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Verkündigungsblatt nnd Anzeiger
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter- < e L.
halmngsblatt, „Der Erzähler", mit dem > -ß- -G- -tz 4- H Z»
Humor. Repräsmtantm „Der deutsche U -4- -4- A 4- ,
Michel" bei. >
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Heidelberg, Sonntag, 7. Mai
18S3.
Expedition:
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Mai und Juni
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Verlag der „Bürger-Zeitung".
KiMistkll und Apanagen in Deutschland.
Unsere Militärvorlage-Schwärmer, die sich bekanntlich
die finanzielle Mehrbelastung und um die Deckung
Kosten sehr wenig Kummer machen, die nur den
^andpunkt vertreten: Das muß einfach aufgebracht
Zrden! weisen gerne auf Frankreich hin und sagen:
'Wankreich bezahlt pro Kopf der Bevölkerung für Militär-
?Zfwand so und so viel, Deutschland nur so viel; folg-
kann die deutsche Bevölkerung noch weit mehr auf-
^'"gen, bevor wir so belastet sind, wie Frankreich. Der
^gleich trifft fast nach keiner Richtung zu. Frankreich
dfw vier Milliarden Mark Kriegsschuld zahlen können,
stjnx Finanzlage besonders zu verändern. Hätte
. Eutschland unter gleichen Bedingungen 4 Milliarden
^wn müssen, es wäre finanziell für längere Zeit zer-
. stet gewesen. Abgesehen davon, daß das Land Frank-
y'ch unvergleichlich mehr Reichthum hat und jährlich
spendet, bezieht Frankreich auch kolossale Reich-
„^er aus seinen Kolonien, während das Erträgniß
Wrer Kolonien und Schutzländer nur sehr gering ist.
Uh gänzlich unbeachtet läßt man aber in derGegen-
wstellung von Frankreich und Deutschland eine Art
^Belastung, die zu den historischen Eigentümlichkeiten
h deutschen Bolkes gehört, die man dagegen in Frank-
ist gar nicht mehr kennt, nämlich die Civi Nisten
s^ Apanagen für die regierenden deutschen Bundes-
hstwn und deren Anverwandte. Diese Summen sind
syAswegS so gering, wie man aus nachstehender Zu-
^"enstellung ersehen mag:
Gin Wiedersehen.
Novelle von Lucas.
sehe ihn noch heute, den schlanken, hochgewachsenen
^^'Ng mit dem feingeschnittenen Antlitz, den schönen
sieden Augen, der Denkerstirn und dem vollen, schwarzen
'iiu.^aare, wie er vor nun zwanzig Jahren in mein
Studentenstübchen trat und pch mir als Stuben-
mr und Studienkollege vorstellte.
glaubte einen adeligen Sprößling oder den Sohn
«b- Professors in dem neuen Kameraden vor mir zu
sehr zeichnete er sich schon durch sein Aeußeres
meisten Komilitonen aus, und ich war nicht wenig
! als ich erfuhr, daß mein vor Kurzem in der
Auiversitäts- und Handelsstadt L. erschienener Stu-
"r den einfachen Namen Reinhold Hoffmann
. ^,,sind der Sohn eines gewöhnlichen Bauern war.
wurden natürlich bald Freunde, wie es unter
Brauch hielten auch wacker zusammen,
sch mich mehr durch ihn angezogen fühlte, als er
Ach, denn Reinhold Hoffmann worein außergewöhn-
nvh s "sch, ging einen außergewöhnlichen Weg und
,, ^/ch deßhalb so leicht Niemanden an.
cherkte bald, daß ihm Leute gewöhnlichen Schlages
I sM'3 oder verächtlich waren und daß er sich nur
chc euterressirte, die etwas Besseres zu sein schienen.
^<i>lj^'gte dieser merkwürdige Mensch auch eine eigen-
Geistbsrichtung, vor welcher ich bald einen ge-
Respekt bekam ; denn während ich wie die meisten
^omililonen uns etwas daraus zu Gute thaten,
Bundesstaaten
Preußen
Bayern
Sachsen
Württemberg
Baden .
Hessen . . .
Sachsen-Weimar
Oldenburg .
Braunschweig
Sachsen-Meiningen
Civillisten und
Apanagen
15 719 296 Mk.
5 603 986 „
3 052 300 „
1 799 459 „
1 788 350 „
1 199 145 „
960000 „
225 000 „
1 125 323 „
784 736 „
608 255 „
750 000 „
291817 „
50000 „
34 207 667 Mk.
„ -Koburg .
„ -Anhalt .
Schwarzburg-Rudolstadt .
„ Sondershausen
Die Bundesstaaten Mecklenburg-Schwerin, Mecklen-
burg-Strelitz, Sachsen-Altenburg, Waldeck-Pyrmcnt, Reuß
ältere und jüngere Linie, Lippe und Schaumburg-Lippe
haben keine nach Ziffern festgelegte Civilliste; sie beziehen
einen Antheil der Erträgnisse aus dem Domänengut,
oder das Domänengut ist ihnen, wie in Anhalt, als
Eigenthum überwiesen. Sie beziehen also ein Einkommen,
welches sonst als Steuer-Einnahme gelten würde. Man
schlägt die Jahreseinkünfte für die benannten 8 Bundes-
fürsten nicht zu hoch an, wenn man sie auf 5 Millionen
beziffert. Demgemäß zahlt das deutsche Volk
an die 22 regierenden deutschen Fürsten
rund 40 Millionen Ma rkJahr es-Ei nkünfte.
ES wäre uns niemals in den Sinn gekommen, das
monarchische Deutschland mit der Nepublick Frankreich
in einen Vergleich zu stellen. Die beiderseitigen Ver-
hältnisse sind so verschiedenartig, daß man mit einer solchen
Gegenüberstellung kaum etwas beweisen kann. Wenn
der Nachbar sich alle Woche einen lururiösen Ausflug
gestattet, so ist das für uns noch lange kein Beweis da-
für, daß wir uns solche Ausgaben auch gestatten dürfen.
Nicht nur im Privatleben, sondern auch im Staatsleben
muß sich jeder nach seiner Decke strecken. Durch die
obige Zusammenstellung der Civillisten und Apanagen
haben wir nur die täppische Ungeschicklichkeit,
mit der gegenwärtig die Militärvorlagc vertheidigt und
gerechtfertigt werden will, ins rechte Licht stellen wollen.
Deutsches Reich.
Berlin, 5. Mai. Die Centrumsfracti on
wählte an Stelle des Grafen Ballestrem, der wegen der
bekannten Meinungsverschiedenheit in der Militärfrage
sein Amt niedergelegt hat, den Grafen Hompesch zum
Vorsitze -den. Der preußische Kammerherr Graf Alfred
v. Hompesch, geboren 1826 zu Schloß Voordt in Belgien
und auf Schloß Rurich bei Linnich im Regierungsbezirk
Aachen ansässig, vertritt im Reichstag den Wahlkreis
Düren-Jülich.
Berlin, 5. Mai- Der Botschafter Graf Münster
ist hier eingetrosien und begab sich Mittags nach dem neuen
Palais, wo er vom Kaiser empfangen wurde. Ebenso
empfing der Kaiser den russischen Botschafter General
v. Werder heute Mittag im neuen Palais. Beide
Botschafter wurden sodann zur kaiserlichen Tafel gezogen.
Schweiz.
Vern, 5. Mai. Der Kaiser Wilhelm verlieb
aus Anlaß des ihm in Luzern gewordenen Empfanges
dem Gesandten in Bern, Dr. Busch, den preußischen
Kronenorden 1. Klasse, dem Attache Bernhardt denselben
Orden 3. Klasse, dem Attache Premierlieutenant Muth
die 4. Klasse und dem Kanzler Jordan den rothen
Adlerorden 4. Klasse. Der Bundespräsident erließ
ein Dankschreiben an die Behörden der Kantone und der
Stadt Luzern für die vorzüglichen Anordnungen zum
Empfange des deutschen Kaiserpaares und sprach seine
Befriedigung über die Haltung der Bevölkerung aus.
Vern, 5. Mai. Der B un des rat h wird in den
nächsten Tagen Beschluß fassen über eine mit Frankreich
zu treffende Vereinbarung bezüglich der Regelung der
Z o ll v erb ä l tn i sse der freien Zone.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 5. Mai. Die „Neue Freie Presse" schreibt:
„Mit ungeheuerer Spannung wird in ganz Europa der
Ausgang des Berliner parlamentarischen
Kampfes erwartet. Die Auflösung des Reichs-
tages bleibt ein Bekenntniß der Schwäche, welches
in Frankreich und Rußland das Gefühl der Stärke er-
höben muß. Nicht minder trüb sind die inneren Folgen
bei dem Wahlkampf, die Entfesselung unheimlicher Ele-
mente, die gegen die Liberalen einig sind." Wenn auch
der neue Reichslag die Vorlage ablehne, so sei an Stelle
Caprivi's ein handfester Reactionär zu erwarten.
Was sei die Last von 55 Millionen Mark im Vergleich
mit einer clerikal-reaktionären Confliktsregierung, mit der
Minderung der äußeren Autorität des Reiches, mit dem
Aufgeben des schönen Traums von der zweijährigen
Dienstzeit? Das Traurigste sei, daß an der Verschuld-
ung, ein verhängnißschwereS Schicksal hcrauszufordern die
in unfern wissenschaftlichen und philosophischen Diskus-
sionen diese und jene Autorität, den und jenen Professor
als maßgebend anzurufen, ihm nachzueifern und nachzu-
beten, warf Richard Hoffmann in seinen Anschauungen
oft unsere Autoritäten über den Haufen und übte an
vielen Dingen häufig eine solche zerfetzende Kritik aus,
daß uns vor seiner Logik halb schwindlig wurde.
Und was studirte dieser merkwürdige junge Mann?
— Alles und — Nichts! Denn wenn er sich auch
mit Theologie, Philosophie, Mathematik, Geschichte, Geo-
praphie und Naturwissenschaften gern und eifrig beschäftigte,
so konnten wir doch selbst in seinem fünften Semester
noch nicht sicher in Erfahrung bringen, welches Fach
eigentlich seinen Lebcnsbernf ausfüllen sollte; wir waren
aber trotzdem überzeugt, daß Reinhold Hofmann Alles
werden könne, was er wolle, denn Talent hatte er zu Allem,
er zeichnete, malte und musizirte sogar nebenbei ganz büsch,
lauter Künste, von denen die meisten Komilitonen keine
Ahnung hatten. Ferner floß dem jungen Manne zuweilen
ein ansprechendes Gedicht nur so aus der Feder und
kamen wir einmal auf politische Dinge zu sprechen, so
zeigte unser Held auch hier mehr Begabung und Urtheil
als wir Alle, er lächelte sarkastisch zu unseren Aus-
führungen über die Lösung der damals noch ungelösten
deutschen Frage, sagte, als wir geendet, man dürfe die
Politik nicht mit dem Herzen, sondern nur mit dem Ver-
stände machen und entwarf dann ein Projekt, das uns
zwar als sehr kühn und rücksichtslos erschien, das aber
zu unserem nachmaligen, großen Erstaunen der geniale
Fürst Bismark wirklich durchgeführt hat. Kein Wunder
daher, das ich und die vertrauten Freunde Reinholds
Hoffmann in ihm einen aufgehenden Stern erster Größe,
einen zweiten Lessing oder Geothe oder auch einen zu-
künftigen großen Staatsmann erblickten, wenn wir uns
auch darüber, wie das junge Genie seinen Weg finden
werde, noch gar keinen Aufschluß geben konnten, zumal
ein fachmännisches Ziel in den feineren Studien Reinhold
Hoffmanns noch immer nicht zu erkennen war.
Da griff eines Tages die rauhe Hand des Schicksals
in Reinhold Hofmanns Leben ein. Wehmüthig zeigte
er mir einen Brief seines Vaters, worin ihm dieser mit-
theilte, daß er in Folge von Mißernten und aus Rück-
sicht auf seine übrigen Kinder die Studienkosten höchstens
noch einige Monate zahlen könne.
Drei Jahre sei Reinhold bereits auf der Universität
und solle daher nun schleunigst sein Eramen machen.
Da stand mein Freund nun plötzlich vor einem bösen
Abgrund, die Mittel zum ferneren Studium gingen
ihm zur Neige und um im bevorstehenden Halbjahre ein
Facheramen zu machen, dazu waren seine Studien zu
mannichfaltig gewesen. In einen, Jahre hätte er wahr-
scheinlich ein Eramen glänzend bestanden, aber dazu waren
eben keine Mittel mehr vorhanden, und ich konnte es
überdies in Reinholds Augen lesen, daß er sich sehr un-
gern zu einem Fachberufe entschließen würde, er wollte
eben seinen eigenen Weg gehen bis an das Ende-
Da war guter Rath theuer, wir trennten uns sehr
wehmüthig am Abend dieses Tages und ich machte mir
um ibn große Sorge.
Aber ich hatte mich verrechnet. Reinholds Talent hatte
auch in dieser hereinbrechenden Noth einen Ausweg ge-
funden. Schon nach acht Tagen zeigte er mir einen