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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 91 - No. 100 (19. April - 29. April)
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Verkündigungsblatt und Anzeiger

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Heidelberg, Samstag, 2S. April

Expeditton:
Hauptstraße 25.

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täglich mit Ausnahme von
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^vnntagsnummer liegt ein Untcr-
""gsblatt, „Der Erzähler", mit dem
°r. Repräsentanten „Der deutsche
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Expedition:
Hauptstraße 25.

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WesteLungen
„Bürger-Zeitung" für die Monaie
Mai und Juni
ds^en fortwährend von sämmtlichen Postanstalten, Brief-
! und unfern Agenturen zum Preise von
UM- 97 Pfennig "MW
in'st Haus, sowie von unfern Trägern und
»gerinnen hier und der nächsten Umgebung zum
^>se von
nnr 40 Pfg. monatlich
^'Zegengenommen.
, Neu hinzutretende Abonnenten erkalten die „Bürger-
'mtung" bis Ende des Monats unentgeltlich.
_ Verlag der „Bürger-Zeitung".
Sind Kriege nothivendig?
Diese wichtige Frage haben erleuchtete Geister zu
«en Zeiten beschäftigt und sic gehört noch heute zu
brennendsten Streitfragen. Und gerade im
fflstnwärtigen Augenblick, da alle europäischen Staaten
Mchmäßig unter dem Drucke der Militärlasten seufzen,
« Bister Vaterland im Begriffe steht, zu der
Rüstung, unter welcher cs schon fast in die
icht, noch eine ganze Reihe weiterer Panzerstücke
^iladen, in diesem entscheidenden Augenblicke er-
^eint es doch angebracht, die alte Streitfrage wieder
^ufzurütteln: brauchen wir den Krieg?
.. Von den Vertheidigern des Krieges preisen die Einen
Nützlichkeit der Kriege an als Förderer der Industrie
^Nd als Damm gegen die Wogen einer Uebervöl-
^rung. Wie sich aber die Förderung der Industrie
höchstens auf die Kanon en-Jndustrie und verwandte
Zweige beschränkt, so ist doch auch der große Aderlaß
Dilles Völkermordes ein recht zweifelhaftes Recept gegen
fas Nebel der Entvölkerung. Die Anderen erklären den
strieg zwar nicht für einen nützlichen Factor im Völker-
yen, wohl aber für ein nothwendigeS und unvermeid
^ches Nebel. Diese Leute gehen von dem historischen
Factum aus, daß der Krieg von jeder und zu allen
Äfften die Grundbedingung des Völkerlebens gewesen
sffn. Daraus schließen sie nun, daß dies auch in aller
Äukunft bleiben werde und müsse.
Aber diese Schlußfolgerung ist nicht zwingend. Wie
heute noch im Völkerlebcn, so gab es ehedem auch im

Zweien
Mee b
auf;

An einem Knnr.
n>) Criminalgeschichte von Jenny Hirsch.
(Fortsetzung-)
„Halten Sie ein! Halten sie ein!" kreischte Lina,
ich kann es nicht ertragen!" Kreidebleich war sie zurück-
gesunken, es schüttelte sie wie Fieberfrost, klappernd schlugen
die Zähne auseinander, endlich brach sie in ein heftiges
Schluchzen aus-
Der Assessor betrachtete sie verwundert; hatte er ihr
doch Unrecht gethan, lebte in ihr dennoch ein wahres,
inniges Empfinden?
„Wie furchtbar!" stöhnte sie; „und es ist keine
Möglichkeit, die Bcjammernswerthe diesem Schicksal zu
entreißen?"
„Wenn sie schuldig ist, keine."
„Sie ist schuldig!" fuhr Lina auf, der in der letzten
Aeußerung des Assessors wieder ausgedrückte Zweifel em-
pörte sie; „sie hat die Strafe verdient, aber sie jammert
mich! Welch' entsetzliches Verbängniß," fuhr sie mit er-
hobenen Händen fort. „Ich durfte nicht schweigen, mußte
zu ihrer Anklägerin werden, das war ich Dir schuldig,
Du, mein hingemordeter Vater und Wohlthäter! Und
doch wird, so lange ich lebe, das Bild der unglücklichen
Vcrurtheilten wie ein Vorwurf vor mir stehen und meine
Tage vergällen."
„Die Zeit wird Ihnen darüber hinweghelfen," sagte
Werdenfeld.
„Die Zeit vermag es nicht allein, es bedarf dazu
auch des Zuspruchs der Freunde. Darf ich hoffen, daß

Leben der Individuen eine Zeit, wo alle Streitigkeiten
nach dem einfachen Coder des Faustrechts geschlichtet
wurden. Das Recht des Stärkeren war Gottes Urtbeil.
Und wie weit sind wir im Leben der Individuen heute
schon von diesem Standpunct entfernt, heute da uns
auch die harmloseste Selbsthülfc für strafbar gilt, und die
Fälle der erlaubten Selbsthülfc auf ein Minimum re-
ducirt sind. Warum sollten wir nicht auch einmal im
Völkerlebcn auf diesen Standpunct gelangen? Dann
gäbe es keine Kriege nichr. Und die Millionen an Geld
und Blut, welche jetzt noch der Nimmersatte Mars ver-
schlingt, würden, in den Dienst des Friedens gestellt,
hundertfältige Frucht bringen. Wahrlich ein Ziel, des
Schweißes der Edlen wcrth. Die Verwirklichung dieses
idealen Zieles hat aber eines zur nothwendigen Voraus-
setzung: die Schaffung einer Instanz, welche über den
Individuen steht und nicht nur die Machtsphären der In-
dividuen allgemein und in Streitfällen gegen einander
abgrcnzt, sondern auch vermöge ihrer Machtmittel im
Stande ist, den Widerstand der Individuen gegen ihre
Rechtsordnung zu brechen.
Ueber die Art und Weise, wie eine derartige Instanz,
ein solches Schiedsgericht durchgeführt werden soll, macht
ein Engländer, Sir Edmund Hornby, folgende practische
Vorschläge:
Die Nationen werden ihrer jetzigen diplomatischen
Gliederung (Großmächte, Mittel- und Kleinstaaten) zu
Folge in drei Classcn gethcilt. Jedes Land der
ersten Elaste ernennt ein ständiges Mitglied des inter-
nationalen Schiedsgerichts auf die Dauer von wenigstens
zehn Jahren. Der Sitz des Tribunals, welches in Per-
manenz erklärt wird, wird auf dem neuu'alcn Boden, »,u
besten in einen Schweizer Canton verlegt. Das Ge-
bäude des Tribunals mit allen seinen Pertinenzen wird
für exterritorial, die Mitglieder für unverletzlich erklärt
und mit allen Vorrechten der Gesandten bekleidet. Die
Mitgliedern sollen den Titel „Senatoren" führen
und ihr Rang soll der höchste sein nach dem eines Sou-
veräns. Um sie von allen politischen Einflüssen unab-
hängig zu machen, wird ihnen verboten, Gnaden-
bezeigungen irgend welcher Art, Titel, Rang, Orden oder
was sonst anzunehmen. Sie sind Niemanden unterthan
und müssen neun Monate des Jahres am Sitze des Ge-
richtshofes oder in einem Umkreise von höchstens 200
Kilometern von deniselben residiren. Das Land, welches
sie zu ihrem Wohnsitze erwählen, darf nicht ihr Geburts-
land sein. Uni die Mitglieder ferner auch materiellen
Beeinflussungen unzugänglich zu machen, soll ihr Ge-

Sic mir ein solcher sein werden?" fügte sie zögernd
hinzu und blickte ihm schüchtern, bittend in die Augen.
Der Assessor verbeugte sich; „ich stehe zu Befehl,
gnädiges Fräulein, nur fürchte ich, daß unsere Wege
auseinandergehen werden; ich bin um meine Versetzung
eingekommen und erwarte jeden Tag die Anweisung
meines neuen Wirkungskreises."
„Verspielt!" tönte es in ihr so laut, als hätte ihr
Jemand das Wort zugerufen, äußerlich blieb sie ruhig.
„Wir fühlen das gleiche Bedürfniß des Ortswechsels,"
sagte sie sanft, „ich beabsichtige in nächster Zeit auf
Reisen zu gehen, aber die Menschen sind ja nicht bloß
beieinander, wenn sic in einem Orte leben. Versprechen
Sie mir, daß Sie mich von sich hören lasten."
„Wenn es Ihnen dann erwünscht ist, so stehe ich
zu Diensten."
„Ehe wir uns trennen, hoffe ich Sie aber noch öfter
zu sehen," fuhr sie fort, „deßhalb verzeihen Sie, wenn
ich Sic bitte, mich jetzt zu verlassen. Ich fühle mich
furchtbar angegriffen, und morgen ist ein Tag, der über-
menschliche Kraft erfordert."
Sie reichte ihm mit einem huldvollen Lächeln die
Hand und entließ ihn in der Haltung einer Königin.
Kaum hatte sich aber die Thür hinter ihm geschlossen,
so verzerrten Zorn und Haß ibr Gesicht beinahe bis zur
Unkenntlichkeit!
„Er liebt sie noch, er glaubt an ibre Unschuld!"
rief sic mit dem Fuße stampfend; „die Verbrecherin, die
Gefangene triumphirt noch über mich. Weg, albernes
Mitleid, thörichte Bedenken; sie oder ich. Dieser Schemen
darf meinen Weg nicht länger kreuzen, nur eine kleine

halt auf Mindens 250 000 Franken jährlich festgesetzt
werden, während ihnen nach Ablauf ihrer Amtszeit eine
Pension von 75 000 Franken zustehen soll. Die ge-
sammten Kosten sollen durch Umlagen aufgebracht werden,
und zwar bezahlen die Mächte zweiter und dritter Elaste
je die Hälfte bezw. ein Drittel der Beiträge einer Groß-
macht. Sir Edmond Hornby berechnet, falls 20 Mächte
beitrctcn, die einmaligen Ausgaben auf 50 Millionen,
den jährlichen Etat auf fünf Millionen Franken.
Eine wie geringe Summe im Vergleiche zu den
Opfern, welche der bewaffnete Frieden heute den
Nationen auferlegt, und noch geringer, vergleicht man sie
mit den Kosten auch nur eines einzigen Krieges.
Diesem Schiedsgericht unterliegen alle Streitigkeiten
der Vertragsstaaten, welche die gewöhnlichen
diplomatischen Mittel nicht beilegen können. Die
diplomatischen Beziehungen dürfen während des Schieds-
processes nicht mehr abgebrochen werden, Kriegsvor-
bereitungen nicht getroffen werden. In dringenden Fällen
soll ein Comiro des Schiedsgerichts durch eine einst-
weilige Anordnung einen moäus vivsncii schaffen,
welcher bis zur definitiven Entscheidung des Schiedsge-
richts Gültigkeit hat. Die streitenden Parteien können
ihre Gründe und Anträge schriftlich oder mündlich vor-
bringen, auch soll dem Tribunal die Befugniß zustehcn,
die Vorlegung öffentlicher Aktenstücke und überhaupt aller
Beweismittel zu verlangen, welche es für erforderlich er-
achtet.
Ein höchst eigenthümliches Verfabren schlägt Hornby
für die Beschlußfassungen des Tribunals vor. Um jed-
weden physischen und psychischen Einfluß auszuschließen,
wird- eine Ar^ Elausiir eingerichtet. Jeder Richter giebt
zunächst sein Votum schriftlich ab, olme die Ansichten
der College» zu kennen. Nach Abgabe seines Votums
erhält er eine Abschrift der übrigen Voten, jedoch ohne
Namensnennung der einzelnen Verfasser. Will er da-
nach sein Votuni modificiren, so ist ihm dies gestattet.
Das Urtheil wird sodann nach Stimmenmehr gefällt.
Für den Fall, daß die Verarbeitung der einzelnen Voten
der Majorität in ein einheitliches Urtheil auf besondere
Schwierigkeiten stoßen sollte, ist ein besonderes Verfahren
vorgesehen. Mit der Zeit würde sich aus dieser Jndicatur
ein reicher Schatz von Rechtsgrundsätzen entwickeln, welcher
die Rechtsprechung zu einer immer konstanteren machen
würde.
Man sieht, das Alles ist recht schön gedacht, bis zur
praktischen Durchführung dieses Projektes aber dürfte noch
ein weiter Weg sein, zum mindesten wird dafür aus nur

Weile Geduld; wer lebt, wird sehen, und der Lebende
hat Recht."
Während dessen führte auch der Assessor auf seinem
Wege durch den Park nach der Stadt ein Selbstgespräch.
„Und sie ist doch eine Heuchlerin, eine Schauspielerin,"
war der Schluß desselben, „vielleicht gar eine wissentlich
falsche Anklägerin. Wo ist der Faden, der aus diesem
Labyrinth führt? Wird er sich nicht finden? Unglückliche
geliebte Johanna, muß ich unthäüg zuschauen, wie Du
unschuldig verurtheilt, nach aller Form Rechtens gemordet
wirst?"
X.
Der große Saal, in welchem die Schwurgerichtsver-
handlüng stattfinden sollte, war lange vor deren Eröff-
nung drückend voll, und die Thürsteher mußten später
herbeiströmende Neugierige abweisen. War das Interesse
an dem merkwürdigen Rechtshandel im Publicum während
der langen Voruntersuchung schwächer geworden, so war
es beim Herannahen der öffentlichen entscheidenden Ver-
handlung in verdoppelter Stärke wieder aufgelebt.
Die einleitenden Formalitäten setzten wie gewöhnlich
die Geduld der Zuschauer aus eine harte Probe, und
nur mit Mühe wurde die erforderliche Ruhe aufrecht
erhalten, als aber die Angeklagte herbeigeführt ward und
auf der Anklagebank hinter ihrem Vertheidiger Platz
nahm, entstand ein Flüstern und Bewegen in der Ver-
sammlung, das sich nicht unterdrücken ließ, und erst er-
starb, als der Präsident die üblichen Fragen an die
Angeklagte richtete.
Johanna antwortete mit fester, aber tonloser Stimme,
wie Jemand, der nach Dingen gefragt wird, die ihm
 
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