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Heidelberger Zeitung — 1899 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.39312#0618

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12. November 1895 Vizepräsident der Kammer und eben-
so in den Jahren 1896, 1897 und 1898. Der Mann
hat jedenfalls noch eine große politische Laufbahn
vor sich.

Deutsches N e i ch.
— Der Colonialrath berieth am 11. ds. den
Antrag Deuß und Genossen auf Verleihung einer Co n-
cession zur Errichtung einer Transport-, Plantagen- und
Handelsgesellschaft im Seengebiet von Ostafrika. Er faßte
nach der Generaldebatte einen Beschluß des Inhalts: Der
Colonialrath verwirft nicht grundsätzlich die Ertheilung
von Landconccssionen, hält aber die Ertheilung von Land-
concessionen, die geeignet sind, den Mitbewerb Anderer in
größeren Gebieten auszuschließen oder wesentlich zu er-
schweren, für gefährlich. Der Colonialrath empfiehlt der
Regierung weitere Verhandlungen mit Deuß und Genossen
und dabei alle in der gestern bezüglich der Concesstons-
ertheilung einstimmig gefaßten Resolution enthaltenen Ge-
sichtspunkte zu berücksichtigen. In der Nachmittagssitzung
machte Geh. Rath Goering Mittheilungen über die Ver-
handlungen der Branntwein conferenz in Brüssel.
Sodann fand nach einer ausführlichen Einleitung des
Colonialdirektors Dr. v. Buchka die Berathung über die
Ausbildung der Colonialbeamten statt. Nach
Erledigung der Tagesordnung sprach der Vorsitzende der
Versammlung seine Anerkennung für die einmüthige Erle-
digung aller schwierigen Fragen aus. Der Herzog-Regent
von Mecklenburg dankte dem Vorsitzenden für die erfolgreiche
Leitung der Verhandlungen.
— Die Nordd. Allg. Ztg. schreibt: Mit Rücksicht auf
das neue bürgerliche Recht hat das Reichsgericht vor
kurzem bekanntlich eine Erweiterung um einen Civil-
senat erfahren. Seine Ausgestaltung zum obersten Gerichts-
hof in Sachen des bürgerlichen Rechts für Deutschland ist
damit vollzogen. Wie wir hören, hat der Kaiser aus diesem
Anlaß den dienstältesten Senatspräsidenten, Bingner, seit
dessen Ernennung zum Senatspräsidenten gegenwärtig 20
Jahre verflossen sind, zum Wirkt. Geh. Rath mit dem
Prädicat Excelleuz ernannt.
Deutscher Reichstag. Berlin, 14. Juni. Präsident
Graf Ballestrem eröffnet d-e Sitzung um 1 Uhr 20
Minuten.
Bei der dritten Lesung des Jnvalidenversicherungs-
gesetz es werden die W 1 bis 3 ohne Debatte, die U 4, 4» und
4b mit einigen redaktionellen Aenderungen angenommen. 8 5
wird nach emem Kompromißantrag Hitze-Kardorff angenommen,
wonach die reichsgesetzlichen Renten auf die sonstigen Kassen-
leistungen nur soweit angerechnet werden, daß der zur Auszahlung
gelangende Theil im Durchschnitt mindestens den Reichszuschuß
erreicht. Die folgenden Paragraphen werden theils in der Kom-
missionsfassung, theils nach den Kompromißanträgen angenommen
und 8 12 unter Ablehnung eines sozialdemokratischen Antrages
in der Fassung der zweiten Lesung.
Bei 8 17 (Beitragsleistung) entspinnt sich eine längere Debatte
über einen Antrag Albrecht, der die Bestimmung, daß die Zeit
einer durch geschlechtliche Ausschreitungen herbeigeführten Krankheit
nicht als Beitragszeit gerechnet wird, streichen will. Der Antrag
wird gegen die Stimmen der Konservativen und des größten
Theils des Centrnms angenommen, ebenso 8 17 in der nun-
mehrigen Fassung.
Eine Reihe weiterer Paragraphen wird in der Fassung der
zweiten Lesung oder mit Abänderungen auf Grund des Kompro-
misses angenommen. Die die Rentenstellen betreffenden Bestim-
mungen der 88 511 und folgende werden nach den Kompromiß-
anträgen angenommen.
In der Debatte erklärt Staatssekretär vr. Graf v. Posa -
dowsky, daß das Reichsversicherungsamt nach Fortfalls des
Postens eines Staatskommissars den staatlichen Untersuchungen
eine noch erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden werde. Im vorigen
Jahre habe bereits eine Revision von 11 Anstalten stattgefunden.
Diese Thätigkeit werde das Reichsversicherungsamt nicht ein-
schränken, sondern vielmehr noch vermehren und verschärfen.
Die Berathung erstreckt sich bis 8 129, der angenommen wird.
Morgen 1 Uhr Weiterberathung; dritte Lesung des Nachtrags-
etats; erste und eventuell zweite Berathung des Handelsprovi-
sorinms mit England.
Baden. Der Straßburger Post schreibt man aus
Karlsruhe: Nicht sehr erbaut ist man in weiteren Kreisen
von der in Württemberg von Minister v. Mittnacht in
Aussicht gestellten künftigen Tarifgemein swaft
der süddeutschen Staaten; sie würde zunächst für Baden
den Wegfall des Kilometerhefts bedeuten und den Norden
mit seiner billigen 4. Wagenklasse dem Süden wesentlich
„über" sein lassen an Eisenbahnfahrbilligkeit.
Karlsruhe, 14. Juni. Der Großherzog berief
in die Generalsynode die Kirchenräthe: Bassermann,
Fingado, Greiner, Oberstenerinspektor Böckh, die Commer-
zienräthe Dürr und Krafft, den Seminardirektor Leutz.
Der Zusammentritt erfolgt am 27. Juni.
— Die Centrumspresse hatte den Abg. Birken-
mayer schon zum alten Eisen geworfen. Er werde nicht
mehr kandidiren, versicherte sie bestimmt. Nun wird aber
berichtet, daß Herr Birkenmayer in einer Wahlversammlung
erklärt hat, er werde gern wieder kandidiren, und daß in
der betreffenden Versammlung seine Kandidatur für St.
Blasien-Schönau in der That beschlossen wurde. Was
geht da vor?

Aus der Karlsruher Zeitung.
— Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben dem
Cigarrenarbeiter Emil Hausmann in Seelbach die silberne
Rettungsmedaille verliehen, dem Oberingenieur und Direktor der
Firma PH. Holzmann u. Cie. in Frankfurt a. M-, Wilhelm
Lauter daselbst, die Erlaubniß zur Annahme und zum Tragen
des ihm verliehenen Königlich Preußischen Rothen Adlerordens
4. Klasse ertheilt, den provisorischen Hosoikar Dr. Otto Frommel
aus Heidelberg mit Wirkung vom 1. Juni d. I. an zum Hof-
vikar ernannt, die Amtsrichter Dr. Hans Martin Grüninger
in Neckarbischofsheim, Emil Stegmüller in Sinsheim, Dr.
Wilhelm Benckiser in Karlsruhe und Dr. Eduard Dietz in
Karlsruhe zu Oberamtslichtern ernannt, ferner dem Staats-
anwalt Heinrich Freiherr» Röder von Diersburg am
Landgericht Waldshut den Rang eines Landgerichtsraths verliehen.
— Regicrnngsbaumeister Arthur Reichel bei der Großh.
Generaldtreklion der Staatseisenbahnen wurde der Großh. Ver-
waltung der Hauptwerkstätte zugelheilt.

Ausland.
Frankreich. Paris, 14. Juni. Der Figaro ver-
merkt folgende Aenßerung Loubets, als ihm die Ver-
irrt Heilung Christianis mitgctheilt wurde: „Diese
vier Jahre werden sehr schnell vergehen!" Das Blatt
zieht daraus den Schluß, daß der Präsident den Baron
Christian! bald begnadigen werde. Mehrere Blätter glau-
ben. daß dies bereits am 14. Juli geschehen werde. Je-
doch sprechen sich die radikalen Blätter gegen eine so schnelle
Begnadigung aus, da sie vielleicht einen schlechten Ein-
druck machen könnte.
Paris, 14. Juni. Die Franzosen behaupten, in dem
italienischen General Gilletta di San Giuseppe
diesmal wirklich einen Spion gefangen zu haben.
Der Figaro berichtet über die Verhaftung Folgendes:
Seit mehr als einem Monat wurde der italienische
General polizeilich genau überwacht. Am 6. Mai begab
er sich mit der Bahn nach Südfrankceich, wo er in Puget-
Theniers abstieg; nachdem er in der Umgebung dieser Ort-
schaft eine militärische Recognoscirung vorgenömmen hatte,
kehrte er zum Bahnhof zurück und fuhr wieder nach Nizza,
ohne daß er gemerkt hätte, daß ein Commissar ihm ans
Schritt und Tritt gefolgt war. Dieser Beamte hatte fest-
gestellt, daß der General alle militärischen Stellungen und
alle strategischen Punkte des Varthales genau stuoirt hatte.
Am 7. Juni kam der General wieder nach jener Ortschaft,
fuhr abermals in die Umgebung, hatte eine Generalstabs-
karte in seinem Wagen aufgeschlagen und nahm darin Ver-
besserungen vor. — Wie dem Temps aus Nizza telegraphirt
wird, hat General Gilletta di San Giuseppe ein-
ge stau den, im Alpendepartement im Jahre 1889 als
Kapitän im Aufträge seiner Regierung Spionage ge-
trieben zu haben. Der General versuche nicht mehr, sich
zu rechtfertigen.
Amerika. Washington, 14. Juni. Der Vorsitzende
der Samoakommission, der amerikanische Delegirte
Tripp, theilte dem Staatsdepartement mit, das Werk der
Kommission schreite langsam, aber in befriedigender
Weise fort. Die Arbeiten würden alsbald beendet sein.

Aus Stadt und Land.
Heidelberg, 15. Zuni.
88 Vom 31. Verbandstag der «nterbadischen Kreditgenossen-
schaften. Einer Einladung des Herrn Konsul Menzer an den
Verbandstag folgend, begab sich gestern morgen eine recht an-
sehnliche Anzahl von Theilnehmecn nach Neckgrgemünd. Auch
einige Damen befanden sich in der ca. 100 Köpfe zählenden
Gesellschaft. Am Bahnhof von Herrn Menzer freundlichst
empfangen, wurde von ihr zunächst dem Transitkeller, wo Pro-
ben der verschiedenen griechischen Weine kredenzt wurden, ein
Besuch abgestattet. Hierauf begab man sich in die Stadt zur
Besichtigung der Kellereien und Geschäfislokalitäten und dann
in die Villa des Gastgebers, wo in den weiten Keller-
räumen ein reich besetztes Buffet aufgeschlagen war und die
kredenzten vorzüglichen Mosel-, Rhein-, Pfälzer- und Schaum-
weine die Feststimmung bald zu einer recht animirten machten.
Den Dank für die gastliche Bcwirthnng brachte Herr Dr. Ullrich
beim Abschied in einem Hoch auf Hrn. Menzer und seine Familie
zum Ausdruck. Nur eine Meinung herrschte darüber, daß die
Heidelberger Volksbank sich durch ihre Veranstaltungen bei allen
Theilnehmer» am Verbandstag ein dauerndes freundliches An-
denken an die Heidelberger Tagung gesichert und daß Herr
Konsul Menzer dieser durch seine liebenswürdige Liberalität einen
schönen Abschluß verliehen hat.
L. Die Liedertafel hier gab gestern Abend unter Mitwirkung
der hiesigen Militärkapelle im Bremcneck ein Garten-Concert,
das trotz der kühlen Witterung recht gut besucht war. Man
muß dem Verein Dank wissen, daß er einen besonderen Volks-
liederabend veranstaltete und damit den Beweis lieferte, wie sehr
ihm die Pflege des Volksliedes am Herzen liegt. Die im Pro-
gramm enthaltenen Chöre wurden geradezu mustcrgilttg vor-
getragen. Am besten gelangen: „Nun leb wohl", „In einem
kühlen Grunde", „Jetzt gang i ans Brünnele" und besonders
„Der Auswart" (von C. Weidt). Zur Erinnerung an den un-
längst verstorbenen H. Pfeil sang der Verein das zum Volkslied
gewordene „Still ruht der See". In dem „Lobgesang auf
Heidelberg" („Heidelberg du Jugendbronnen"), einstimmiger
Männerchor mit Orchesterbegleitung, instrumentirt von Fr. Rosen-
kranz, hatten die Sänger eine leichte Aufgabe; leider war die
Blasmusik zu stark. Die Militärkapelle, die unter andern auch
einige rolksthümliche Stücke sehr hübsch spielte, half das Concert
wesentlich verschönern. Dem strebsamen Verein mit seinem
tüchtigen Dirigenten sei auch an dieser Stelle für den wohl-
gelungenen Volksliederabend Lob und Anerkennung gezollt.
O Altkatholische Gemeinde. Der rühmlichst bekannte a l t-
katholtsche Ktrchenchor Karlsruhe unternimmt Sonntag
den 18. d. M- seinen Sommerausflug nach Heidelberg und wird
den Gottesdienst in der HeUiggeistchorktrche durch einige Lieder
verherrlichen. Der Gottesdienst beginnt wie gewöhnlich um halb
10 Uhr. Rach demselben Besuch des Schlosses und Zusammen-
kunft in der dortigen Restauration. Um 1 Uhr gemeinsames
Mittagessen im oberen Saale des Hotel Adler; nach demselben
Spaziergang, dessen Ziel noch der Vereinbarung unterliegt. Die
Mitglieder der hiesigen altkatholischen Gemeinde und Freunde
der Sache, welche am Mittagessen theilnehmen wollen, sind ge-
beten, sich Tags vorher im Hotel Adler anzumelden.
8. Schloß-Concert. Die Besucher des Schloß-Conccrts am
Dienstag Nachmittag wurden durch ein besonders schön und
interessant zusammengestelltes Programm erfreut. In demselben
war u. A- auch das „Ave Maria" für Cello und Harfe von
Schubert verzeichnet; das Zusammenspiel der beiden Solisten,
Herrn Hübner (Harfe) und Herrn Raimund Wolf (Cello), entzückte
die Zuhörer so, daß den Künstlern großer Beifall zu Theil
wurde. Dem Herrn Musikdirektor Paul Radig wäre man für
die Wiederholung speziell des Dienstags-Programmes an einem
der nächsten Abend-Concerte auf dem Schlosse sehr zu Dank
verpflichtet.
— Plötzlich verendet. Ein Fuhrmann von hier wollte gestern
Nachmittag eine Fuhre Kies nach der Hirschgasse fahren; plötzlich
fiel sein Pferd um und verendete; es hatte einen Werth von
300 Mark.
— Polizeiberichr. Ein Handlungsgehilfe wurde gestern
wegen Ruhestörung, Sachbeschädigung und Widerstands verhaftet,
ebenso ein stellenloser Koch sowie ein Taglöhner wegen Falsch-
spielens und ein weiterer Taglöhner wegen Ruhestörung. Sechs
Studenten und zwei Arbeiter kamen wegen Ruhestörung und ein
Viehhändler wegen Thierquälerei zur Anzeige.
A Eppingen, 13. Juni. Nächsten Sonntag, den 18. d., be-
geht die hiesige freiwillige Feuerwehr ihr 52jähriges
Jubiläum, nachdem vor zwei Jahren die Feier des 50jährigen
durch das schwere Hagelunwetter vereitelt worden war. Alle
Vorbereitungen zu dem Feste sind bereits getroffen und man
erhofft bei gutem Wetter die Ankunft vieler Gäste.
Mannheim, 14. Juni. In der Frage der Uebernahms des
Kaufhauses durch die Stadt behufs Umwandlung desselben
in ein Rathhaus ist nunmehr ein Vertrag zwischen dem Großh.
Finanzministerium und dem Stadtrath zu Stande gekommen, der

dem Bürgerausschnß zur Genehmigung unterbreitet worden ist.
Nach diesem Vertrage zahlt die Stadt als Entgelt für die Ueber-
nahme oes staatlichen Theiles des Kaufhauses an den Staat
1 Million Mark und stellt außerdem in der Bismarckstraße 8 6
ein 3459 Qm. großes Terrain zur Erbauung eines neuen Bezirks-
amtsgebäudes zur Verfügung und zwar völlig kostenlos. Der
Staat dagegen überläßt andererseits das Hoftheatergebäude, dessen
Besitzverhältnisse mit dem Kaufhaus zui -mmenhängen und b'sber
völlig unklar waren, der Stadl als Eigenthum, jedoch übcrnimmr
dieselbe die Verpflichtung, daß das Gebäude oder ein auf dem
gleichen Terrain entstehender Neubau nur zu Zwecken der Kunst
und Wissenschaft verwendet werden darf. Wird das jetzige Thearer-
gebäude niedergerissen oder durch Brand zerstört und kein Neubau
ausgestellt, dann ist das Terrain zur Anlegung einer Anlage zu
benutzen, die die Stadt zu erreichten und zu erhalten hat. Im
Falle der Zerstörung des Theatergebäudes durch Feuersbrunst
erhält die Stadl die Versicherungssumme zur Erbauung eines
anderen Gebäudes. Der Staat verpflichtet sich ferner, den Zu-
schuß zum Theater in Höhe von 23000 Mark für die nächsten
60 Jahre weiter zu zahlen. An der Genehmigung dieses Vertrages
durch den Bürgerausschuß ist nicht zu zweifeln. In der Vorlage
des Stadtraths wird noch mikgetheilt, oaß die Frage noch nicht
entschieden ist, ob das Kaufhaus niedergerissen werden soll, um
einen vollständigen Rathhausneubau zu erstellen, oder ob man
das jetzige Kaufhaus einem Umbau unterziehen wird. Im Auf-
träge des Stadtraths werden ein Ren mu- und ein Umbau-Projekt
ausgearbeitet.
ch Mannheim, 14. Juni. Böse Mißstände in einer hiesigen
Bäckerei enthüllte eine heutige Verhandlung vor der hiesigen
Strafkammer. Die Grundlage der Verhandlung bildet eine
Privatbelcidigungsklage, die der Bäckermeister F. Häfner hier
gegen seinen früheren Gehilfen Kilian Ballweg angestrengt hatte,
weil dieser ihn in öffentlicher Versammlung und in einer öffent-
lichen Wirtschaft der gröblichen Unreinlichkeit beschuldigt hatte.
Das Schöffengericht hatte als erste Instanz den Wahrheitsbeweis
hinsichtlich der dem Häfner vorgeworfenen ekelerregenden Hand-
lungen im Allgemeinen für erbracht gehalten und den Angeklagten
Ballweg nur wegen einer formalen Beleidigung zu einer Geld-
strafe von 4 Mark verurteilt. V« der Kosten wurden dem Be-
klagten Ballweg, V« dagegen dem Kläger Häfner auferlegt- Häf-
ner legte gegen dieses Urteil Berufung ein, sodaß heute nochmals
eine umfassende Beweisaufnahme stattfand. Angesichts des un-
appetitlichen Themas stellte der Vorsitzende des Gerichtshofes,
Herr Landgerichtsdirektor Ullrich, die scherzhafte Frage, ob nicht
Ausschluß der Oeffentlichkeit beantragt werde. Es wurde in der
heutigen Verhandlung durch Zeugen festgestellt, daß Bäckermeister
Häfner an der Hand einen ekelerregenden Ausschlag besaß und
infolgedessen seine Hand mit einer Salbe bestrichen hatte. Die
Hand habe er vor dem Teigmachen in einem Kübel abgewaschen,
dessen Wasser dann zum Brodbacken verwendet worden sei. Ferner
konnte nicht bestritten werden, daß die beiden in der Backstube
befindlichen Wasserkübel, von denen der eine Wasser zum Waschen,
der andere Wasser zum Teigmachen enthielt, leicht verwechselt
werden konnten. Da somit die Behauptung Ballwegs über die
mangelhafte Reinlichkeit in der Bäckerei Hafners im Kern als
wahr erachtet werden mußt, wurde die Berufung als unbegründet
verworfen.
8. II. Karlsruhe, 13. Juni. In der letzten Stadkrathssitzung
war beschlossen worden, dem G e w e r ks ch af t s k a rte l l den
großen Saal der Festhalle zu einer öffenUichen Berathung des
Gesetzesvorschlags betr. den Schutz der Arbeilswilltqen zu über-
lassen unter der Bedingung, daß diejenigen Rücksichten gewahrt
werden, welche die Benützung eines städtischen Lokals als nolh-
wendig ericheinen läßt und daß insbesondere der betreffende Ge-
setzentwurf nicht als „ZvchthauSoorlage" bezeichnet werde. Nach
den Artikeln, die in Nr. 95 des Volksfreund über die geplanre
Versammlung erschienen sind, mußte angenommen werden, daß
die vom Stadtrath gestellten Bedingunqen nicht erfüllt werden
wollen oder können. Der Stadtrath beschloß daher in der heuti-
gen außerordentlichen Sitzung, die Abgabe des Lokals zu v er-
jag e n,
Freiburg, 14. Juni. Der Stadtralh ist mit der Militärbe-
hörde einen Vertrag eingegangen, wonach er den Platz für ein
Artilleriekasernement erwirbt und das Kasernement auf
städtische Kosten erstellen läßt. Die Militärbehörde zahlt eine
Pacht, die nebst der Verzinsung eine mäßige Amortisirung des
Aufwandes gestattet. Das Pachtverhältniß gilt auf 25 Jahre.
X Patentbericht für Baden vom 6. Juni 1899, mttgetheilr
von dem Internationalen Patentbureau C. Kl eher in
ztarlsrnhe. (Auskünfte ohne Recherchen werden den Abonnenten
dieser Zeitung bei Einsendung der Frankatur gratis ertheilt.)
a. Patent-Anmeldungen: §. 11501. Maschine zum
Sättigen von Flüssigkeiten mit Gasen, insbesondere von Wasser
mit Kohlensäure. Gustav Frieß, Karlsruhe, Klaubrechtstraße 26.
Vom 13. Januar 1899. — b. Gebrauchsmuster-Ein-
tragungen: Nr. 115916. Künstlicher Zahn, dessen Be-
festigungsstifte mit in der Zahnmasse eingebetteten Platin-Hülsen
verlöthet, verkittet oder in ähnlicher Weise verbunden sind.
Fr. Ang. Wienand, Pforzheim. Vom 21. Mai 1899. —
Nr. 116062. Auf zwei Kugelreifen gelagerte Anheberolle an un-
sichtbarem Gestelle für Thürcn bei mit Teppichen belegten Fuß-
böden. Carl Trapp, Karlsruhe, Herrenstraße 46. Vom 4. Mai
1899. — Nr. 115 823. Pferdestriegelhalter für auswechselbare
imprägnirte, die auswechselbaren Slifte vor Oxydation schützende
Holzeinsätze mit zusammenlegbarem, durch Riemen gebildetem
Aufhänger und Handgriff. Hermann Eisen, Wintersdorf. An- ,
gemeldet am 21. April 1899. — Nr. 115 987. Aus Draht be-
stehender Gepäckträger für Fahrräder und dergl. mit durch Hebel
breinflußter Festklemm, orrichtung. Arthur Moser, Durtach. Vom .
27. Mär, 1899_
Eingesandt.
Heidelberg, 15. Juni. Bei der aitcn Brücke ist ein Kind ,
innerhalb sie, zehn Tage» zw eima l von Rad l e rn überfahren l
worden. Wer sich die Localität vergegenwärtigt, der wird sich
darüber kaum wundern; er wird sich eher darüber wundern, daß
nicht täglich ein Unglück geschieht. Wenn die Radler von der s
Brücke bergab in die Stadt hereinradeln, dann ist ihnen die ,
Aussicht nach rechts und links durch die Ärückenthürme verdeckt ;
und ebenso können die Kinder, die in der Nähe der Brückenthürme l
spielen, sie nicht sehen. Gewöhnlich biegen die Radler gleich ,
rechts ab, um auf den Staden zu gelangen. In dem Moment
erst, da sie um den Thurm Herumbiegen, vermögen sie wahr- >
zunehmcn, ob sich Jemand auf ihrem Wege befindet, und da ist, j
wie das angeführte Beispiel zeigt, die Zeit zum Klingeln und §
zum Ausweichen zu kurz, zumal da es immer bergab, also schnell,
geht. Es sollte deshalb angeordnet werden, daß die Radler ab- -
steigen, wenn sie von der allen Brücke aus sich in die Stadt
begeben. Durch eine entsprechende auf der Brücke angebrachte !
Inschrift wären die Radler auf diese Pflicht besonders aufmerksam §
zu machen.
Kleine Zeitung. ^
— In Heilbronn ist in der vergangenen Woche die Wittwe
des berühmten Naturforschers und Entdeckers der Mechanik der
Wärme Robert v. Mayer, Wiihelmine, geb. Cloß, im Alter
von 84 Jahren gestorben. )
— München, 14. Juni. Der Pnnzregent genehmigte, daß die ^
Büste Gabelsbergers in der bayerischen Ruhmeshalle an der j
Bavaria in München ausgestellt werde.
— Bonn, 12. Juni. Wie berichtet wird, ist die Villa
Martins in der Coblenzerstraße von dem derzeitigen Besitzer -
Professor Martins in Kiel für den Preis von 500000 Mark an
den Kaiser verkauft worden. Die Villa soll dem Kronprinzen
Wilhelm und später auch seinen Brüdern während ihres Besuches
der Bonner Universität zur Wohnung dienen. ,
— Dünkirchen, 13. Juni. Bei Baggerarbeiten am Hafen- '
eingang stieß man auf ein altes Kriegsschiff, das wahr-
 
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