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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 81 - No. 90 (7. April - 18. April)
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90.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Heidelberg, Dienstag, 18. April

Expedition:
Hauptstraße 25.

1893.

Die Lage der Tabakbauer
hat den Reichstag nicht das erste Mal beschäftigt. Vor
ffwa Jahresfrist beantragte der Abg. Menzcr eine Er-
höhung der Tabakzolles von 85 auf 125 Mk. p. Doppel-
ftrttner, wogegen sich ein lebhafter Protest der Tabak-
'ndustrie richtete. Der Antrag wurde damals von einer
Außerordentlichen starken Mehrheit — 205 Stimmen
8sgen 66 — abgelehnt. Dieses Mal hat Menzer die
Mm einer bloßen Interpellation gewählt, bei der eine
srneute Abstimmung, die nach mancher Richtung hin in-
ffessant gewesen wäre, ausgeschlossen ist. Zur Unter-
nützung seiner Interpellation hatte Menzer am 4.
Mil in Speyer eine größere Versammlung von Tabak-
fauern zusammengerufen, die zwar Beschlüsse in seinem
Mine faßten, die aber doch turbulent verlief, daß ihr
Atum auf den Reichstag kaum Eindruck gemacht bat.
Aie Versammlung sandte an eine ganze Reihe von
-Undesfürsten Huldigungstelegramme ab, um nachher zu
^vhen, sie werden socialdemokratisch wählen, wenn ihre
Wünsche nicht erfüllt würden. Der nationalliberale Abg.
M Clemm, der hierauf meinte, so weit sei es in der
Pfalz noch nicht gekommen, wurde einfach niedergeschrieen,
.^d es ist deßhalb nicht ohne Humor, wenn er im Reichs-
anerkannte, daß jene Versammlung „zu weit ge-
nügen sei."
. Die Unterlage der Interpellation bildete die schwankende
^röße der Flächen, die in Deutschland mit Tabak bebaut
Mden. Dieses Schwanken ist jedoch keine neue Er-
Hrinung, es zeigt sich vielmehr, wie auch die dem Reichs-
§8 1891 vorgelegte Denkschrift ersehen läßt, daß bei
Mn Preisen die Anbaufläche zunimmt, wie sie nach
Rechten Preisen ebenso regelmäßig sinkt. Es drückt sich
jn den Anbauziffern nichts Anderes aus, als die wech-
^Nde Eonjunctur, der die Landwirthc schließlich ebenso
Mrworfen sind, wie andere Unternehmer, wobei gern zu-
bestehen ist, daß dem Landwirth bei der naturgemäßen
Rwerfälligkeit seines Betriebes dieser Wechsel noch
:^ter treffen kann, als den Industriellen. Ein Gesetz
-ff eine künstliche Preissteigerung vermag aber die
Schwankungen hier ebenso wenig auszuschalten, wie beim
,^treibebau; beim Tabak tritt neben dem veränderlichen
ssllteausfall noch die veränderte Geschmacks-
achtung des Publikums hinzu, die sich von der Pfeife
den schweren Sorgen fast ganz abgewcndet. Es ist
»»vhalb viel ersprießlicher, die Tabakbauer auf diese Um-
i??de aufmerksam zu machen und ihnen — wie rhein-
Mtische Tabakkenner es kürzlich in einem Fachblatte ge-

An einem Kanr.
Criminalgeschichte von Jenny Hirsch.
(Fortsetzung.)
Die Kinder mußten ihm zur Unterhaltung und Er-
Mrring dienen und thaten dies ihrem ganzen Naturell
s^ch- Lina erschien als ein harmloses, anschmiegendes
j uchöpf, dessen taubenfromme blaue Augen dem Onkel
sh Wunsch vom Munde ablasen, das in wunderbarer
mit allen seinen Ansichten und Neigungen überein-
j>,^>rite, und Hans war ein aufgeweckter Knabe, drollig
tzMastisch, nachdenklich und leichtsinnig in wunderlichem
^isch, ein Stoff, aus dem in den Händen eines echten
t^schenbildners etwas Tüchtiges hätte werden können,
«ber bei dem Baron jämmerlich verdorben ward und
Munde gehen mußte.
tzv.Hans hatte ein entschiedenes Talent zur Nachahmung,
der Baron hielt sich die Seiten vor Lachen, wenn
E«abe die Diener, die Freunde des Hauses und so-
hz ^ine Lehrer in possenhafter Weise copirte, ohne sich
ih?^en zu lassen, daß er hinter feinem Rücken mit
nicht besser verfahre. Es machte ihm Vergnügen,
E Hans die Genüsse einer guten Tafel zu schätzen ver-
. und mit ernsthafter Miene sein Urtheil über eine
sii^sorte abgeben konnte, es kitzelte seiner Eitelkeit, daß
Blesse sich vor seinen Genossen hervorthat, und er
mehr Geld in die Hände, als seiner Jugend
dlnerfahrcnhcit gut war. Da Hans Dankseiner
suchen Begabung und einer sich stoßweise einstellenden
ich- ^ui Lernen aus dem Gymnasium vorwärts kam, so
M der Baron alle Klagen, die seitens der Lehrer

than — Zurückhaltung zu empfehlen, als in ihnen die
trügerische Hoffnung zu nähren, der Staat könne durch
gesetzgeberische Eingriffe eine irgendwie ausreichende Ab-
hilfe schaffen. Eine derartige Aufrichtigkeit mag weit
weniger populär sein, sie wäre aber entschieden vernünftiger
und zweckdienlicher.
Was für die Tabakbauern geschehen kann, liegt nicht
auf dem Gebiete des Zolles. Eine Steuererleichterung
hat der Reichstag früher mit Mehrheit beschlossen, die
verbündeten Regierungen sind aber bisher nicht darauf
eingegangen, weil sie für Steuererhöhungen eine weit
lebhaftere, „natürliche" Vorliebe besitzen, als für Er-
mäßigungen. Das sich die vielfach drückenden Bestim-
mungen des Steuergesetzes abmildern lassen, steht ebenso
außer Zweifel, wie eine Steuermäßigung bei einer Schä-
digung der Ernte durch Hagel und sonstige Naturereig-
nisse sich befürworten läßt. Wenn im Reichstag ferner
zugegeben wurde, daß ein Wechsel der Sorten im In-
teresse der Tabakbauer läge, daß aber die Pflanzer dazu
von sich aus nicht ohne Weiteres in der Lage sind, so
ist hier die Gewährung von Hilfe durch Errichtung von
Versuchsstationen nicht Sache des Reiches, sondern Sache
der Einzelstaaten und der corporativen Selbst-
hilfe. Auch dieser Weg der Anpassung an den wech-
selnden Geschmack und der Hebung der Produktivität ist
gangbar und viel ersprießlicher, als die Zielpunkte, die
der vielgeschäftige Herr Menzer vertritt.
Die Verhandlung der Interpellation hat immerhin
dazu geführt, für jeden Einsichtigen zu zeigen, auf wel-
chem Wege und wie weit die isgge der Tabakpflanzer zu
verbessern ist. Dabei ist es anzuerkennen, daß auch der
Regierungsvertreter den einseitigen Gesichtspunkt der In-
teressen des Tabakbaues verwarf. Hierüber hinaus er-
hielt die Verhandlung eine Bedeutung durch die An-
kündigung des Sekretärs, daß bei der Annahme der Militär-
vorlage auch der Tabak abermals ausersehen ist, zur
Deckung der Kosten beizutragen. Diese Offenheit ist
immerhin dankenswerth; sie läßt neuerdings erkennen,
von welch' tiefeinschneidender Bedeutung die
verlangte H eeresverstärkung für unser
Wirth sch aftsle b en ist und wie schwer die Volks-
freundlichkeit jener Parteien wiegt, die trotzdem der
Vorlage das Wort reden in der kaum noch verhehlten
Hoffnung, dabei auf Kosten der übrigen Steuerzahler
Sondervortheile wahrnehmen zu können.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 15. April. Die „Karlsr. Ztg." meldet,

über ihn einliefcn, für Uebertrcibungen bezopfter Pedanten,
die für eine geniale Natur kein Verständniß hätten, und
lachte über die tollen Streiche des Neffen. Als die Dinge,
dann nach und nach ärger wurden, erfuhr er das
Schlimmste nicht mehr, Lina, die mit einer wahren Affen-
liebe an dem Bruder hing, verstand es, mancherlei ge-
schickt zu vertuschen.
Schon auf der Schule war Hans in zweideutige Ge-
sellschaft gerathen, noch weit schlimmer wurde es, als er
dem Wunsche des Barons gemäß beim Militär eintrat,
um auf Avancement zu dienen. Das verzogene Bürschchen,
das im Hause des Onkels den Herrn gespielt hatte, konnte
sich in die strenge Regelmäßigkeit des Dienstes nicht
fügen, es gab Verdrießlichkeiten aller Art, die dem Baron
nicht verborgen bleiben konnten, und von ihm, als ehe-
maligen Offizier, doch ernster genommen wurden als die
Mißhelligkeiten mit den Lehrern. Sein Einfluß brachte
die Dinge mehrmals wieder in's Geleise, er bezahlte auch
zu wiederholten Malen Schulden für den Neffen und
ließ sich durch sein liebenswürdiges, einschmeichelndes
Benehmen und durch Linas Zureden immer wieder be-
sänftigen, aber die Neigung für Hans erhielt doch be-
denkliche Stöße, er war nicht der Mann, den man un-
gestraft aus seiner Rude aufstörte.
Um diese Zeit hatte der Hausstand des Barons noch
einen Zuwachs durch die Tochter einer längstverstorbenen
Schwester erhalten, die bis dahin bei ihrem Vater gelebt
und um welche dör Onkel sich nicht bekümmert hatte.
Seine Schwester hatte einst gegen den Willen der Familie
den Doctor Bertelsmann, einen bürgerlichen, geheirathet,
war diesem nach einer Provinzialstadt, wo er als Gymnasial-

das andauernde Augenleiden der Groß Herzog in er-
fordere gegenwärtig größere Schonung. Auf ärztlichen
Rath werde die Großherzogin fortan manche liebgewonnene
Pflicht nicht in dem gewünschten Maße erfüllen können,
um die gebotene Schonung besser zu üben.
Berlin, 15. April. Der Bericht des Reichstags-
abgeordneten Gröber (Centrum) für die Militär-
commission ist fertiggestellt. Die Commission
tritt voraussichtlich Montag zusammen, um den Wortlaut
des Berichtes zu berathen, welcher im Laufe der Woche
endgiltig festgestellt werden dürste.
Berlin, 15. April. Das Kaiserpaar tritt am
18. d. M. gegen 10 Uhr Abends die Reise nach Rom an.
Die Hinreise erfolgt über den Brenner, die Rückreise
durch die Schweiz. Ob auf der Rückreise ein Besuch
bei der Königi n von England in Florenz stattfindet,
ist noch nicht endgültig bestimmt, da nicht feststeht, ob
die Königin Florenz nicht bereits vor jenen: Zeitpunkte
verläßt.
Berlin, 15. April. Die Bud g etko m m iss i on
des Reichstags hat beute einen großen Thcil der Novelle
zum Mi litä rp e n si o ns g cs etz unverändert ange-
nommen.
Berlin, 15. April. Der Abgeordnete Ahlwardt
hat bekanntlich die Unterstützung der Socialdemokraten
für seinen Antrag erbeten. Die Fraktion sagte diese
Unterstützung zu, indem sie mit Recht erklärte, man müsse
Ahlwardt und seinen Anhängern jede Behauptung un-
möglich machen, als ob der Reichstag sich um eine Er-
örterung der Ablwardt'schen Beweisstücke herumdrückcn
wolle. Die Socialdemokraten erklärten sich demgemäß
bereit, folgenden Antrag zu unterstützen: „Der Reichstag
wolle beschließen, eine Commission vou 21 Mitgliedern
zur Prüfung der von dem Abgeordneten Ahlwardt vor-
gelegten Schriftstücke zu wählen und mit der Bericht-
erstattung darüber an das Haus zu betrauen." Ahlwardt
war damit jedoch nicht zufrieden. Es schwebte ihm so
etwas wie die Einsetzung einer Untersuchungscommission
mit Befugniß der Zeugenvernehmung :c. vor. Dafür
waren die Socialdemokraten aber nicht zu haben, und so
ist denn bis jetzt die Einbringung eines Antrages nicht
erfolgt.
Berlin, 15. April. Jn hiesigen leitenden poli-
tischen Kreisen ist man auf Grund der Berichte
aus Belgrad der Ueberzcugung, daß der 8piritu8-i6otor
des Staatsstreichs der Exkönig Milan ist.
Berlin, 15. April. Einige Züge aus dem bisherigen
Leben des jungen Königs Alexander I. dürsten von

lehrer angestellt ward, gefolgt und bald nach der Geburt
einer Tochter gestorben. Nun war auch der Professor
Bertelsmann heimgcgangen und der Baron als nächster
Verwandter von einflußreicher Seite aufgefordert worden,
sich der mittellosen Nichte anzunehmen. Die Sache war
ihm unbequem, aber was war zu thun, den hartherzigen
Verwandten konnte und mochte er nicht spielen; er ließ
das junge Mädchen zu sich kommen.
Die damals kaum sechzehnjährige Johanna war bei
ihrem Vater in strenger Einfachheit und Abgeschiedenheit
ausgewachsen, hatte von dem alten Philologen eine
gründliche, beinahe gelehrte Bildung erhalten und stand
weltfremd und unbeholfen in dem glänzend eingerichteten
Hause und dem oberflächlichen, aber gewandten Kreise,
der sich daselbst zusammenfand.
Die beinahe im gleichen Alter mit ihr stehende Lina,
die von Johanna an wahrem Wissen weit überragt ward,
war ihr doch in Allem, was die „Welt" fordert und
schätzt, weit überlegen. Selbst wenn sie sich nicht auf
ältere Rechte hätte berufen dürfen, wäre es ganz natürlich
gewesen, daß sie die Zügel des Hausregimentes in die
Hand nahm und im Salon repräsentirte, als eine alte
weitläufige Verwandte des Barons, die dies bisher ge-
than, Plötzlich starb.
Johanna sah sich in die zweite Stelle geschoben und
nahm sie auch willig ein, ja sie würde ganz zufrieden
damit gewesen sein, hätte man ihr gestattet, sich nach
ihrer Weise auszuleben, sich wenig um die Gesellschaft
zu kümmern und die reichen Schätze der Kunst und des
Wissens, welche die Residenz ihr bot, für sich nutzbar
zu machen. Das lag aber durchaus nicht in der Ab-
 
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