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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 121 - No. 130 (24. Mai - 4. Juni)
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erschcintZä'g'ttch mttÄsn'ahme von
Lonn- und Feiertagen. «F » »-
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter- F' L F' L? r-
Haltungsblatt, „Ter Erzähler", mit dem 'M H-ff- -4-
Humor. Repräsentanten „Ter deutsche H K- H, K .
Michel" bei. i

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Heidelberg, Samstag, S. Zuni

1«S3.

Expedition:
Hauptstraße SS.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Westellungen
auf die „Bürger-Zeitung" für den Monat


werden fortwährend von fämmtlichen Postanstalten, Brief-
trägern und unfern Agenturen zum Preise von 49 Pfg.
frei in s Haus, sowie von unfern Trägern u. Trägerinnen
hier und der nächsten Umgebung zum Preise von
nur 40 Pfg. monatlich
entgegcngenommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung".

Deutsches Reich.
jj Heidelberg, 1. Juni. (Nationalliberale
Forderungen.) Zu den Erfordernissen eines national-
liberalen Politikers der Jetztzeit (vielleicht war es früher
auch so) gehört ein gut Theil Befangenheit und Selbst-
täuschung, um sich und Andere glauben zu machen, was
er alles Schönes und Gutes will, und daß er das
namentlich auch durchzusetzen gedenke. So lasen wir
jüngst in einer nationalliberalen Zeitung Heidelbergs
einen Artikel, überschrieben: „Erfüllte Forderungen".
Darin wird die für Nationalliberale jedenfalls kühne
Forderung erhoben, daß es jetzt doch Zeit sei, ernstlich
die so lange gewünschte „Reform der Militärstraf-
Gesetzgebung" durchzuführen und ferner das Verlangen
nach einem „Reichsfinanzplan" an die Regierung
gerichtet. Die jetzige politische Lage scheint jenem tief-
blickenden Politiker offenbar sehr günstig, um jene lang-
jährigen Wünsche, für welche die freisinnige Partei stets
mit aller Entschiedenheit eintrat, durchzusetzen — fast
hätten wir gesagt durchzukämpfen. Denn daß diese
Forderungen, so berechtigt sie auch sind, der Reichsregierung
nur in hartem, anhaltendem Kampf abgerungen werden
konnten, dies weiß nicht nur unser nationalliberaler
Politiker, sondern eigentlich jedes Kind, das von Politik
etwas gehört hat. Nun, wenn es nicht anders geht,
dann also Kampf um diese liberalen Forderungen, Kampf
und Sieg! Die Fahne wird uns stolz und muthig von
den Nationalliberalen vorangetragen werden und natürlich
auch dem nationalliberalen Vertreter Heidelbergs, insofern
derselbe siegt. Kein Zweifel, daß auch der süddeutsche
Bund der Landwirthe, dem unser zukünftiger national-
überaler Abgeordneter angehört, dabei kräftig helfen wird.
Wer lacht da? Vielleicht gar Caprivi, dem vor seinen
Bundesbrüdern allmählig gruselig werden muß. Doch so
^icht läßt sich ein braver, tapferer General nicht in's
Bockshorn jagen. „Zurück!" wird er rufen, „ihrThoren!
^as Vaterland ist in Gefabr! Seht ihr denn nicht, daß
Die Irrfahrt des Kobens.
Roman von C. Wild.
3,9 I8ci (Fortsetzung.)

. „Ich habe mich gerächt, wenn auch auf meine Kosten,"
^gte Georgine leise und eintönig; „ich habe die Wahrheit
sUthüllt, die ich so lange Jahre verborgen gehalten, und mir
^durch jede Rückkehr unmöglich gemacht."
„Georgine!"
Durch den Ton ihrer Stimme, das Zucken ihrer Lippen
jdfinerksam gemacht, beugte er sich vor und sah ihr forschend
'"'s Gesicht.
, Sie erwiderte seinen Blick mit einem triumphircnden Ans-
ichten ihrer Augen.
, „Ein Geheimniß," sagte sie, „das unentdeckt geblieben
l'are, das Niemand wußte als ich und das mir unter anderen
Auständen die Herrschaft auf Schloß Dahlen für immer ge-
Aert hätte. Dahlen selbst machte mir, nachdem er Deinen
Mes gelesen, den Vorschlag, nach vollzogener Scheidung von
. Zr seinen Bund mit mir zu erneuern, wie Du richtig berech-
hattest, seines Sohnes wegen, aber ich schlug es aus und
dgte jhm, Walter sei nicht sein Sohn, er sei der Deine."
„Du hast gelogen," rief Molitor.
j, „Nein, ich habe die Wahrheit gesprochen," entgegnete sie
„Walter ist Dein Kind und hat kein Anrecht auf das
I dbgilt."
„Thörin, Du hast Dir damit selbst am meisten geschadet."
Sie schüttelte das Haupt.
1^ „Walter ist nicht mehr derselbe, der er vor seiner Krank-
ls gewesen," versetzte sie ; „früher konnte ich ihn lenken,
«h wie ein kleines Kind —das ist nun vorbei, meine Macht
i'hr Ende erreicht."
„Aber Du begreifst nun," fuhr Georgine tiefanfathmend
1IM „daß ich nun und nimmermehr zugeben konnte, daßMe-
" sich mit Walter verband!"

euere Forderungen das Heer ruiniren, daß sie alle glor-
reichen Errungenschaften seit dem Jahre 1870 aufs
Spiel setzen! Ist das euer vielgepriesener Patriotismus?"
„Ja so", tönt es dann aus den furchtlosen Reihen der
muthigen Angreifer, „ja so, das haben wir nicht gewußt;
Caprivi hat doch Recht, die militärischen Fachmänner und
Sachkenner müssen dies gewiß besser verstehen als unser
großer Bennigsen, wenn er auch Jahrzehnte darüber
nachgedacht hat. Vergieb uns Reichskanzler und denke
nicht schlimm von unserem Patriotismus, denn er ist
friedlich und gefügig und ein klein wenig liberal, das
letztere aber nur theoretisch, d. h. auf dem Mond."
„Gut", sagt Caprivi, „ich will euch verzeihen! Doch
macht diesen Sommer lieber keinen Ausflug nach
Kissing en, denn sonst kann ich euch doch nicht so
ganz trauen, wie ich gerne möchte." „Dazu wird's wohl
sowieso nicht kommen", erwidern die Nationalliberalen,
„schon wegen der vielen Wahlausflüge. Und dann, offen
gestanden, der alte Herr gefällt uns mit seinen Nörgeleien
selbst nicht mehr so recht; schließlich will er gar Deutsch-
land zu einem wirklich konstitutionellen Staat machen, in
welchem die Ansicht der Volksvertretung die Richtung der
Regierung bestimmt und darüber entscheidet, was dem
Volke frommt. Das ist aber doch nach der Meinung
unserer bedeutendsten nationalliberalen Staatsmänner und
Professoren in Deutschland nicht zulässig, da die guten
Deutschen dazu noch nicht reif genug sind. — Aber um
eines, mächtiger Caprivi, laß dich noch bitten! Sieh!
unser Abgeordneter, ein kreuzbraver Mann und vor Allem
ein aufrichtiger warmer Freund der Landwirthe, hat diesen
Alles versprochen, was er irgendwie konnte: Zoll- und
Tabakreform, keincneuen Handelsverträge,
Schutz für das Hauptgewerbe und für das
Ncbenge werbe, Vertretung oben und unten,
Heranziehung des Großkapitals und Ver-
schonung des Kleinen u. s. s.! Eines hätte er
ihnen gar gerne noch versprochen, wenn er nur wüßte,
daß auch du dafür bist. Nämlich den Regen zu
seiner Zeit und die Sonne zu ihrer Zeit.
Wenn du so gut sein willst, dabei zu helfen, so wird er
versuchen, auch das in naheAussicht zu stellen.
Wenn es dann auch nicht immer ganz genau zutrifft,
so muß doch jeder Landwirth einsehen, daß unserem Ab-
geordneten der gute Wille nicht fehlt. Es wäre ja auch
nicht das erste Mal, daß wir eine Forderung haben
fallen lassen; das ist uns schon öfter passirt, und unsere
Wähler haben sich daran allmählich gewöhnt." Was der
gute Reichskanzler darauf sagte, konnten wir leider nicht
errathen.
Verkitt, 31. Mai. Im Reichsamt des Innern trat

„Warum nicht," lächelte Molitor, „Melitta ist nicht mein
Kind, sie steht sogar in keinerlei Verwandtschaftsverhaltniß
zu mir. Ihretwegen habe ich Deinen Aufenthaltsort ausge-
forscht, bin ich zu Dir hierhergekommen."
In dem noch immer schönen Antlitze der stolzen Frau
malte sich der Ausdruck lebhaften Erstaunens. —„Dn weißt,
ich thue nichts ohne Grund; höre mich aufmerksam an, es
liegt nur in Deinem Vortheil, auf meine Pläne und Absichten
einzugehen. Ich Will diesmal offen, ohne Rückhalt zu Dir
sprechen — Georgine, hüte Dich, mir gegenüber falsch zu sein
—Du würdest nicht mir nur, sondern auch Dir schaden. Glaube
mir, es ist besser, wenn unsere Interessen mit einander gehen.
Zusammen verbunden, können wir viel gewinnen, feindlich
uns gegenüber würden wir uns nur gegenseitig verderben."
„Ich will Dir Glauben schenken," sagte Georgine nach
einer kurzen Pause, „sprich."
Molitor begann: „Ich muß zu jener Zeit znrückgreifen,
da ich auf meiner Bootsfahrt verunglückte und nicht mehr zu
Dir zurückkam. Die Wellen trugen mich an's Land, und als
ich meine Besinnung wieder erhielt, befand ich mich in einem
hübschen Zimmer, umgeben von allen Bequemlichkeiten, die
das Leben angenehm machen. Ein junger, reicher Mann,
der an der Küste ein einsames Haus bewohnte, hatte mich
gefunden und mit Hilfe seines Dieners in sein Heini gebracht.
Der Mann, der mich gerettet, hieß Herr von Molitor und
war der Gatte einer hübschen, jungen Frau, die er wider den
Willen seiner Verwandten geheirathet hatte. Das jnnge Paar
lebte in tiefster Einsamkeit, denn Molttor hatte Ursache, zu
fürchten, daß mau ihn von seiner Frau trennen werde, wenn
man ihren Aufenthaltsort erfuhr. Ich wurde erst nach und
nach in alle diese Verhältnisse eingetveiht, denn ich lag wochen-
lang krank, und es dauerte Monate, ehe ich gänzlich herge-
stellt ward. Die Molitor's hatten mich lieb gewonnen, und
da ich sagte, daß ich frei und ungebunden sei, machten sie
mir den Antrag, bei ihnen zu bleiben. Ich hatte cinseheu ge-

gestern unter dem Vorsitz des Staatssecretärs von
Bötticher die Commission für den Reichs-
tagsbau zu einer Sitzung zusammen. Dem Ver-
nehmen nach handelt cs sich dabei um die künstliche Aus-
schmückung des Gebäudes und namentlich um die Be-
sichtigung der Gemälde-Entwürfe für die Glasfenster.
Verkitt, 1. Juni. Der Graf von Turin traf heute
4 Uhr 55 Minuten am Bahnhof FriedrichSstraße ein und
wurde vom Kaiser und einer glänzenden Gefolgschaft
empfangen. Der Kaiser begrüßte den Prinzen mit zwei
Küssen. Eine große Volksmenge brachte auf den Prinzen
Hochrufe aus. Der Kaiser begab sich sodann mit dem
Prinzen in offenem Wagen unter Geleit von Garde-
kürassiren nach dem königlichen Schlosse.
Verkitt, 31. Mai. Die Mittheilungen einzelner
Blätter über die Schwierigkeit und die Aussichtslosigkeit
der handelspolitischen Verhandlungen mit
Rußland erklärt die „Nordd. Allg' Ztg." großentheils
für irrig und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen
deßhab für werthlos.
Danzig, 31. Mai. Der Kaiser traf heute Nach-
mittag 31/2 Uhr hier ein und fuhr bei der Schi «Häu-
schen Werft vor, wo er von den Viceadmiralen Holl-
mann und Knorr und dem Gehcimrath Schichau em-
pfangen wurde. Nachdem der Kaiser die Tribüne am
Bug der neuerbauten Corvctte bestiegen, hielt, wie die
„Danz. Ztg." berichtet, Kapitän Graf Haugwitz eine
kurze Taufrede und taufte die neue Corvctte auf Befehl
des Kaisers als Erinnerung an die rühmliche Anfangs-
geschichte der Marine „G e fi 0 n". Unmittelbar nach dem
glücklich erfolgten Stapellauf verlieh der Kaiser Ordens-
zeichnungen an die Constructeurc und Erbauer der Kor-
vette, sowie an mehrere beim Bau betheiligt gewesene
Werkmeister und Arbeiter. Unter den« Geleit des Ober-
präsidenten v. Goßler, des commandircnden Generals
Lentze, des Oberbürgermeisters Baumbach und des Polizei-
directors Wessel begab sich der Kaiser dann an Bord des
neuesten Schichau'schen Torpedobootes und fuhr auf die
Rhede hinaus. Nachmittags 5 Uhr bestieg der Kaiser
die gestern Abend von Amerika angekommene Corvctte
„Kaiserin Augusta" und fuhr eine Strecke auf hohe
See hinaus.
München, 31. Mai. Wie die „Münchener N. Nachr."
schreiben, sollen auch für die bayerische Armee, gleichwie
in Preußen, gemessene Befehle gegen das Unifvrm-
Gigerlwesen in Bälde zu erwarten sein. Wenn man
jetzt — schreibt das Blatt —> einzelne Officiere, Fähnriche
und Unterofficiere auf der Straße herumgehen steht, er-
kennt man sie nur an der Grundfarbe der Uniform als
Bayern; dem Schnitte der Uniform nach könnten sie zu

lernt, Georgine, daß wir nicht zueinander paßten und dachte,
es fei das Beste für uns Beide, wir blieben getrennt. Auch
sehnte ich mich einmal nach Ruhe; die Rolle des ewig ge-
hetzter« Wildes ward ich überdrüssig, ich wollte aufathmen,
in Sicherheit leben, mit einem Worte, ich hatte das Abeiuen-
rerleben von heute auf morgen, mit all' seinen aufregenden
Details, satt. Ich nahm Molitor's Anerbieten an und machte
mich ihm auf mancherlei Weise nützlich. Ich übernahm für
ihn kleine Besorgungen, machte für ihn Reisen und versah
eigentlich die Stelle eines Sekretärs bei ihm, denn nach und
nach gelang cs mir, sein volles Vertrauen zu erwerben. —
Einige Jahre vergingen ans diese Weise, dann kam für Molitor
ein schwerer Schlag; seine Fran starb, nachdem sie einem
Kinde das Leben gegeben. — Molitor war in Verzweiflung,
er hatte seine Frau sehr geliebt und wir mußten anfänglich
das Kind aus seiner Nähe schaffen, denn er konnte den An-
blick desselben «richt ertragen — hatte doch dessen Geburt
seinem heißgeliebten Weibe das Leben gekostet. Mit der Zeit
gewöhnte sich wohl Molitor air den Airblick des Kindes, aber
er verfiel in Trübsinn und wurde von Tag zu Tag stiller
und verschlossener. — Eines Morgens fand ich ihn erschossen
auf den« Grabe seiner Frau; der Schmerz nur ihren Tod war
zu groß gewesen. In einem Schreiben, das er an mich hinter-
lassen, setzte er mich zu seinem Willensvollstreckcr ein und bat
mich, das Kind zu einer Verwandten zu bringen, deren Name
und Wohnort er mir bezeichnete. Mir hinterließ er eine Summe,
groß genug, nm mir damit eine anständige Existenz gründen
zu können. Und nun trat an mich die Versuchung heran. Ich
kannte genau alle Verhältnisse Molitors; hatte ich doch Jahre
lang seine Geldgeschäfte geführt, für ihn die Rente behoben,
kurz alle seine Angelegenheiten geleitet. Molitor war so lange
seinen Verwandten fern geblieben, von ihnen stets als Son-
derling betrachtet worden — ich brauchte diese Entfremdung
nur consequeut durchznführen, so Ivar ich vor Entdeckung
sicher. Wir besaßen sogar im Aeußern mit einander eine
 
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