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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
No. 51 - No. 60 (1. März - 11. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0227

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K^II^Ab^^W ^1, tzMlIA

Berkündigimgsblatt und Anzeiger

Abonnementspreis
für Heidelberg: monatl. 4V Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogm
vicrteljährl. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Insertionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt.
Pctitzeile od. deren Ronin. Für locale
Geschäfts- u. Privatan,eigen 5 Pf.

Die,^Nürgerrritnns"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

55.

Expedition:
Hauptstraße 28.

Heidelberg, Sonntag, 8. März

Exvcdition:
Hauptstraße 25.

1893.

»W- Erstes Blatt. -MU
Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
beträgt
monatlich nur 40 Psg.
mit Trägerlohn.
Jedem Abonnenten, der sich als
solcher ausweist, ist das Recht
eingeräumt, monatlich je eine die
Bedürfnisse des Haushaltes betreffende
Anzeige (Familienanzeigen, Dienstboten-
gesuche, Wohnungsanzeige u. s. w.) bei
«ns aufzugeben. Diese Aufnahmen ge-
schehen stets unentgeltlich.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
auswärts durch die Poft innerhalb der Stadt durch unsere
Träger entgegengenommcn.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

Zur Finanzlage des Reiches.
Es ist nunmehr festgestellt, daß ganz abgesehen von
der Milttärvorlage und irgend welchen sonstigen neuen
Bedürfnissen das zweitfolgende Etatsjabr 1894/95 sich
um 21 Millionen Mark ungünstiger stellen wird, als
das Etatsjahr 1893/94, welches bekanntlich den Einzel-
staaten schon eine Erhöhung der Matrikularbeiträge um
36 Millionen Mk. bringt. Diese Verhältnisse ver-
schlechtern sich in den vier darauf folgenden Jahren noch
um weitere 28 Mill. Mk. neuer fortdauernder Ausgaben,
die schon heute feststehen (steigende Zuschüsse zu der Jn-
validitätsversichcrung, zu dem Militärpensionsfonds,
Zinsen der wachsenden Reichsschuld.) Dazu kommen die
ziffermäßig noch nicht zu berechnenden fortdauernden
Mehrausgaben in Folge der eingeleiteten Erweiterung der
Marine, des Wegfalls der Manqucments an Offizieren
und Unteroffizieren bei der jetzigen Friedenspräsenzstärke
und alle Mehrausgaben, welche aus der Weiterführung
des Besoldungsverbesserungsplanes für Beamte, für neue
Bedürfnisse der verschiedenen Verwaltungszweige aus der
Zunahme der Bevölkerung u. s. w. entstehen. An ein-
maligen Ausgaben sind für die nächsten Jabre schon jetzt

durch Anfangsraten etatisiert 286 Millionen Mk. Die
vollständige Kasernierung der jetzigen Friedenspräsens
würde außerdem 37 Mill. Mk. kosten.
Die beabsichtigte Heeresverstärkung kostet daneben außer
den dafür als fortdauernde Ausgaben in Ansatz gebrachten
64 Millionen Mk. und 2 400000 Mk. Schuldzinsen
für eine Anleihe zur Deckung der nächsten einmaligen
noch weiterhin bis zu 5 Millionen an Pensionen, so-
dann, zur dauernden Kasernirung der nicht in Baracken
untergebrachten Mannschaften 105 Millionen Mk.
An Mehreinnahmen gegenüber allen diesen mit Sicher-
heit bevorstehenden Mehrausgaben sind abgesehen von neu
zu bewilligtenden Steuern bei den eigenen Einnahmen
des Reiches nur zu erwarten etwa 10 Millionen Mk.,
welche die Zuckersteuer nach 5 Jahren und gänzlicher Auf-
hebung der Ausfuhrprämien bringen soll. Bei den Be-
triebsverwaltungen rechnet man außerdem auf ein jährl.
Wachsthum der Uebcrschüsse um 767 763 Mk. und bei
der Salzsteuer um 664 929 Mk.

jedenfalls für die Verkehrsanstalten große Wohlthaten
bringen wird, rein und vollständig durchgeführt wird,
damit entscheidende Erfahrungen hinsichtlich derselben ge-
wonnen werden und das Urtheil darüber nicht durch
Nebenumstände geirübt wird.
In diesem Sinne würde es, so wird im „Reichsanz."
gemahnt, im hohen Grade wünschenswerth sein, daß nun-
mehr thunlichst bald auch von den Gemeindebehörden
übreall auf Einrichtungen zum Zwecke einer gesicherten
zentralen Regulirung der öffentlichen Uhren im Anschluß
an die Eisenbahn-Ubrcn Bedacht genommen wird. Man
sollte meinen, daß diese Sachlage für diejenigen Unter-
nehmungen, welche sich bisher schon um die praktische
Lösung dieser Aufgabe verdient gemacht haben, einen An-
laß zu kulantester Betheiligung und zu geschäftlichem
Aufschwünge geben müßte, umsomehr als sich in zahl-
reichen Städten mit der Einführung solcher Einrichtungen
auch die Einführung mancher weiterer nützlicher Leistungen
elektrischen Schwachstrombetriebes verbinden ließe.

Einführung der mitteleuropäischen Zeit.
Die bevorstehende Einführung der mitteleuropäischen
Zeit in Deutschland, und zwar nicht bloß in allen Zeit-
angaben der Verkehrsanstalten, sondern auch im ganzen
bürgerlichen Leben, hat bei den betheiligten Behörden schon
den Anlaß zu Erwägungen über die Maßregeln gegeben,
durch welche die formale Einheitlichkeit der Zeitangaben
nunmcbr auch konffs-uent und volMndig zu verwirklichen
sein wü/den. Es liegt auf der Hand, daß nur durch
eine energische und einheitliche Durchführung der ge-
setzlichen Bestimmung in den Uhrenangaben, nämlich durch
die größtmögliche Sicherung der Uebereinstimmung der
Angaben aller öffentlichen Uhren im ganzen Lande, der
Fortgang der Geltung der alten Zeitangaben und die da-
raus hervorgehende Unsicherheit verhütet werden kann.
Insbesondere ist es auch klar, daß die noch immer be-
stehenden keineswegs unerheblichen Unterschiede der Uhren-
angaben an einem und demselben Orte jetzt noch viel
weniger als früher zu dulden sein werden, weil demnächst
besonders an den zahlreichen Orten, an denen die Unter-
schiede zwischen der neuen Einheitszeit und den alten
Ortszeiten nur wenige Minuten betragen, durch das
Hinzukommen von Uhrenfehlern die Unsicherheit darüber,
mit welcher von den beiden Zeitarten man es im be-
sonderen Falle zu thun hat, sehr belastend werden könnte.
Es liegt daher im Interesse aller (auch im Sinne der-
jenigen, welche an die dauernde Beseitigung der Orts-
zeiten nicht glauben,) daß die ganze Neuerung, welche

Deutsches Reich.
Berlin, 3. März. Dem russischen Botschafter Graf
Schuwalow, wurde heute die Antwort Deutschlands
auf die russischen Vorschläge wegen Abschlusses des
Handelsvertrags mit Rußland übergeben.
Berlin, 3. März. Die Militärcommiss ion
setzte di" Be-athung von 8 2 über die Kadres fort.
Der Kriegsminister General der Infanterie v. Kalten-
born-Stachau sprach sich gegen die Bennigsenschen
Vorschläge, betreffend die 173 unvollständigen Bataillone
und die Formirung derselben auf nur solange, als die
activen Dienstfußtruppen bei der Fahne ein- oder zwei-
jährige seien, aus. Die Bezeichnung der Bataillone als
unvollständige Ersatzbataillone sei ungeeignet. Ein
weiterer Vorschlag Bennigsens schaffe ein Provisorium.
Die Vorlage wolle einen dauernden Zustand. Reichs-
kanzler Graf Eaprivi griff wiederholt in die Debatte ein.
Die Benennung der Bataillone sei ein Recht des Kaisers.
Er lege den allergrößten Werth auf die Stützen der
vierten Bataillone im Kriege. Ihre Ausbildung bei der
zweijährigen Dienstzeir werde in gewisser Beziehung
leichter sein, als die der dreijährigen. Abg. Lieb er erklärte,
das Centrum halte an der bisherigen Friedenspräsenz fest.
Compromißvorschläge habe das Centrum nicht in der
Tasche. Fortsetzung morgen.
Luxemburg.
Luxemburg, 3. März. Dem Vernehmen nch ha^

Schrckscr^swege.
Novelle
3) von C. Fontane.
Nachdruck verboten.
(Fortsetzung.)
Mitten im Dorfe, vor einem hübschen massiven
Hause, welches der außen angebrachte Briefkasten als
Pvststation kennzeichnete, hielt der Wagen. Der Postillion
öffnete den Schlag.
„Vielleicht beliebt es den Herrschaften, hier ein wenig
auszusteigen," sagte er höflich, „wir halten hier eine
Viertelstunde."
Die junge Dame richtete einen fragenden Blick auf
'hren Reisegefährten:
„Glauben Sie, daß man hier etwas Warmes, eine
JUsse Kaffee oder dergleichen bekommen könnte? Es ist
b°ch empfindlich kalt."—
Dienstfertig stieg er aus dem Wagen und eilte in
°°s Haus.
„Es ist beißer Kaffee zu haben, mein Fräulein,"
weidete er zurückkehrend. Erfahrungsgemäß das beste
Jwärmungsmittel. Für die Qualität kann ich allerdings
"icht bürgen."
Sie erhob sich und sprang leicht aus dem Wagen,
ahne seine ihr als Stütze dargebotene Hand anscheinend
Werken zu wollen.
Verletzt trat Friedrich zurück.
Sie bemerkte es und blieb stehen.
»Ich danke Ihnen für Ihre Freundlichkeit, mein
-arr," sagte sie, ibn anblickend', mit ihrer tiefen wohl-

lautenden Stimme, hoffentlich werden Sie Ihren Ritter-
dienst dadurch vervollständigen, daß Sie mich in das
Haus begleiten."
„Gern," erwiderte er schnell versöhnt; er wagte es
aber, eine Ablehnung befürchtend, doch nicht, ihr den
Arm zu bieten.
Als sie in die Gaststube traten, war die Wirtbin
gerade beschäftigt, eine Tasse auf das eben aufgedeckte
Tischtuch zu stellen. Mit einem verständnißvollen Blick
auf das junge Paar eilte sie nach dem in der Ecke
stehenden Wandschrank und holte eine zweite.
Das ziemlich große, einfach aber sauber ausgestattete
Zimmer war leer, es schien überhaupt ausschließlich
nur für Passagiere und sonst etwa bevorzugte Gäste be-
stimmt zu sein.
Die junge Dame ließ sich hinter dem Tische auf
dem altmodischen Sopha nieder. Friedrich nahm ihr
gegenüber Platz. — Das Komische der Situation ent-
lockte ihr ein Lächeln, in welches er unwillkürlich ein-
stimmen mußte.
„Man scheint Sie hier nolens volons zum Kaffee-
trinken pressen zu wollen, Herr Reisegefährte! Das ist ein
schlechter Lohn für Ihre Galanterie."
„Ich müßte Ihnen darauf wohl mit irgend einem
Kompliment antworten," sagte er darauf heiter, „aber
verzeihen Sie meiner Unbeholfenheit, ich finde nicht das
Richtige."
Sie wehrte lächelnd ab.
„Dafür aber erlauben Sie mir," fuhr er fort, daß
ich mich Ihnen als Reise- und Tischgefährte wenigstens
vorstelle: mein Name ist Friedrich Kranz."

Sie verbeugte sich leicht:
„Ich beiße Frida von Brandau."
Die Wirtbin erschien mit einem einfachen Präsentir-
brett, aus welchem eine Kaffeekanne, Sahne und Zucker
standen.
„Die Herrschaften werden sich wohl selbst bedienen,"
sagte sie, indem sie Alles auf den Tisch stellte. „Mit
frischem Backwerk kann ich leider nicht dienen."
„Ich danke Ihnen," entgegnete Frida, „es bedarf
dessen nicht."
Sie streifte die Handschuhe ab und machte mit Grazie
die Honneurs des Kaffeetisches.
Der junge Mann fühlte sich diesem so schönen und
anmuthigen Wesen gegenüber seltsam befangen. Seine
Augen folgten den weißen Händen, als sie ihm geschäftig
die Tasse füllte und Sahne und Zucker darbot.
Das junge Mädchen bemerkte es und erröthete.
„Sie haben im Winter wohl selten Besuch, Frau
Wirthin?" wandte sie sich an diese.
„Das kann ich nicht sagen," war die Antwort. „Die
Post, welche täglich zweimal unser Dorf passirt, ist selten
leer, die Passagiere pflegen hier gewöhnlich ein wenig
auszusteigen und wie Sie, eine Tasse Kaffee zu trinken.
Deßhalb'bin ich auch stets darauf 'vorbereitet. — Die
jungen Herrschaften reisen wobt von Waldau aus noch
weiter?"
„O nein", entgegnete Fräulein von Brandau, „wir
bleiben in Waldau."
Die Frau schüttelte zweifelnd den Kopf, dann sagte
sie: „Ich dachte nur, weil ich die Herrschaften gar nicht
kenne. Ich bin in Waldau sehr bekannt."
 
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