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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 1 - No. 10 (1. Januar - 12. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0023

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Arger-
... Berkündiaungsblatt und Anzeiger
Sonn- und Feiertagen. «F
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
Haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem 's H -U- -G-
Humor. Repräsentanten „Der deutsche L -A- A. A «
Michel" bei. l

Abonnementspreis
sür Heidelberg: monatl. 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
Vierteljahr!. Mk. 1.- obue Austellgeb.
Znfertionsprcis: 10 Pf. für dsc 1-ipalt.
Petitzcile od. deren Raum. Fiir locale
Geschäfts- u.. Privat-nneigen S M.

4. .Heidelberg, Donnerstag, 5. Januar 1893.

Einladung imn Abonnement.
Im Anschluß an unsere, in den bereits ausgegebenen
Nummern gebrachten näbcrcn Darlegungen betreffs der
„Bürger-Zeitung", glauben wir, beute nur auf dieselben
nochmals Hinweisen zu brauchen.
Nachdemsich, wie mitgetbeilt, die „Bürger-Zeitung"
wider unser Erwarten einer
allgemein günstigen Aufnahme
erfreut, so daß die Abonnentenzahl bereits schon
eine Höbe erreicht hat, wie sie manches länger bestehende
Klatt nicht viel bedeutender aufwcist, glauben wir, nur
nochmals auf den
niedrigen Preis der „Bürger-Zeitung",
sowie auf den reichhaltigen Inhalt derselben Hin-
weisen zu müssen.
Der Preis der „Bürger-Zeitung" nebst der
Sonntagsbeilage „Der Erzähler" mit seinem humo-
ristischen Repräsentanten der
„deutsche Michel"
beträgt
monatlich nur 40 Psg.
mit Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mk.
obnc Zustellgebühr.
Als )nsertions Organ
dürfen wir die „Bürger-Zeitung" insbesondere em-
pfehlen, da wir hinsichtlich der Verbreitung unseres
Blattes auf bereits vorzüglicher Grundlage unablässig
fvrtarbeiten, aber auch allen uns Entgegenkommenden,
namentlich den Herren Geschäftsinhabern, stets ebenso mit
Entgegenkommen und billigsten Bedingungen
begegnen werden.
In Anbetracht dessen erlauben wir und, ergebenst
zum Abonnement einzulnden.
Bestellungen werden von der Post, sowie von unseren
Trägern beständig cntgcgengenommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

Militärvorlage und Steuerpläne,
ii.
Die Börsensteuer ist von den drei L.-Vorlagen die-
jenige, welche das große Publikum am sympathischsten
berührt. Die Börse zu besteuern bält man sür sehr
leicht, für sehr angebracht und für einträglich; aber da-
rüber nachgedacht, ob es richtig ist, Haven nur Wenige.
Ist doch die Börse für Viele überhaupt nicht nur
eine sehr überflüssige Einrichtung, sondern ein Gift-
gewächs, das man mit Rumpf und Stiel ausrotten
müsse. Das ist sie aber keineswegs und wenn sie, wie
so manches nützliches Institut auch ihre böseu Seiten
hat und wenn namentlich das Börsenspiel ebenso ver-
werflich ist wie das Spiel an und für sich, so ist so doch
heute bei unseren Verkebrsverhältnissen dringend noth-
wendig, als die Stätte der Preisregulirungen für alle
Maaren und Wcrthe, die in Masse produzirt und ge-
handelt «erden.
Bis in das kleinste Dorf und bis zu dem Bäuer-
lein, das nur einen einzigen Sack Getreide verkaufen
kann, würde es fühlbar werden, wenn die preiSreguliren-
den Börsen abgeschafft würden. Wer es erdächte, wie
man das Börsenfpiel, das reine Spiel, von dem soliden
Geschäft zu trennen oder zu beseikigen vermöchte, würde
sich ein großes Verdienst erwerben und wenn nur die
Trennung gelänge, dann würde man durch hohe Steuern
das Spiel auch beschränken oder beseitigen, vielleicht aber
auch nur in andere Wege, und wer weiß ob gerade bessere,
leiten. Will man ulso vav Börsengeschäft allgemein, wie
die Vorlage beabsichtigt, höher besteuern so trifft man nicht
nur das Spiel, ja vielleicht dies nur ganz wenig, man
trifft das solide Geschäft, und das konsumirende Volk
muß am Ende die höbere Börsensteuer zahlen, wie es
die bohen Zölle und Verbrauchssteuern auch zahlt.
Das Spiel wird sich ins Ausland, an fremde Börsen
flüchten, wo die Steuer niedriger ist und das Reich bat
nichts davon.
Beim Börsengeschäft in Obligationen, Acticn und
dergleichen ist fcstgestellt, daß 60«/» die kleineren Kapi-
talisten ttifft, 2OPo ircht Geschäfte zwischen 4 und
10 000 Mk. und erst der Rest entfällt auf die großen
Umsätze.
Nun ist ja ganz richtig, daß immerhin, da nur Be-
sitzende getroffen werden, feien es auch kleine Kapita-
listen; aber gar mancher kleine Kapitalist mach! mit,
wenn man sich über bobe Börsensteuer freut; aber er
zahlt selbst mit an dieser Steuer und denkt nicht daran.

Anders ist es bei der Branntweinsteuer. Die Brannt-
weinsteuer trifft vorzugsweise die untereu Klassen und
wenn auch bei uns im Lande bei weitem nicht so viel
Schnaps getrunken wird, als im Norden, getrunken wird
welcher und er wird verthcuert, wenn die Steuer noch-
mals — wie die Vorlage lautet — Um 5 Mk. pro
Hektoliter erkvht wird.
Bei der Branntweinsteuer kommt aber gauz besonders
in Bettacht, daß man lediglich, um die Hersteller wegen
des durch hohe Steuer zurückgehenden Verbrauchs zu
entschuldigen, die Mk. 50 Steuer rind die Mk- 70
Steuer erfand.
Mit einem Zuschlag von Mk. 50 Steuer kommt
kein Tropfen in den Konsum, das Publikum zahlt für
allen Branntwein die Mk. 70; die Brenner aber zahlen
nur Mk. 50 und streichen die Differenz von Mk. 20
folglich ein.
Niemals hat man so für einen Stand gesorgt, der
durch ein neues Gesetz oder eine neue Einrichtung im
Staate etwa in seinem Gewerbe geschädigt werden konnte
oder geschädigt wurde, als hier für die Branntweinbrenner
gesorgt wurde.
Als die Reichsregierung jetzt ein Viertel der soge-
nannten Liebesgabe zu Gunsten des Mehrbedarfs für
Heereszwecke einziehen wollte, waren die Brenner sofort
mit Protest bereit und hatten sofort Erfolge.
Auch unsere-badischen Brenner waren mit voran und
bebauptcten, cs sei ihr Ruin, wenn die Liebesgabe ge-
kürzt würde. Die höchste Liebesgabe in Baden und
relativ die hechitt u^ett-au^. Kezieyt die Brennerei Actieu
Gesellschaft Grünwinkel bei Karlsruhe und wir lassen es
dahin gestellt, ob Jemand Mitleid mit den armen Actien-
besitzern gehabt hätte, wenn die Liebesgabe vermindert
würde. Die guten Leute scheinen aber zu wissen, daß
sie aus die Dauer ihr Geschenk nicht behalten können
und arbeiten jetzt für ein Rohspiritusmonopol, weil sie
glauben, daß die Regierung ihnen dann stets einen festen,
guten Preis für ihr Product zahlte und sie auch der
Sorge wegen des Absatzes enthoben wären.
Wie die Brenner jetzt in Berlin stehen, würde ein
Robspiritusmonopol den Brennern gute Preise verheißen;
aber wird das ärmere Volk sich das immer und immer
länger gefallen lassen, daß man die reichen Großgrund-
besitzer mit ihren großen Brennereien begünstigt und ihm
die Last der Steuer zu Gunsten Jener anferlegt?
Die Biersteuervorlage, die in der Hauptsache eine
Verdoppelung der bisherigen Steuer in den norddeutschen
Brauereien bedeutet, wenn auch Abstufungen zu Gunsten

In schwerem Weröacht.
P Crimmal-Novellc
»on Reinhold Dittman«.
(Fortsetzung.)
In der That schien er auf allen Gebieten des öffent-
lichen Lebens vollständig bewandert zu sein, und die
lustigen und pikanten Geschichten, die er aus den höchsten
Kreisen von aller Herren Ländern zu erzählen wußte, ver-
fehlten besonders in der anmutbigen, artigen Gewandung,
die ihnen der Marquis zu verleihen wußte, nicht, aus die
männlichen wie auf die weiblichen Zubörer ihre Anzieh-
ungskraft zu üben.
Je größer die Fortschritte waren, die der Fremde in
der Gunst der Gesellschaft machte, desto unmuthiger wurde
die Stimmung des Assessors. Anstatt sich ebenfalls in
den Strahlcnkreis dieser neu aufgegangenen Sonne zu be-
geben, zog er sich bald in eine der tiefen Fensternischen
zurück, die durch eine der schwere Portwren fast vollständig
von dein hell erleuchteten Salon abgeschlossen, in ein trau-
liches Dämmerlicht gehüllt war. Hinter einer hohen
Gruppe erotischer Gewächse verborgen, schaute erträumend
hinaus in die laue, sternenklare Hcrbstnacht. Von fern
drangen die Klänge der eben begonnenen Tanzmusik an
sein Ohr; aber er fühlte, trotzdem er sonst ein leiden-
schaftlicher Tänzer war, kein Verlangen, ihnen Folge zu
leisten. Ganz in seine Gedanken vertieft, hatte er es
nicht bemerkt, daß nach ihm eine Dame und bald darauf
ein Herr in die Nische getreten waren, und der ihm wohl-
bekannte Klang ihrer Stimmen weckte ihn aus seinem
Sinnen auf. —

Niemand anders als der Marquis d'Hcrvilly und die
Gräfin Lauenfeld waren es, die sich in seiner unmittel-
baren Nähe mit gedämpfter Stimme lebhaft unterhielten.
Aue der Hast und dem selsamcn Ausdruck, mit dem sie
sprachen, war deutlich zu entnehmen, daß sie sich allein
und unbelauscht wähnten; die von der Pflanzengruppe
halb verdeckte Gestalt des Assessors war ihnen bei der
flüchtigen Umschau in der Dunkelheit jedenfalls entgangen.
Braunfels empfand das Peinliche seiner Situation mit
großem Verdruß. Es widerstrebre seiner offenen, edlen
Natur, den Horcher, wenn auch wider Willen, zu spielen,
und er sah doch ein, daß er sich von diesem Verdachte nicht
mehr, würde befreien können, selbst wenn er durch irgend
ein Zeichen seine Anwesenheit verrieth. Er drehte den
Sprechenden deßbalb den Rücken zu, legte die Stirn an
die Scheiben und gab sich alle erdenkliche Mühe, die kalb-
laut in französischer Sprache geführte Unterhaltung ganz
unbeachtet zu lassen; nichtsdestoweniger aber konnte eres
nicht verhindern, daß einige Brocken an sein Ohr schlugen,
die ihn in nicht geringem Grade befremdeten.
„So also hälft Dn das Versprechen, welches Du mir
damals gegeben, Gaston!" sagte die Gräfin, und das
Zittern ihrer Stimme verrieth die leidenschaftliche Erregt-
heit, welche sie beherrschte. „Hast Du mir nicht ge-
schworen, nicht eher wieder in meine Nähe zu kommen,
bis ich selbst den Wunsch darnach aussp ürde?"

Der Franzose stieß ein leises eynischc aus.
„Ich erinnere mich dessen noch ganz Stella,
aber Du wirst mein plötzliches Ersehe: ^reiflich
finden, wenn Du meine beiden Briefe g> t!"
„Ich habe sie gelesen!"

„Hättest Du ohne Weiters den Wunsch erfüllt, den
ich ihnen ausgesprochen, so wäre Dir meine Hieherkunft
vielleicht erspart geblieben. Du hast Dir die Verlegenheit
selbst zuzuschreiben'"
Eine kurze Pause folgte diesen Worten. Der Assessor
hörte das schwere Atkmen der Gräfin, die mühsam nach
Fassung zu ringen schien, dann vernahm er, daß sie dem
Marquis mit bis zum leisesten Flüstertöne herabgedämpfer
Stimme etwas erwiederte, das er nicht verstand.
„Darüber zu verhandeln ist hier nicht der Ort! —
Geh' zu Deinen Gästen! — Wir sprechen uns morgen
weiter!"
Diese Worte hatte der Fremde in einem Tone bervor-
gestoßen, der seltsam kontrastirte mit der verbindlichen
Liebenswürdigkeit, die er vorhin im Saale zur Schau
getragen. Braunfels hielt, staar vor Ueberraschung, den
Atkem an, um die Antwort der Gräfin abzuwarten und
den Franzosen nöthigenfalls durch seine eigene Intervention
an die Pflichten der Höflichkeit zu erinnern: aber alles
blieb still, n.r das leise sich entfernende Rauschen eines
Kleides drang an sein Ohr, und als er sich nach einer
geraumen Weile umwandtc, war die Nische leer.
Ein Heer der sonderbarsten Gedanken durchzog sein
Gehirn. Er konnte nicht daran zweifeln, daß zwischen
diesen beiden Menschen ein Geheimniß bestand, das äugen
scheinlich eine furchtbare Last für die Gräfin war. Die
Abneigung, die er sogleich gegen den Marquis empfunden,
steigerte sich zu einem förmlichen Haß, für den er sich
selbst zwar keinen rechten Beweggrund anzuaeben vermochte,
der aber in immer höherem Grade wuchs, je mehr er
sich die einzelnen Momente der Scene vergegenwärtigt^
 
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