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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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Fernsprech-Anschluß Nr. 82.



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Fernsprech-Anschluß Nr- 82.

A>. 88. Elftes Mit. Hmnslag, Le« 15. April

I89S.

Herr v. Bülow über die Samoaangelegenheit.
Im Reichstag hat gestern der Staatssekretär des
Auswärtigen v. Bülow die Interpellation wegen
der Samoaangelegenheit zur Befriedigung weitester
Kreise des deutschen Volkes wie folgt beantwortet:
Ich bin gern bereit, mich über die Angelegenheit aus-
zusprechen, die die öffentliche Meinung mit Recht lebhaft
beschäftigt und für die Regierung seit Wochen ein Gegen-
stand ernster Aufmerksamkeit ist. Auf der anderen Seite
werden Sie verstehen, daß ich in meiner amtlichen verantwort-
lichen Stellung nicht Dinge sagen werde, die die friedliche
Beilegung der Schwierigkeiten in Frage stellen könnten.
(Sehr richtig!) Ueber die Vorgeschichte der jüngsten Wirren
in Samoa habe ich mich in der Budgetcommission aus-
gesprochen und habe namenlfich darauf hingewtese», daß
seit dem Inkrafttreten der Samoaakte es dort nicht an Un-
ruhen und Reibereien zwischen den Vertretern der drei
Mächte gefehlt hat. Unser Verhalten gegenüber diesen
Verwickelungen kann ich zusammenfassen in dem einfachen
Satze: Festhalten an der durch die Samoaakte gegebenen
Rechtslage, so lange diese Akte nicht durch übereinstimmende
Beschlüsse der betheiligten Mächte modificirt wirbt also
Achtung der anderen auf Grund dieser Alte zustchenden
Rechte, aber auch volle unbedingte Aufrechterhaltung unserer
eigenen deutschen Rechte. Im Interesse der Ruhe auf
Samoa, im Interesse der ruhigen Beziehungen zwischen
den betheiligten Regierungen würden wir es an und für
sich nützlich finden, wenn die unzureichend gewordene Somoa-
akte ersetzt werden könnte durch eine der gegenwärtigen
Lage besser entsprechende Neuregelung. In diesem Sinne
habe ich in der Budgetkommission gesagt, wir wären geneigt,
w eine reinliche Scheidung zu willigen. Da aber die Nach-
theile des gegenwärtigen Zustandes für die beiden anderen
Mächte sich ebenso fühlbar machen wie für uns, haben
wir keine Veranlassung und kein Bedürfniß, aus eigener
Initiative mit besonderen Vorschlägen hervorzutreten.
So lange aber die Samoaakte besteht, muß sie
von allen Betheiligten loyal beobachtet werden.
Wortlaut und Tendenz der Akte erfordern, daß
endgiltige Entscheidungen nur durch einen gemeinsamen Be-
schluß der drei Regierungen getroffen werden. Wir haben
Mßhalb in London und Washington keinen Zweifel darüber
gelassen, daß wir Veränderungen, zu denen wir unsere
Zustimmung nicht gegeben haben, als rechtsunverbindlich
betrachten müssen. Wir können nicht zugeben, daß im
Widerspruch mit den Vertragsrechten ohne uns oder gar

gegen uns über Samoa entschieden würde. Dieses von
uns aufgestellte und vertretene Princip der Nothwendig-
keit der Einstimmigkeit ist von Amerika, schließlich auch von
England angenommen worden. Ein anderer leitender Ge-
sichtspunkt für uns war, uns aus den Streitigkeiten der
eingeborenen Häuptlinge herauszuhalten. Wir stehen den
verschiedenen Throncandidaten auf Samoa ohne Partei-
nahme gegenüber. Nachdem aber die provisorische Regierung
Mataafas von den drei Consuln anerkannt worden war,
wußte dies unserem Consul als legaler status yuo so
Mnge erscheinen, bis durch einstimmigen Beschluß der drei
Mgrerungen eine neue Regierung eingesetzt worden sei.
^chon weil wir uns den internen Vorgängen auf Samoa
gegenüber neutral verhalten, haben wir das Eingreifen
englischer und amerikanischer Schiffe in diese Streitigkeiten
weder mitgemacht noch gebilligt. Ueber den letzten Zu-
sammenstoß liegen bei uns nur verstümmelte und lücken-
hafte Telegramme unseres Konsuls sowie mehr oder weniger
glaubwürdige Nachrichten ausländischer Telegraphenagen-
'Uren vor, sodaß über diese ein abschließendes Urtheil noch
wcht möglich ist. Ueber einen Conflict zwischen dem
?werikanischen Admiral und dem Commandanten des „Falke"
uns nicht das Mindeste bekannt. Ich halte in Ueber-
L^chstimmung mit dem Staatssecretär des Reichsmarineamts
Mwe solche Nachricht für völlig unbegründet. Ich bin
^erzeugt, das das Verhalten, das Ehrgefühl, der Tact
Und die Selbstbeherrschung unserer Seeofficiere ebenso sehr
^ver alles Lob erhaben waren wie die Mannszucht unserer
^ute. Was den in Samoa verhafteten Retchsangehörigen
wllcingt, so handelt es sich offenbar um den Leiter der
^llanzung Vailclc, Hufnagel. Wir haben sogleich in
Muster Weise die Aufmerksamkeit der englischen Regierung
^ diesen Punkt gelenkt und der bestimmten Erwartung
Ausdruck gegeben, daß unserem Landsmann kein Leid ge-
wehe, sofern, wie wir bestimmt annehmen, er unschuldig
u- Durch die localen Vorgänge auf Samoa kann der
^wgiltigen Regelung nicht präjudicirt werden. Diese
Regelung erfolgt nicht an Ort und Stelle; sie kann nur

Um

wrgehcn aus einer Vereinbarung der drei Cabinette.
H eine solche Neuregelung herbeizuführen, haben wir die
"Sendung einer Specialcommission in Vorschlag gebracht
für die Beschlüsse der Specialcommission Einstimmig-
^ gefordert und nach Ueberwindung nicht unerheblicher
, wwierigkeiten auch durchgesetzt. (Bravo!) Ich freue
m, wittheilen zu können, daß die englische Regierung
v durch ihren Botschafter nunmehr amtlich erklärt hat,
H acceptire die Vorschläge Deutschlands hinsichtlich der
^Handlungsweise und Functionen der Spccialcommssionen.
. w Functionen und Befugnisse der Specialcommission
"v ich, wie folgt, zusammenfassen: Die durch die drei

Signaiarmächte d-r Samoa-Akte ernannte Commission wird
die provisorische Regicrungsgewalt über die Insel über-
nehmen. Zu diesem Zwecke sollen die Kommissare die
höchste Amtsgewalt auf den Inseln ausüben; alle
anderen Amtspersonen daselbst haben Befehl, den Kom-
missaren zu gehorchen. Die drei Mächte werden ihre kon-
sularischen und Marinevertreter zur entsprechenden Unter-
ordnung anweiscn. Keine Maßnahme, die von den Kom-
missaren in Gemäßheit ihrer vorbezeichncten Amtsgewalt
getroffen wird, soll rechtsgiltig sein, wenn nicht alle drei
Kommissare der Maßnahme zustimmen. Es gehört zu den
Aufgaben der Commission, zu erwägen, welche Bestim-
mungen für eine zukünftige Landesregierung oder eine Ab-
änderung der Berliner Schlußakte nothwendig sind, um an
die Regierungen über die Auffassungen, zu denen sie schließ-
lich gelangen werden, zu berichten. Wir hoffen, daß es
der Spezialcommission gelingen wird, zu einer gerechten,
billigen und für alle Theile annehmbaren Regelung dex
Verhältnisse zu gelangen. Wir werden nur solchen
Beschlüssen znstimmen, durch die die klaren
deutschen Rechte und die geschäftlichen deut-
schen Interessen auf Samoa nicht beeinträch-
tig t w e r d e n. In einem Theile der ausländischen Presse
ist darauf hingewiesen worden, daß der Werth Samoas
nicht im Verhältniß steht zu der Bedeutung, die die sa-
moanische Insel in der internationalen Politik und den
internationalen Beziehungen gewonnen haben. Auch wir
glauben, daß diese Inselgruppe in der fernen Südsee, die
von 30 000 Menschen bewohnt wird, unter denen etwa
500 Europäer sind, und mit einem Gesammthandel von
kaum 3 Millionen nicht die Veranlassung sein dürfte, einen
Krieg zu entfachen. Dies wäre im höchsten Grade ruch-
los. Ich bin auch davon durchdrungen und rathe, auf
keiner Seite zu vergessen, daß cs in der auswärtigen Po-
litik vor allem darauf ankommt, sich nicht das richtige
Augenmaß beeinträchtigen zu lassen, und jede Frage nach
ihrem realen Werth einzuschätzcn. Wir dürfen aber dabei
nicht zweierlei vergessen: Einmal, daß wir die Pflicht ha-
ben, Handel und Wandel, Eigenihum und Erwerb unserer
Landsleute auf Samoa zu schützen, daun, daß wir auf
Samoa vertragsmäßige Rechte besitzen, deren Aufrechthal-
tung das deutsche Volk als eine Ehrensache empfindet.
(Bravo, sehr richtig!) Wir verlangen auf Samoa nicht
mehr als das, was uns vertragsmäßig zusteht. Diese
unsere vertragsmäßige Rechte dürfen wir uns nicht ver-
kürzen lassen. (Lebhafter Beifall.)

Deutsches Reich.
— Der deutsche Gesandte in Tanger, Frhr. Schenck
zu Schweinsberg, ist in den einstweiligen Ruhestand
getreten. An seiner Stelle ist der bisherige Gesandte in
Buenos Aires, v. Menzin gen, zum Gesandten in Tanger
ernannt worden. Den Posten in Buenos Aires erhält
der bisherige Gesandte in Santiago, v. Tresckow,
dessen Nachfolger der bisherige Generalkonsul in Shanghai,
Dr. Stübel, wird. Der kaiserliche Gesandte in Peking,
v. Heyking, wird nach dem Ablauf eines neunmonatigen
Urlaubs, den er zur Herstellung von seinem schweren Hals-
leiden erhalten hat, den (durch Versetzung des Frhrn.
v. Kettel er nach Peking freigewordenen) Posten in
Mexiko übernehmen.
— Wie der Berliner Korrespondent der Straßburger
Post aus sicherer Quelle vernimmt, hat die englische
Regierung Befehl erthcilt, den in Samoa auf einem
englischen Kriegsschiff gefangen gehaltenen Deutschen
dem deutschen Konsulat zu überweisen.
— Der amerikanische Botschafter in Wien
erklärte einem Vertreter des Neuen Wiener Journals auf
die Frage, wie er über die Samoa-Angelegenheit
denke, es lebten fünf Millionen Deutsche in Amerika in
angesehenen Stellungen, und ihr Einfluß sei so groß, daß
jede Weiterung zwischen Amerika und Deutschland würde
vermieden werden.
— In dem Prozeß gegen den Chefredakteur Mohr
wurden die Mitglieder des Bundes der Landwirthe nicht
zu 200 Mark, sondern nur zu je 20 Mark Geldstrafe
verurtheilt.
Deutscher Reichstag. Berlin, 14. April. Das
Haus ist gut besucht; die Tribünen sind überfüllt.
Tagesordnung: Interpellation über Samoa.
Staatssekretär v. Bülow erklärt sich zur sofortigen
Beantwortung der Interpellation bereit.
Abg. Dr. Lehr (natl.l: Allzu freudige Osterstimmung habe
die Nachricht von der Beschießung von Samoa nicht her-
vorgerufen. Die Erregung in Deutschland sei groß und
tiefgehend. Die Hauptschuld trage. England. Schmerzlich
vermisse man eine geeignete telegraphische Verbindung, da
die Nachrichten über England und Amerika offenbar
tendenziös gefärbt seien. Alle die Nachrichten über das Ver-
halten des Oberrichters, des Admirals Kautz, unseres Konsuls
und die Beschießung bedürften der Klarstellung, ebenso diejenige
über die Aufrichtung einer englischen Schutzherrschaft über die
Tongainseln. Auch das Verhalten des deutschen Pflanzers werde
kaum so wie geschildert gewesen sein. In dem Vorgehen Eng-
lands scheine System zu liegen. Die Samoa-Akte ebenso wie
das spätere Abkommen seien verletzt worden. Seine Partei wolle
nicht, daß Amerika oder England der Krieg erklärt werde. (Lachen
links.) Man müsse aber die Politik dieser Staaten durch ge-
eignete wirthschaftltche Maßnahmen beantworten. Wir müssen
Deutschland auch zur See stark machen. Eine starke Flotte mache

uns bündnißfähiger: unsere Zukunft liege auf dem Wasser. Es
handle sich nicht um die Samoa-Inseln, sondern um die Erhal-
tung unserer Großmachtstellung. Die Zeiten des duldenden Welt-
bürgerthums seien vorüber. (Beifall.)
Staatssekretär v. Bülow beantwortete die Interpellation in
einer aussührllchen Rede, die der Leser an der Spitze des heutigen
Blatt-s wiedergegeben findet.
Eine Besprechung der Interpellation erfolgt nicht.
Zur Geschäftsordnung bemerkt Abg. Richter (fr. Volksp.),
daß seine Partei mit den Worten der Begründung der Inter-
pellation nichts gemein hätte. Sie hätte die Interpellation für eine
einfache Anfrage gehalten und nicht gewußt, daß dieselbe benützt
würde, um dem Chauvinismus des Alldeutschen Verbands Aus-
druck zu geben. Sonst hätte seine Partei die Unterschrift ver-
weigert.
Abg. Lieber (Centr.): Seine Partei halte den Augenblick
nicht für gekommen, in eine Besprechung der Interpellation ein-
zutreten. Im Allgemeinen theile er den Standpunkt Richters.
Er kalte es kaum für nöthig zu erklären, daß er für die Worte
der Begründung der Interpellation nicht verantwortlich sei.
Abg. Nick ert spricht sich in demselben Sinne aus.
Abg. Dr. v. Levetzow (cons.): Seine Partei übernehme
nicht die Verantwortung für jedes Wort der Begründung; er
halte eine Besprechung nicht für nöthig.
Abg. Graf Arnim (Rp.): Nach der Erklärung des Staats-
sekretärs und angesichts der politischen Lage werde man gut thun,
abzuwarten.
Abg. Fürst v. Bismarck (b. k- Fr.) hält es ebenfalls an-
gemessen, vorläufig auf die Sache nicht einzugehen.
Abg. Liebknecht (Soz.): Die Erklärungen des Staats-
sekretärs seien durchaus korrekt. Die Regierung habe sich auf
den Rechtsboden gestellt; sie wird dabei von allen Seiten des
Hauses unterstützt werden.
Präsident Graf Balle strem erklärt, daß dieser Gegenstand
der Tagesordnung erledigt ist. (Große Heiterkeit.)
Haus und Tribünen leeren sich.
Weiterberathung der Fernsprech-Gebühren-
o r d n u n g.
Abg. Dr. Hasse (ntl.) hält den Tarif für nicht einwandfrei
und empfiehlt eingehende Kommissionsberathung.
Abg. Dr. Oertel (kons.) wünscht Ueberweisung an die sog.
Postkommission.
Abg. Dasbach (Centr.) hält den Tarif für zu komplizirt
und wünscht mehr öffentliche Fernsprechstellen auf dem Lande.
Staatssekretär v. Podbielski verspricht Erweiterung der
vorhandenen Telephonanlagen auf dem Lande zum öffentlichen
Fernsprechverkehr.
Nach kurzer weiterer Diskussion wird der Entwurf der Post-
kommtssion überwiesen.
Erste Lesung des Telegraph enwegegesetzes.
Staatssekretär v. Podbielski theilt zunächst mit, daß die
Linie nach Südwestafrika funktiouire. (Beifall.) Der Entwurf
habe sich die Vermittlung zwischen den verschiedenen Interessenten
zur Aufgabe gemacht. Er legt die Entscheidung bei Meinungs-
verschiedenheiten in die Hand der höheren Landesbehördcn. Er
enthält ferner einige Beschränkungen der Privateigenthümer, be-
stehend in dem Recht der Verwaltung, durch die Luft Drähte zu
führen, soweit dadurch der Besitzer in der Ausübung seines
Eigenthums nicht beeinträchtigt wird. Er bitte im Interesse aller,
den Entwurf noch in dieser Session zu verabschieden.
Abg. Lenzmann (freis. Volksp.): Die Grundgedanken des
Gesetzes seien falsch. Auch die Wege und Kanäle seien Eigen,
thum uud dürften nicht genommen werden, ohne daß Entschädi-
gung gezahlt wird. Dem Reichskanzler seien zu weitgehende
Befugnisse eingeräumt.
Staatssekretär v. Podbielski: Die öffentlichen Wege
müßten der Allgemeinheit dienen, sonst würden die Unterhaltungs-
kosten der Leitungen zu solcher Höhe anschwellen, daß sich die
Gebühren vervierfachten.
Direktor v. Sydow: Die öffentlichen Wege hätten von
jeher zur Beförderung von Nachrichten gedient.
Hierauf vertagt sich das Haus auf morgen 1 Uhr. Fort-
setzung der heutigen Tagesordnung, .Gewerbenovelle mit den
Initiativanträgen ves Frhrn. Heyl zu Herrnsheim, betreffend die
Konfektionsbranche.
Baden. Die landesherrliche Verordnung vom 27.
März d. I., betreffend die Anwendung des badischen Be-
amtengesetzes auf die Lehrer an Volksschulen, ent-
hält zwei Bestimmungen, die auch für weitere Kreise von
Interesse sein dürften. Zunächst wird die Probezeit der
Lehrerinnen, welche die Höhere Lehrerinnenprüfung bestan-
den haben, von zwei auf ein Jahr ermäßigt. Sodann
wird — und dies ist wohl die wichtigste Neuerung —
die Verleihung der Beamteneigenschaft an Lehrer und
Lehrerinnen für zulässig erklärt, die nach bestandener staat-
licher Prüfung „an Retlungsanstalten für sittlich verwahr-
loste oder für schwachsinnige Kinder, an Waisenhäusern
oder an anderen in bedeutsamer Weise dem öffentlichen
Wohle dienenden Lehr- und Erziehungsanstalten von Ge-
meinden oder sonstigen Körperschaften oder von Stiftungen"
eine Lehr- und Erziehungsthätigkeit übernommen habe»
(Z 118 E. U. G-). Es wird hierdurch diesen Anstalten
die Möglichkeit geschaffen, tüchtige Lehrer aus dem Inland
zu gewinnen, ohne befürchten zu müssen, daß dieselben
aus Rücksichten für ihre Zukunft sich bereits nach kurzer
Zeit um eine Verwendung im staatlichen Dienst bemühen
werden. Auch wird tüchtigen Lehrern bei ihrem Rücktritt
in den öffentlichen Schuldienst die Erlangung einer etat-
mäßigen Stelle erleichtert werden, insofern dieselben nicht
mehr — wie dies bisher der Fall war — zuvor drei
Jahre an einer Volksschule thätig gewesen sein müssen.
Durch eine Uebergangsbestimmung ist diesen Vorschriften
in beschränkter Weise rückwirkende Kraft beigelegt.
Badischer Landtag. Karlsruhe, 14. April. (29.
öffentliche Sitzung der Ersten Kammer.) Auf der Tages-
ordnung stand der Entwurf des Einführungsgesetzes zum
Bürgerlichen Gesetzbuch.
Berichterstatter Freiherr von Rüdt betont in seinem einlei-
tenden Vortrag, daß das für die Uebergangszeit hervorgerufene
Unbehagen über den Verlust bewährter Rechtseinrichtungen den
Gedanken an die langerstrebte Rechtseinheit aufgehoben habe. Der
vorliegende Entwurf bezwecke, landesgesetzliche Bestimmungen, die
weiter aufrecht zu erhalten seien, dem Bürgerlichen Gesetzbuche
anzupassen.
 
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