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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 41 - No. 50 (17. Februar - 28. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0199

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Verkündignngsblatt und Anzeiger

Di« ,^8ürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

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4«. «.SLL-. Heidelberg, Samstag, W. Februar ».LÄL--. 1«SS.

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Die Arbeiterllttjilhttltng im Jahre 1892.
Noch sind es nicht zehn Jahre her, daß das erste
neuen Arbeiterversicherungsgesetze in Kraft ge-
lten ist — das Krankcnversichcrungsgesetz erlangte mit
Kem ersten Dezember 1883 Geltung — und schon haben
Ktt Ausgaben, welche auf Grund dieser Gesetze für die
Arbeiter gemacht wurde, eine Höhe erreicht, welche Staunen
Liegen muß. Ueber die Krankenversicherung des Jahres
f892 liegen abschließende Zahlen seitens des Kaiserlichen
statistischen Amtes noch nicht vor. Es ist nur ander-
!^it bekannt geworden, daß die beruflichen Krankenkassen
Jahre 1892 Ausgaben von insgesammt 108 Mil-
anen zu verzeichnen gehabt haben. Dagegen sind so-
hchl über die Unfall- wie die Jnvaliditäts- und Alters-
versicherung vom Reichs-Versicherungsamte die Endzahlen
das Vorjahr veröffentlicht. Was die Unfallversicherung
grifft, so sind allein an Entschädigungen für die
Arbeiter bezw. deren Angehörige, also für diejenigen Aus-
sen, welche den Arbeitern zu Gute kommen, 32,5

Millionen gezahlt worden. Im ersten Volljahre der be-
rufsgenossenschaftlichen Thätigkeit belief sich diese Aus-
gabe auf 1,9 Millionen. Versiebzelmfackt hat sich dem-
nach diese Ausgaben im Zeitraum von 7 Jahren. Die
Gesammtausgaben der Berufsgenossenschaften ist vom
Reichs-Versicherungsamte auf 54 Millooen berechnet.
Es treten bekanntlich zu den Entschädigungen für die
Arbeiter noch die Einzahlungen in den Reservefond, die
Kosten für die Unfalluntersuchungen, die Rechtsprechung,
die Verwaltung u. s. w. Für die Jnvaliditäts- und
Altersversicherung sind 84,3 Millionen Mark durch den
Verkauf von Versicherungsmarken aufgebracht. Außerdem
hat das Reich einen Zuschuß von 9 Millionen zu leisten
gehabt. Insgesammt werden deßhalb für die Jnvaliditäs-
und Altersversicherung 93,3 Mill, im Jabre 1892 auf-
gebracht worden sein. Berechnen wir demnach die
Summe der für drei Arbeiterversicherungszweige aufge-
brachten Ausgaben im Jahre 1882, so ergiebt sich ein
Posten von 108 -j- 54 -s- 93 oder 255 Millionen
Mark. Zweihundertfünfzig Millionen Mark sind also
im letztverflossenen Jahre für die Sicherstellung der
Arbeiter gegen die Unglücksfälle, welche sich aus Krank-
heit, Unfall, Jnvalididät oder Alter ergeben, aufgebracht
bezw. verausgabt worden. Zeigt die Höhe dieser Summe,
wie groß die Fürsorge für die Arbeiter in Deutschland
ist, so erhellt aus ihr freilich auch die ganze Armselig-
keit soeialdemokratischer Hetzereien. Die staatliche Arbeiter-
fürsorge, deren Last zum großen Tbeile die Arbeitgeber
zu tragen haben, hat den Arbeitern wenigstens Vortheile ge-
bracht, jene bisber noch keinen Pfifferling. Die Höhe
der Summe aiebt aber schließlich auch über die Leistungs-
fähigkeit unserer productiven Stände zu denken. In
keinem Lande der Welt wird auch nur annährend so für
die Nothfälle, in welche Arbeiter geratben können, gesorgt,
wie in Deutschland. Die productiven Kreise Deutschlands
tragen die Kosten dieser Fürsorge zu einem überwiegenden
Theile. Sie sind deßbalb im Wettbewerb mit den an-
deren Nationen auf dem Weltmärkte natürlich weit
schlechter gestellt als diese. Sie haben mit größeren Her-
stellungskosten zu rechnen. Gegenüber der Gefahr, welche
hieraus entstehen kann, ist cs durchaus nothwcndig, von
allen weiteren Versicherungsplänen Abstand zu nehmen
und erst einmal eine geraume Zeit hindurch mit den drei
vorhandenen Arbciterversichcrungszweigen Erfahrungen zu
machen.

Deutsches Reich.
Karlsruhe, 23. Febr. Das siebente Verzcichniß der
an den Reichstag gerichteten Eingaben führt wiederum
einige Eingaben aus dem Großherzogthum Baden auf.
Friedrich Schulz in Baden und Georg Winter zu Wiesloch
und Genossen bitten um Aufhebung des Jmpfgesetzes,
bezw. Beseitigung des Impfzwanges. Petitionen um
Beibehaltung des Jesuitengesetzes liegen aus Friedrichsfeld,
Weiler, Reiben, Durlach, Ebrstädt, Grömbach, Dührcn,
Waldangelloch, Hoffenheim, Sinsheim, Rohrbach, Dais-
bach und Steinsfurth vor. Die Kriegsinvaliden Gott-
fried Lebert zu Bruchsal und Genossen bitten um Er-
höhung der Pensionen und Unterstützungen der Militär-
invaliden.
Berlin, 23.Febr. Der Kaiser und die Kaiserin
sind heute Vormittag uach Neustrelitz abgereist. Dort
wurden sie bei ihrer um 12 Uhr 30 Min. erfolgten An-
kunft auf dem Bahnhof vom Großherzog, der Großher-
zogin, dem Erbgroßberzog und der Erbgroßhcrzogin em-
pfangen. Auf der Fahrt nach dem Schlosse wurden die
Herrschaften durch laute Hurrahrufe der Vereine, die in
den festlich geschmückten Straßen Aufstellung genommen
hatten, begrüßt. An der Ehrenpforte hielt der Bürger-
meister eine Ansprache an den Kaiser, eine der Ehren-
jungfrauen eine solche an die Kaiserin. Auf dem Schlosse
fand ein Frühstück statt. Die Rückfahrt ist auf 4 Uhr
angesetzt und um cU/2 Uhr sollte das Kaiserpaar wieder
hier eintreffen.
Berlin, 23. Febr. Die Militärcommission
bcrieth beute die bekannten finanzpolitischen Anträge
des Abgeorneten Richter. Der Antrag Richters
betreffs der durch die Heeresverstärkung entstehenden Ver-
mehrung der fortdauernden Ausgaben im Etat der Heeres-
verwaltung wurde mit einem Amendement des Abgeordneten
Buhl, wonach eine Steigerung der Penstonslast bis zu 5
Millionen in etwa 20 Jahren eintritt, angenommen;
ebenso wurde der Antrag Richters, wonach Mehrkosten
durch die Schaffung von Feldwaffendepots entstehen können,
genehmigt. Auch die übrigen Richterschen Anträge wurden
niit geringen Abänderungen, denen Richter zustimmte, an-
genommen. Der Antrag Richters, der den Jahresaufwand
zur Weiterführung des 1890 angelegten Besoldungsver-
hcsserungsplanes auf 7^ Millionen festsetzt, wurde von
Richter zurückgezogen.
Liegnitz, 23. Febr. Gesa mm terg eb niß der
Wahl: Jungfer (freif.) 10,667, Hertwig (Antisem.)
6586, Kübn (Soe.) 4952, Nothkirch (kons.) 1363
Stimmen.

In schwerem Weröncht.
Criminal-Novelle
von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
. Schweigend und tieferschüttert saben sich die An-
Zb'nden an. Der Staatsanwalt streckte Braunfels die
. and entgegen und hielt dieselbe lange mit festem,
achtem Drucke wort'oö umschlossen: dann wendete er
an Birkenfeld und sagte mit verrraulicher gedämpfter
Zinnie:
„Wie ich hoffe, war es ein regelrechter Zweikampf,
Doktor! — Ist er schwer verwundet? Wird man
Tragkorb rcquiriren müssen, oder kann er im
^hen befördert werden?
m „Ich will getrost die Verantwortung für das Letztere
m^chmen, Herr Staatsanwalt; die Verletzung ist nur
i'in , ""K die durch den Blutverlust bewirkte Schwäche
'u diesem Falle nichts zu bedeuten."
„'flbcr ich lasse mich nicht wcgschleppen wie ein Hund!"
lia,! Nützlich der Verwundete mit wild verzerrten Ge-
^zügen empor.
j, "Ich will nicht ins Gcfängniß, wenn Ferrolt nicht
apg, sagte d'Hcrvilly. — „Er soll seine Strafe
uZ s'aben, denn gerade er bat sie tausendmal mehr ver
W als ich!"
irrten seine glühenden Augen unheimlich im
umher, suchend nach dem ungetreuen Gefährten,
lau- ken Genossen seiner Schuld längst im Stiche ge-
' Katte, um sich selbst in Sicherheit zu bringen; und

als er ihn nirgends entdecken konnte, als er zu der
Ncberzeugung kam, daß es Ferrolt gelungen sein müsse,
zu entwischen, während er selbst dem sicheren Tode ent-
gegensetz;, sank er stöhnend zurück, in wilder ohnmächtiger
Verzweiflung den Boden niit den schlanken Fingern zer-
wühlend.
Ueberrascht von diesem unerwarteten, leidenschaftlichen
Ausbruch des Franzosen wandte sich Hellborn an den
Assessor.
„Sollte der Mensch irrsinnig geworden sein, Kurt?
Wem gelten diese Worte?"
„Wahrscheinlich diesem da," antwortete Braunfels
ruhig, mit der Hand auf den Fußweg deutend, auf wel-
chem soeben die Gestalten zweier Männer, der von dem
Staatsanwalt mitgebrachten Polizeibeamten, sichtbar wur-
den, in deren Mitte die jammervolle, zusammengeknickte
Gestalt Ferrolt's daherwankte.
„Ich sehe, das Glück begünstigt uns außerordentlich,
denn es wäre schade gewesen, wenn wir den Burschen
hätten entwischen lassen."
Das Geräusch der nahenden Schritte rüttelte auch
Duval wieder aus seiner verzweiflungsvollen Lethargie
empor- Ein Zug satanischer Freude zuckte um seine
schaumbedeckten Lippen, als er Ferrolt gewahr wurde,
und sich mühsam in die Höhe richtend, rief er mit gellen-
der Stimme:
„Haltet ihn fest! — Laßt ibn nichr entfliehen: denn
er ist mein böser Geist gewesen, er hat dreimal den
Tod verdient! Er ist's, der den Bankdirektor Duvergue
in Paris vor fünf Jahren ermordet und die Bank um
dreimalbunderttausend Franken bestohlen bat; — er ist's,

der mir das Gift gegeben hat für den Marquis d'Her-
villv und für den Grafen Lauenfeld; haltet ibn fest" —
rief er heftig, „ich will seinen Kopf vor dem meinigen
fallen sehen!"
Die der fremden Sprache wegen von den Polizisten
allerdings nicht verstandene Aufforderung waren in der
That nicht ganz überflüssig, denn als sich Ferrolt ver-
lachen und jede Hoffnung für die Zukunft abgeschnitten
sah, gewann die Verzweiflung über seine Feigheit die
Oberhand und mit einem wilden Fluche suchte er sich
loszureißcn und zu entfliehen. Wirklich gelang es ihm
auch, seine Arme zu befreien und einige Sprünge
vorwärts zwischen die Bäume zu thun: aber in der Hast
strauchelte er über eine Baumwurzel nnd stürzte zu Boden,
von wo ihn acht kräftige Fäuste im nächsten Augenblick
unsanft emporrissen.
„Bindet ihn!" befahl der Assessor; aber seine Worte
wurden übertönt von dem Schall eines Schusses, der
hinter seinem Rück.m gefallen war und einen der beiden
Verbrecher für immer der irdischen Gerechtigkeit ent
zogen batte.
Den durch Ferrolt's vereitelten Fluchtversuch veran-
laßten Moment des Unbeachtetseins hatte der Verwundete
benutzt, sich mit dem neben ihm liegenden Revolver, in
welchem noch eine Patrone gewesen war, eine Kugel durch
den Kopf zu jagen.
Dr. Birkenfeld kniete abermals neben ihm nieder,
griff nach seinem Puls und legte die Hand auf seine
entblößte Brust; dann richtete er sich zu cen Umstehenden
empor und sagte mit sehr ernstem Gesicht:
„Er ist todt!"
 
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