster-
hausen. Baden.
811. Mosbach, 28. März. Mit den Leitungs- und baulichen
Ausführungen der hiesigen elektrischen Centrale, welche
fpätestens am 1. December d. I. in Betrieb gesetzt werden muß,
fall nächsten Monat begonnen werden. Es besteht, die Absicht,
außer dem Bahnhofe Neckarelz noch die Orte Neckarelz, Diedes-
heim Und Obrigheim an die Centrale anzuschließen, sofern eine
genügende Anzahl Lampen gezeichnet wird. Das hiesige Bahn-
Hofgebäude erfährt z. Z. eine Erweiterung. Die Bauarbeiten
müfsen bis 1. Juli beendet sein. Ebenso muß der projektirte
Steg über das Bahngeleise binnen derselben Frist erstellt werden
Mannheim, 28. März. Frau Kommerzienrath Dr. Carl
Clemm Wittwe hat in Erinnerung an ihren verstorbenen Gatten
den Betrag von 100000 Mark der Direktion der Zellstofffabrik
Waldhof bei Mannheim zur Verfügung gestellt. Die Erträgnisse
dieses Fonds sollen Arbeitern der Zellstofffabrik Waldhof oder
deren Familien, welche unverschuldet in Nothlage gerathen sind,
zugewendet werden.
Mannheim, 28. März. Am Samstag fand im Lokal zur
„Volksstimme" eine öffentliche Bauschlosser-Versamm-
lung statt mit der Tagesordnung : Die Antwort der Meister
und Stellungnahme dazu. Nach erfolgter Bureauwahl verlas der
Vorsitzende der Lohnkommission das Antwortschreiben der Meister.
Dasselbe lautet: „An die Lohnkommission der Bauschlosser hier.
Antwortlich Ihrer Zuschrift vom 13. d. M. zur gefl. Kenntniß,
daß wir die s. Z. gemachten Zugeständnisse Hochhalten werden,
jedoch nicht in der Lage sind, Ihnen neue Forderungen zu be-
willigen." Es erfolgt darauf eine längere Diskussion. Zuletzt
wurde von den über 120 anwesenden Bauschlossern mit allen
gegen 4 Stimmen der Beschluß gefaßt, auf Samstag den 1. April
die Kündigung einzureichen.
Karlsruhe, 27. März. Bei der Stadtverordneten-
Er s a tz w a h l in der dritten Klasse hat das Ce nt rum direkt
für die sozialdemokratisch-demokratischen Kandidaten gestimmt.
Um den Centrumswählern diese direkte Unterstützung der Sozial-
demokratie mundgerecht zu machen, wurde von den Centrums-
herren für die Sozialdemokraten der hübsche Namen „Arbeiter-
demokraten" extra neu erfunden. In dem Wahlaufruf, den die
Centrumsleute erließen, heißt es: „Katholiken! Auf an die Urne I
Heute gilt es, den herrschsüchtigen Nationalliberalismus in der
3. Klasse vollständig niederzuwerfen. Katholiken! Beweisen wir
heute mit dem oppositionellen Stimmzettel, daß wir die ent-
schiedensten Gegner des Nationalliberalismus find. Der schlimmste
Feind unserer katholischen Kirche ist von jeher der National-
Itberalismus gewesen! Nieder mit den Nationalliberalen!
Katholiken! Man erwartet, daß Ihr heute Eure Pflicht thut!
Gebt Eure Stimme ab für die Kandidaten der bürgerlichen und
der Arbeiterdemokratie! Viele Katholiken." In der Thal haben
die Katholiken den Sozialdemokraten 230 Stimmen zugeführt.
8.V. Karlsruhe, 28. März. Der Albthalbahnzug blieb
am Freitag bei Rüppurr wieder einmal stecken; der Contaktor
funklionirte nicht mehr. Mit Mühe wurde der Wagen noch in
den Rüppurrer Lokal-Centralbahnhof gebracht, wo die Passagiere
umsteigen mußten. ,Jm gleichen Wagen fiel eine elektrische La-
terne von der Decke und traf eine Dame beinahe auf die Nase.
Karlsruhe, 28. März. In der Franks. Ztg. erklärt Hans
Thoma, er wisse nichts davon, daß er zum Galleriedirektor in
Karlsruhe ernannt sei und ein Meisteratelier zur Verfügung er-
halten habe.
8. Pforzheim, 26. März. Nachdem zu Anfang der 90er
Jahre die Geldgeschäfte hiesiger Stadt nichr besonders
glänzende Zeiten hatten, trat 1897 ein deutlich bemerkbarer Um-
schwung ein, und die zwei letzten Jahre sind geradezu gute zu
nennen. Alle Fabriken sind in vollem Gange; Lehrlinge sehr
gesucht. Schon seit Neujahr weiß der größte Theil der an
Ostern aus der Schule entlassenen Kinder, zu wem er in die
Lehre kommt; es kam dieses Jahr thatsächlich vor, daß Arbeitern,
die ihrem Geschäft neue Lehrlinge zuführten, 3 -5 Pik. aus-
bezahlt wurden. Nächstens, so sagte Jemand mit treffendem
Scherz, werden die Lehrlinge mit der Chaise abgeholt. Zudem
kommt noch als verlockender Umstand in Betracht, daß, ab-
weichend von anderen Geschäftszweigen, die von ihren Lehrlingen
Lehrgeld verlangen, hier die Lehrlinge sofort Lohn erhalten,
der 3 Mk. Pro Woche mindestens erreicht und sich sich aus 8 bis
10 Mk. pro Woche gegen Ende der Lehrzeit stellt, die allerdings
fast durchs-^ niitlich 5 Jahre währt; selbst die Lehrmädchen (Poli-
seussen) haben eine 3jährige Lehrzeit. Nach beendigter Lehrzeit
bezieht ein mittelmäßiger Arbeiter einen Stundenlohn von 20
bis 30 Pfg., nicht wenige geschickte Leute bekommen aber 30 bis
50 Pfg. Man begreift also, daß der Zuzug zu der Goldstadt
immer noch zunimmt; auch fämmtliche Nachbarorte haben diesen
Zuwachs zu verzeichnen, wie das rapide Steigen der Be-
völkerungsziffer beweist. Mit Recht kann man gegenwärtig sagen,
daß die Bijouterie goldenen Boden hat.
A Pforzheim, 28. März. Ein großes Schadenfeuer
suchte gestern Nacht den zum hiesigen Amtsbezirk gehörenden Ort
Hohenwarth heim. Drei große Wohnhäuser und 2 Scheuern
wurden in wenigen Stunden ein Raub der Flammen. Sämmt-
liche Feuerwehren der Umgegend wurden alarmirl, da ein weiteres
Umsichgreifen der Feuersbrunst zu befürchten war. Leider wur-
den die Löscharbetten durch Wassermangel sehr erschwert. Erst
nach Mitternacht wurde der schon um die Abenddämmerung aus-
gebrochene Brand bewältigt.
Rastatt. 26. März. Am Freitag Mittag ist bei Stollhofen
(Amt Rastatt) ein Luftballon niedergegangen, der an diesem Tage
Vormittags halb 10 Uhr in Straßburg aufgestiegen ist. Herr
Oberleutnant Kadelbach von Fußartillepie-Regiment Nr. 14 und
Herr Privatdozent Hergesell von Straßburg sind mit dem Ballon
aufgestiegen und erreichten die erstaunliche Höhe von 5500 Meter
in einer Temperatur von — 36 Grad. Infolge starken Nord-
windes mußte der Ballon, da der Rhein in nächster Nähe war,
bei Stollhofen landen. In der Nähe der Erde angekommen,
wurde der Oberleutnant aus dem Korbe geworfen, da der Ballon
dreimal die Erde berührte, aber immer wieder weiter trieb; ein
starker Baum wurde umgerissen und schließlich blieb das Netz an
einer Telegraphenstange, an einer Pappel und an einem Birn-
baum hängen, wodurch die Landung möglich wurde. Der Ballon
welcher zu wissenschaftlichen Zwecken aufgestiegen war, wurde nach
Lichtenau und von da per Bahn nach Straßburg zurückgebracht;
derselbe gehört dem meteorologischen Institut in Strahlung. Herr
Hergesell erlitt mehrere ungefährliche Verletzungen, während Ober-
leutnant Kadelbach keinerlei Schaden davontrug.
8. K. Offenburg, 28. März. Zwischen hier und dem Dorfe
Bühl wurde gestern der ledige Ferdinand Elble von Schutter-
wald von einem ihm nachkommenden, bisher noch unbekannten
Individuum, wie es scheint mit einem Schlagring nieder-
! geschlagen, so daß er bewußtlos liegen blieb, und dann sei-
ner Baarschaft beraubt.

8.H. Offenburg. 29. März. Der Urheber des räuberischen
Ueberfalls zwischen Lier und Bühl, von dem wir unterm 28. d.
meldeten, ist entdeckt, es ist der — Alkohol. Der betreffende
junge Mensch machte am Montag in Gesellschaft mehrerer
Kameraden Blauen und bekam einen kräftigen Affen. Auf dem
Wege fiel er zu Boden, verlor das Geld und machte dann an-
geblich aus Furcht vor seinem Vater die unwahren Angaben.
Konstanz, 28. März. Wegen Beleidigung verurtheiltc
gestern, laut Konst. Ztg., die Strafkammer den 44jährigen
Laternenanzünder Karl Simon von Villingen zu drei Wochen
Gefängniß. Als im September 1898 in Villingen Militär
während des Manövers ein quartiert war, erdichtete Simon,
der zum Prahlen neigt, ein Recontre mit einem Offizier; er
erzählte in verschiedenen Wirthschaften, ein Offizier fei, als er
Nachts Vz12 in der Ringstraße die Laternen auslöfchte, singend
und pfeifend hinter ihm geschritten und habe ihn Plötzlich am
Kragen gefaßt mit den Worten: „Wie können Sie sich unter-
stehen, mir das Licht vor der Nase auszulöschcn?" Simon habe
erwidert, dies sei seine Pflicht, und als der Offizier nach dem
Säbel griff, habe er bemerkt: „Hier wird nicht gebrüsewttzelt"
und dem Offizier mit dem Anzündestock so derbe Hiebe versetzt,
daß derselbe sieben Tage das Bett hüten mußte. Wegen der
Affaire sei er zum Bezirkskommando Donaueschingen geladen ge-
wesen. Der Offizier werde nun recht hereinfallen. Diese
aus dem Handgelenk erfundene Heldenthat des La-
ternenanzünders bildete in Villingen längere Zeit das Stadt-
gespräch. In vielen Wirthschaften, wo der Mann fein Bravour-
ftückchen erzählte, erhielt er von den Gästen Bier bezahlt. Am
meisten imponirte sein Roma» den Sozialdemokraten, die ihn
hoch feierten. Ein „Genosse" berichtete das Ereigniß mit den
nöthigen Phrasen an den sozialdemokratischen V 0 lksfreund
in Offenburg, der am 28. Oktober darüber einen längeren
Artikel brachte. Darin wurde die „That des unerschrockenen
Laternenanzünders" ins schönste Licht gestellt und das Auftreten
des Offiziers scharf getadelt. Wegen dieses Artikels, den auch
die demokratische Konstanzer Abendzeitung am 7. November ab-
druckte, stellte der Kommandeur des 14. Armeekorps, General
v. Bülow, Strafantrag. Die Untersuchung ergab, daß die ganze
Geschichte von Simon erfunden wurde. Er that dies, wie er
eingestand, um sein Renommse zu heben und in den Wirth-
schaften Freibier zu ergattern! Wie Herr Polizeiwachtmeister
Rieger von Villingen aussagte, ist Simon in ganz Villingen
bekannt als ein beschränkter Mensch, der viel dummes Zeug
schwätze. Diesen Eindruck bekommt man auch sofort, wenn man
ihn nur sieht. Sehr bezeichnend ist deshalb, daß trotzdem gewisse
Leute die Geschichte als baare Münze nahmen und Kapital
daraus gegen den Wauwau „Militarismus" schlugen. Das
Generalkommando des 14. Armeekorps wurde für berechtigt er-
klärt, das Urtheil auf Kosten des Simon im Volksfreund zu
Offenburg und im Schwarzwälder zu Villingen zu veröffent-
lichen. Die Strafe wurde so mild bemessen, weil Simon geistig
beschränkt ist.
Aus Baden. Bei Bruch Hausen rechts und links von der
Bahnlinie wo sie durch den tiefen Einschnitt läuft, also gegen
Ettlingen zu, hat die badische Staatsbahn einen größeren
Terrainkomplex zum Abgraben angekauft. Der Bad. Ldsm. zieht
daraus den kühnen Schluß, daß hier der Boden genommen wer-
den soll zur Auffüllung des Karlsruher Hauptbahnhofes, und
daß dessen Höherlegung sicher zu erwarten sei.
— Dienstnachrichte«. Oberstleutnant v. Schirach im Gre-
nadierregtment Nr. 110 wurde znm Oberst befördert. ^
Kleine Zeitung.
— Färben der Ostereier. Die Eierschale nimmt jede im
Wasser lösliche Farbe leicht an. Doch sind nur absolut giftfreie
und unschädliche Farben aznuwenden, weil die Schale viele mikro-
skopische kleine Oeffnungen (Poren) enthält, durch die, wie durch
die Risse, welche manchmal beim Sieden entstehen, die Farbe ins
Ei dringt. Wenn nian die Kräuter und Farbstoffe, die man zum
Färben gebraucht, zuerst einige Minuten in siedendem Wasser kocht,
ehe man die Eier hineinbringt, so erhalten diese eine viel schönere
und gleichmäßigere Färbung, als wenn man die Farbstoffe nicht
vollständig sich auflösen läßt. Man färbt grün gut mit Salat,
Spinat oder junger Saat, dunkelgrün mit getrockneten Mal-
venblüthen, blau mit Lackmus, dem man etwas Soda beimengt,
oder auch mit Veilchen, gelb mit Gelbholz, Zwiebelschalen und
Saffran, strohgelb mit Mandelschalen, zitronengelb mit
Brennesselwurzeln, dunkel gelb mit Kaffeesatz, braun mit
Krapp, r oth mit Pernambukholz, rosa bis Purpur aus gepul-
verter Cochenille. Auf den gefärbten Eiern lassen sich rothe
Figuren, Zeichnungen, ja Namenszüge der Kinder und Personen,
welche man beschenken will, anbringen, was sich auf gelb, grün
oder garnicht gefärbten Eiern schön ausnimmt. Klebt man vor
dem Sieden kleine Flöckchen von Seidenstoff oder Seidenwatte auf
die Eier und siedet sie, so werden dieselben schön marmorirt. Be-
liebige Figuren aus Zwiebelschalen geschnitten und auf die Eier
geklebt oder gebunden, geben dieselben Figuren wieder in gelber
Farbe. Um Eier mit grünen oder weißen Blättern zu bekommen,
darf man sie nur mit Blättern der Petersilie, Scharfgabe oder
Kälberkropf umwickeln.
— Ein eigenartiger Gedanke ist, wie uns berichtet wird,
einem neuen Eiweißpräparat, das sich Nervennahrung oder
Sanatogen nennt, zu Grunde gelegt worden. Die Erfinder
(Chemische Fabrik von Bauer u. Cie.), welche das Sanatogen
aus den elementaren Bestandtheilen der Nervenmasse (Casein und
Glycerinphosphorsäure) hergestellt haben, bezwecken mit diesem
Eiweißpräparat nicht nur dem geschwächten Organismus eine
kraftspendende Nahrung zuzuführen, sondern auch gleichzeitig die
der Verdauung dienenden Nerven zu ernähren und anzuregen,
um so den Appetit und die Verdauungsthätigkeit zu erhöhen.
Dieser neue Gedanke ist jedenfalls nicht nur originell, sondern
wirklich ideal zu nenne». In der That sprechen die praktischen
Erfolge, welche bei dem Gebrauche von Sanatogen erzielt wur-
den, dafür, daß dieses Nährpräparat dazu berufen zu sein scheint,
emen hervorragenden Platz in der Ernährung, zumal von schwäch-
lichen und kranken Personen einzunehmen.
— Garibaldis Enkel evangelisch! Der Labori, das Organ
der katholischen Reform in Jtatien, schreibt: Vor einigen Wochen
hat der Präsident der italienischen Methodistenkirche in Rom sechs
Kinder des Generaals Rlcctottt Garibaldi getauft. Dieselben be-
suchten seit mehreren Jahren die evangelischen Schulen Roms;
nunmehr hegten die Eltern den Wunsch, sie eudgiltig in einer
evangelischen Kirche ausgenommen zu sehen.
— Plymouth, 28. März. Die „Bu lg aria" ist heute Morgen
hier eingetroffen. Der Bürgermeister und andere Notabili-
täten begaben sich an Bord und überreichten dem Kapitän eine
Glückwunschadresse.

Theater- und Kunstnachrrchten.
Heidelberg, 29. März. (Stadltheater.) Als Ersatz
für die Vorstellung, die gestern wegen plötzlicher Erkrankung von
Fräulein Hübsch ausfallen mußte, erhalten die Abonnenten der
geraden Tour die für heute Abend angesetzte Aufführung der
„Anna Lise" mit Herrn Frank als Gast. Da diese Vorstellung
ursprünglich außer Abonnement stattstnden sollte, sei auf diese
Aenderung ausdrücklich hingewiesen.
Darmstadt. (Gr. Hoftheater.) Montag, 3. April: „D"
Zauberstöte". Dienstag, 4. April: „Der Verschwender". Mitt-
woch, 5. April: Zum 1. Male: „Der geraubte Schleier". Märchen-
dram in 3 Aufzügen von Sophie Junghans. DonnerStaS-
6. April: „Der Bettelstudent". Freitag, 7. April: „Fuhrmann
Henschel".__^
Handel und Berkehr.
Frankfurt, 28. März. Effektensocietät. Abends 6'/«
Oesterr. Credit 23160—40 b. Disconto-Kommandit 194 50 ob
70 b. cpt. 195.20 b. April. Darmstädter Bank 153.60 b. cv -
153.80 b. April. Deutsche Bank 215.50 b. cpt. Nationalbarn
 
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