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Die,^8ürgerzeitun«"
erscheintZäglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummcr liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.
Verkündigmrgsblatt rmd Anzeiger
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Heidelberg, Sonntag, 21. Mai
18S3.
Expedition:
Hauptstraße 23.
Expedition:
Hauptstraße 28.
AM- Der Pfingstfeiertage wegen er-
scheint die nächste Nmnmer Dienstag.
DE- Erstes Blatt. "WU^
HPngsten.
Wie herrlich leuchtet mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne! Wie lacht die Flur!
Es dringen Blüthen aus jedem Zweig,
Und tausend Stimmen aus jedem Gesträuch.
Und Freude und Wonne aus jeder Brust-
O Erd', 0 Sonne! O Glück, 0 Lust!
Das fröhlichste, das lichtvollste der Feste ist wieder bei
uns eingekehrt und mit ihm der Frühling in's Land ge-
zogen mit seinem duftigen Schmuck, der über Höhen und
Tiefen, über Berg und Thal sich gebreitet. Wenn die
wieder verjüngte Erde mit ihren Knospen und Blüthen
der Menschheit ein „Freue dich, freue dich,," zuruft, so
gilt dies nicht allein als Lobpreisung der Natur, sondern
in erster Linie dem Schöpfer alles Werdens, alles Wachsens,
Blühens und Gedeihens, der über allem in unveränder-
licher Macht und unendlicher Güte thront.
Das Pfingstfest ist im Kranze der kirchlichen Feste das
schönste, und wenn schon ibm ein Symbol, wie cS zu
Weihnachten die Krippe im Stalle zu Bethleheni, zu
Ostern das dürre Holz des Kreuzes ist, und der Glanz
der Ostersonne, die gleich himmlischen Sicgesstrahlen zur
Erde hernieder scheint, nicht greifbar beigegeben ist, so
steht doch die ganze schöne Gottesnatur in ihrer Pracht
und Blüthe den beiden vorangegangen Festen in Nicht« nach.
Der Geist der Hoffnung ist ausgemacht; er erfüllt
niit neuer Hoffnung die zagenden Herzen und windet sich
u>ic ein grünes Reis um unseren Lcbensstab. Das Herz
suhlt sich freier, unbcengtcr, denn die Fülle der Gaben
bes heilig. Geistes werden Allen dargcboten, welche sich
Omstlich darum bewerben.
Und neben diesen Gaben allen, die die christliche
Aeligion uns bietet, weht es durch die ganze Natur wie
-lstaicnluft und Blütenduft. Jedes Blümlein im Garten
der Erde erzählt von seinem Schöpfer und dessen Fürsorge;
sollte er da nicht im Herzen des Einzelnen Frühling
werden, und der Frühling auch cinziehcn in die Kirche
Und Schule, in Staat und Haus? Sollte nicht der Geist des
Nichts im Volke lebendig werden, um zu erkennen, was ihm
Am Besten frommt? Aber die Welt lebt im Genuß,
Lositz, in Ehre und Waffenruhm, ideale höhere
^üter kommen in Vergessenheit. Die alternde
Gegenwart hat es verlernt, recht und tief zu empfinden.
Da wäre zu wünschen, daß man edlerem Streben sich
zuwende, das Herz sich mehr für das Gute und Schöne
erwärme und der Verstand uns mehr und mehr erleuchte;
dann wird sich unseres Inneres zu guten Thaten ver-
anlaßt fühlen und schönere Tugenden werden in unserm
fruchtbar angelegten Lebensgarten sich entfalten.
Ja, der Geist des Lichts muß bei uns einkehren und
mit ihm der Geist der Erken ntniß und des
Friedens. Unser deutsches Volk muß erkennen lernen,
nach welcher Richtung hin der Geist der Erkenntniß es
treibt, der Pfingstgeist möge seinen Verstand erleuchten,
sein Herz bewegen, damit es bei seinen zukünftigen Ge-
schicken nach rechter Erkenntniß handle.
Geist der Liebe, brause nieder,
Streue deine Funkensaat
In die Menschenherzcn nieder;
Lasse göttlich hohe That
AuS den göttlichen Ideen
Weltbewegend neu erstehen.
Setz' in Deinem Feuerregen
All' die hohle Spreu in Brand,
Die da wuchert allerwegen,
Wo der goldne Weizen stand;
Tilge die Schmarytzerranken
Stolzer, sündiger Gedanken-
Flammenzungen lasse schweben.
Die mit ihrer heil'gen Gluth,
Unser mattes Wort beleben,
Unser Herz mit hohem Muth,
Daß wir ohne Furcht und Beben
Stets der Wahrheit Aeugnitz geben.
Geist der Liebe, brause nieder
Lasse deinen Flügelschlag,
Ob den Wassern rauschen wieder
Wie am ersten Schöpfungstag,
Ans chaotischem Verwüsten
Eine neue Welt zu rüsten-
Deutsches Reich.
Freiburg, 19. Mai. Der Erbgroß Herzog und
die Erbgrcßherzogin sind mit Begleitung heute
früh kurz vor 5 Uhr zu definitiven! Aufenthalt aus
Berlin hier eingctroffen. Der Erbgroßherzog hat sich zu
militärischen Besichtigungen nach dem Elsaß begeben.
Morgen reisen die Herrschaften nach Karlsruhe, um über
Pfingsten daselbst zu verweilen. Auch die Kron-
prinzessin von Schweden kommt daselbst morgen
aus Italien an.
Berlin, 19. Mai. Die „Nordd. Allg. Ztg." ver-
öffentlicht einen Schriftwechsel zwischen dem französischen
Botschafter Herbette und dem Oberbürgermeister von
Danzig Dr. Baumbach in der Angelegenheit der Mit-
theilungen Baumbachs über eine angebliche Aeußerung
Herbettes, daß man von einem französisch-russi-
schenBündniß nicht sprechen könne. Herbette schreibt,
er wisse nicht, wann er Baumbach begegnet sei, jedenfalls
habe er niemand gegenüber eine derartige Aeußerung ge-
than. Er bedauere, daß er, der sich stets von den
inneren Angelegenheiten Deutschlands ferngehalten, in den
Wahlkamps hineingezogen worden sei. Baumbach er-
widert, er habe sich nach dem Essen beim Reichskanzler
Herbette als Viccpräsident des Reichstags vorgestellt.
Herbette habe bei den nachfolgenden Unterhaltungen jene
Äußerung gethan, er (Baumbach) bedauere, wenn die
beiläufige Mittheilung hiervon in einer Wahlversammlung
den Anlaß dazu gegeben habe, daß der Botschafter in
den Wahlkampf hineingezogen worden sei. Die „Nordd.
Allg. Ztg." fügt hinzu, Herbette habe in jenem Gespräch
Baumbach lediglich erwidert, er könne sich über diese
Frage nicht äußern.
Berlin, 19. Mai. Morgen Mittag 12 Uhr findet
im Stadtschloß zu Potsdam die Taufe des Sohnes des
Prinzen Friedrich Karl Leopold statt.
Schweiz.
Zürich, 19. Mai. In der von sämmtlichen schwei-
zerischen Eisenbahnen beschickten Konferenz des
schweizerischen Eisenbahn-Verbandes wurde
beschlossen, angesichts der landwirthschaftlichen Nothlage
den Eisenbahngesellschaften die sofortige Durchführung
der Ermäßigung der inneren Transporttarife für Heu,
Strob, Mais, Oelkuchen, Hafer und andere Futter-
mittel vorzuschlagen.
Frankreich.
Paris, 19. Mai. Betreffs der beabsichtigten Kammer-
Interpellation der Vorgänge vom 1. Mai verlautet, die
Regierung werde darin beschuldigt, Polizisten und Sol-
daten auf den Place de Rxpiiblique gestellt zu haben.
Duput wird die Behauptung energisch zurückweisen.
Paris, 19. Mai. In der gestrigen Kammersitzung
ersuchte der Abgeordnete Deloncle die Regierung um Mit-
teilung des gejammten Depeschenwechsels, der in den
letzten Jahren zwischen Frankreich und England über die
Frage der Räumung Egyptens stattgefunden. Der
Minister des Acußern Develle versprach, vor Schluß der
Tagung der Kammer ein Gelbbuch darüber vorzulegen.
Belgien.
Brüssel, 18. Mai. Die Uebergabe der goldenen
Rose an die Königin von Belgien findet am Tage des
Die Irrfahrt des Kevorrs.
Roman von C. Wild.
18ri (Fortsetzung.)
Ohne von Sohn oder Gatten Abschied zu nehmen, fuhr
^sorgiue davon, die staubige Landstraße entlang, die sich
Zs. ein weißes Band zwischen Wiesen, Wald und Feldern
Zyin schlängelte. An einem Kreuzwege ließ Frau vonDahlen
^'ten und stieg aus.
- „Warten Sie hier", sagte sie zu dem Kutscher, „ich werde
einer Stunde zurück sein." Ohne sich aufzuhalten, schlug
. evrgine einen schmalen Wiesenweg ein, der zu einem Buchen-
ide führte.
c Hier ging er ziemlich steil in die Höhe, dann senkte sich
Pfad wieder abwärts, und aus dem Walde tretend, sah
^vrgme die Roscnvilla vor sich liegen.
k Tie Rosenvilla, so benannt, weil die Vorderfront des
<Z"seS ganz von Flatterrosen bedeckt war, präscntirte sich
Z ein hübsches, einstöckiges Gebäude, dessen Rückseite von
er mitGranatbäumcn dicht besetzten Terrasse flankirt war.
Eine kleine Gartenanlage schloß sich daran, im Ganzen
das Haus mehr praktisch als schön gebaut, solid und
^"Uein, um auch im Winter angenehm wohnen zu können.
HI Villa lag gänzlich einsam, ein Umstand, der Herrn von
"lor, den fetzigen Bewohner derselben veranlaßt haben
«Oie, das Hans zu miethcn, denn er besuchte Niemand,
so wenig als er Jemand in der Roscnvilla empfing.
orau Georgine blieb eine Weile stehen und besah sich
hZirksam das Haus und dessen Umgebung. Kein Mensch
kZ zu sehen, die Villa lag wie ausgestorbcn da. Die Dame
?en Schleier über s Gesicht und ging langsam vorwärts,
skj ig und gemessen betrat sie das.HauS und mit der Sicher-
iZZwcr Frau, welche gewöhnt ist, überall gut empfangen
'Werden, öffnete sie die erste Thüre, die sich ihren Blicken bot.
^ie stand in einem Borsaale, dessen Einrichtung einfach.
aber gediegen war. Einen Augenblick wartete sie, dann ging
sie vorwärts und schob den schweren Samnitvorhang zurück,
welcher den nächsten Raum abschloß.
Sie befand sich meinen! Saale, dessen hohe Fenster-
thüren nach der Terrasse sührten. Halb herabgelassene Vor-
hänge verbreiteten ein Dämmerlicht, das über alle Gegen-
stände dunkle Schatten warf.
Frau von Dahlen konnte daher erst nach einer Weil« be-
merken, daß sich außer ihr noch Jemand in dein Saale be-
fand. Ans einem Lehnstuhle in der dunkelsten Ecke des Zim-
mers erhob sich eine hohe kräftige Männergestakt. Der lichte
Sommeranzng ließ die Eleganz der Bewegnngen, die Ge-
schmeidigkeit dc» muskulösen Glieder noch mehr hervortreten,
das vornehm blaffe Gesicht wurde von einem dunklen Voll-
barte umrahmt, durch das dichte, leicht gewellte Haupthaar
zogen sich einige Silberfäden, aber ihr blasser Schimmer
machte den Mann nicht älter, im Gegentheile, er vermehrte
nur noch da? Interessante seiner Erscheinung.
Molitor stand so, daß Frau von Dahlen seine Gesichts-
züge nicht deutlich erkennen konnte. „Ich sehe Herrn von
Molitor vor mir," fragte sie in hochmüthigem Tone, ihren
Schleier zurückschlagend.
Der Angeredete verbeugte sich stumm.
Frau Georgine fuhr mit kühler Ruhe fort: „Herr von
Molitor, Sie müssen mein Eindringen in Ihre Einsamkeit
entschuldigen, allein es handelt sich nm Wichtiges. Sie be-
sitzen eine Tochter, ich habe einen Sohn. Die beiden jungen
Leute lernten sich kennen und meinen nun einander zu lieben
— welche Pläne Sie mit Ihrer Tochter haben, weiß ich nicht,
ich habe schon über die Zukunft meines Sohnes bestimmt
und zn.»r anderweitig — ich kann daher meine Einwilligung
zu einer Verbindung mit Ihrer Tochter nicht geben."
Sie hatte in jenem hochfahrenden Tone gesprochen, der
ihr eigen war — ohne tim schweife Ivar sie auf ihr Ziel los-
gegangen, je schroffer und kürzer sie war, desto eher glaubte
sie die Sache erledigt — nicht einmal ihren Namen hatte
sie genannt, wozu auch? Wo sie „nein" sagte, blieb es doch
bei „nein".
Georgine wunderte sich, daß sie nicht sogleich Antwort
erhielt, unwillkürlich trat sie einige Schritte näher, da tönte
eine volle Stimme dicht vor ihr: „Nein, Georgine, Dein
Sohn kann nie der Gatte meiner Tochter werden."
Mt einem lauten Aufschrei taumelte sie zurück, ihr
schönes stolzes Antlitz war leichenfahl geworden. „Du, Du
lebst," rief sie entsetzt, „es ist nicht möglich, nicht möglich,
die Todten können nimmer auferstehen."
„Und doch," sagte Herr von Molitor lächelnd, „beruhige
Dich doch, Georgine, nun bist Du sicher, daß diese Dir un-
angenehme Verbindung nicht zu Stande kommt."
Sie wollte etwas sagen, das Gcheimniß verrathen, das
so viele Jahre stumm in ihrer Brust geruht, aber zu rechter
Zeit hielt sie an sich — dieser Mann sollte keine Waffe gegen
sie in der Hand haben. Georgine blickte stumm vor sich
nieder; äußerlich hatte sie ihre Fassung wiedergewonnen,
aber in ihrer Seele wogte ein heftiger Kampf. Sie, die sonst
so Starke, fürchtete sich! Sie fürchtete sich vor dem Manne,
der sie durch ein Wort verderben, ihre ganze Existenz ver-
nichten konnte.
Sie war in seiner Hand, in seiner Macht, was er über
sie beschloß, das mußte sie über sich ergehen lassen. Herr
von Molitor sah ihr lächelnd in's Gesicht. Es war das
Lächeln eines Mannes, der da weiß, daß sein Triumph ihm
sicher ist. Frau von Dahlen fühlte diesen Blick, wußte sie
doch selbst am Besten, wie ohnmächtig sie dem Manne gegen-
über stand, den sie längst tvdt wähnte.
Herr von Molitor brach endlich das eingetretene Schwei-
gen. „Du lebst hier, in dieser Gegend," sagte er, „und ich
gehe nicht fehl, wenn ich vermnthe, daßDureichgewordenbist."
Sie zuckte leise zusammen und ließ rasch ihren Schleier
herab. Oh, warum hatte sie nur die Schwede dieses Hauses