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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 101 - No. 110 (30. April - 11. Mai)
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Verkündigungsblatt und Anzeiger
Sonn- und Feiertagen. *5
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter- e e
Haltungsblatt, „Der Erzähler" mit dem I ^47^ I I H 7*^
Humor. Repräsentanten „Der deutsche L -<. .
Michel" bei. 1

Abonnementspreis
sür Heidelberg:,monatl. 40 Pfg. mit
Trägerlobn, durch die Post bezogen
vierteljährl. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Inscrtionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt.
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigen 5 Pf.

Heidelberg, Donnerstag, 11. Mat

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HauptstratzeLS.

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Hauptstraße 25.

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AM" Des Christi-Himmelfahrtstages
wegen erscheint morgen kein Blatt.
Das MiiWc Soldatca-Jdkal.
Es ist eine offene Thatsache, daß im außer-
preußischen Deutschland seit langen Zeiten eine gewisse
Abneigung gegen Preußen und das preußische
Staats- und Verwaltungswescn bestand, und eben diese
Spannung bildete neben dem confessioncllcn das stärkste
Moment unter den Schwierigkeiten, denen der nationale
Einigungsgedanke begegnete. Das kathol. Süddeutschland
widerstrebte nicht blos der Führung der deutschen Nation
durch Preußen, weil ihm der Hohenzollernstaat als der
Hort des Protestantismus galt, sondern wenigstens eben-
sosehr, wenn nicht mehr, weil ihm der überliebc mili-
tärische Geist des preußischen Regicrung«-
svstcm« antipathisch war.
Man täusche sich nicht: Diese Verhältnisse sind noch
nicht beseitigt, und Nichts wäre verderblicher für die
innere Festigkeit des Reiches, als ihnen neue Nahrung
zuzuführen. Man begrenzt den Begriff des Mili-
tarismus zu eng, wenn man denselben in einem
politischen Gcwaltrcgimente, gestützt auf die Macht und
die Zuverlässigkeit des Heeres, sucht. Den bestimmenden
Inhalt des Militarismus bildet jene Ueberschätzung der
Waffenmacht, welche in derselben das einzige oder auch
nur das hauptsächliche Fundament der nationalen Kraft
und Sicherheit nach Außen erblickt. Und gerade diese
Auffassungsweisc tritt gegenwärtig an der preußischen
Spitze Deutschlands in bedenklichem Umfange in den
Vordergrund; sie ist deutlich erkennbar besonders in der
Vertretung, welche die Militärvorlage in den letztem Tagen
vom Reichskanzler gefunden hat.
Das ist die Grundlage des Militarismus, wenn die
Regierung von der Meinung ausgeht, daß die Erhaltung
des Staates auf dem Militär beruhe, und daß darum
gegenüber den Forderungen für das Militär die volk«-
wirthschaftlichen, und socialen Rücksichten
weit zurücktretcn müssen. Der Staat ist doch nur die
äußere Form für das gcsammtc Gemeinwesen; sein Zweck
ist nicht Selbstzweck, sondern hat das Gedeihen und
das Wohlbefinden der Bevökerung zum
Inhalte. Nur wenn Erwerb und Freiheit wachsen und
blühen, die wirthschaftlichen, geistigen und sittlichen Kräfte
sich saftvoll entfalten, ist das staatliche Leben ein gesundes,
andernfalls gleicht cs trotz aller äußeren Größe dem
Vaumricscn, der scheinbar in größter Lcbensfülle in die

Lüfte ragt, dessen innere Fäulniß aber ihn unfähig macht,
dem nächsten Sturme Widerstand zu leisten. Die Er-
innerung ist fast zur Trivialität geworden, daß die Zeit
der größten militärischen und welt-
polititischen Stärke des alten RomS der
Anfang seiner Unterganges war, weil die
äußere Rüstung die inneren Kräfte das Volk erschöpft und
wirthschaftlich und sittlich verderbt hatte. Nichtsdesto-
weniger muß sie aufs Neue wiederholt werden, weil eS
kaum ein besseres warnende« Beispiel für die Verderb-
lichkeit ausschließlicher Wertschätzung äußerlicher staatlicher
Machtcntfaltung giebt, als das großartige und doch dem
ersten Barbarcnsturme erlegene römische Weltreich.
Nur wenn die Mehraufwendungen im harmonischen
Verhältniß zum Vermögen der Staaten stehen und mit
ihrer Entwicklung parallel eine sorgsame Pflege desselben
läuft, begründen sic des Staates Sicherheit und die
dauernde Größe der Nation. Es ist auch nicht richtig zu
meinen, der preußische Staat sei allein durch sein Heer
groß geworden. Alle die bedeutenden Hohcnzollernfürsten,
die als Mehrer und Kräftiger Preußens gelten, waren
nicht bloS Kriegsfürsten, sondern sic haben mit dem ge-
wissenhaftesten Eifer um die Pflege von wirth-
schaftlichem Wohlstand und geistiger unsitt-
licher Hebung sich bemüht. Gerade die Entwicklung
dieser inneren Kraft de« preußischen Volkes begründete
seine militärischen Leistungen, und diese wären ohne jene
Entwicklung nicht möglich gewesen. Wie steht es aber
heut? Der Reichskanzler hat dieser Tage gesagt, eS sei
ja ganz nützlich, für Culturzpcckc, Landesmeliorationen,
Kunst und Wissenschaft Gelder auSzuwersen, aber diese
Zwecke stehen dem Militärinteresse nach und müssen dem-
selben untergeordnet sein. Und leider wird darnach ver-
fahren.
In Preußen stockt die geringste Reform, selbst die
längst vorbereitete Verstaatlichung der Eisenbahnen kann
nicht auSgeführt werden, weil die Matricularbciträge die
Kräfte der Einzelstaatcn zu sehr anspannen. Haben wir
nicht in diesen Tagen Einschränkungen erlebt, die für
den preußischen Staatshaushalt geradezu beschämend
sind? In einem Commissionsbericht des Reichstag« er"
klärt der Rcgierungscommissar in Bezug auf dar gewerb-
liche Nntcrrichtswesen in Preußen, daß 22 Baugewerk-
schulen nothwcndig sind, während nur 11 bestehen und
1600 Schüler jährlich zurückgewiesen werden müssen,
weil der preuß. Staat nicht 100 000 Mk. bieten kann,
um diese Schulen zu errichten. Noch mehr! Der
Minister hat verfügt, daß in diesem Jahre die Dotationen

für da« Fortbildungsschulwesen um 10 pCt. gekürzt
werden müssen, weil sich die 44 000 Mk. welche dazu
erforderlich sind, im preußischen Haushalt nicht finden
lassen. Während dort nach Hunderttauscnden und Zehn-
tausenden gerechnet wird, während man dem anerkannt
großen Mangel an Richtern nur zur Hälfte abhelfen will,
handelt eS sich gegenüber der Militärvorlage nach dem
Urtheil des Reichskanzlers nur um ein Rechenexempel, soll
man bier nur das große Allgemeine im Auge haben
und nicht an die vielen Millionen denken, die zur Durch-
führung der Vorlage erforderlich sind! Nein, diese Auf-
gaben des Culturlebens erheischen nicht um ihrer selbst
willen Befriedigung, sondern stehen alle in Beziehung
zur Webrkraft des Landes. Ist denn die Wehrkraft der
Landes blos das Product eines Rechenercmpels? Die
Wehrkraft des Landes beruht nicht auf
Sodaten für den Kriegsfall, beruht nicht
in unserer Zeit und in unseren com-
plicirtcn Verhältnissen, die Wehrkraft be-
ruht auf dem Product der gesammten
materiellen und ideellen Kräfte eine«
Volker.

Deutsches Reich.
Berlin, 9. Mai. Die „Nordd. Allg. Ztg." meldet:
Nach der heutigen Truppenbcfichtigung auf dem Tempel-
hofer Felde sprach der Kaiser sein Lob aus zu den
Generalen und Stabsoffizieren und sagte: Seitdem wir
uns nicht gesehen haben, find eigene Wandlungen mit
der Militärvorlage vor sich gegangen. Ich habe
nicht deren Ablehnung erwarten können, sondern hoffte
von dem patriotischen Sinn des Reichstages unbedingte
Annahme. Ich habe mich leider darin getäuscht. Die
Minorität der patriotisch gesinnten Männer vermochte
gegen die Majorität nichts zu erreichen, dabei sind leiden-
schaftliche Worte gefallen, welche unter gebildeten Männern
ungern gehört werden. Ich mußte zur Auflösung schreiten
und hoffe von dem neuen Reichstage die Zustimmung
zur Militarvorlage. Sollte aber auch diese Hoffnung
täuschen, so bin ich gewillt, Alles was ich vermag an
die Erreichung derselben zu setzen, denn ich bin zu sehr
von der Nothwcndigkeit der Militärvorlage, um den all-
gemeinen Frieden erhalten zu können, überzeugt. Man
sprach von der Aufregung der Massen; ich glaube nicht,
daß sich das deutschc Volk von Unberufenen erregen lassen
wird, im Gegentheil weiß ich mich eins in dieser Militär-
vorlage mit den Bundesfürsten, dem Volk und der Armee.
Ich danke Ihnen, meine Herren, ich habe mich Ihnen

Kin Wiedersehen.
Novelle von E. Lucas

(Forschung.)
Dann reiste ich in die Heimath nach L. zurück, um
"'ich um eine Staatsstellung zu bewerben. Ich erkundigte
"Uch auch dort bei einigen Freunden, ob irgend welche
Nachrichten von Reinhold Hofmann bekannt geworden
Listen, aber zu meinem Bedauern wußte Niemand etwas
d°nihm.
, Um diese Zeit machte in L. ein großer Bankerott
s'U von sich reden. Das angesehene und ehemals sür
A'Nreich verschrieene Handelshaus des Kommerzienrathes
eMger war fällst geworden, wie man behauptete, haupt-
sächlich durch die ganz gräßliche Lüderlichkeit des Sohnes
^Kommerzienrathes; andere Stimmen behaupteten aller-
?"gs auch, daß der Kommerzienrath selbst durch einen
lururiösen Aufwand, wodurch er seine drei Töchter
b" die hochgestelltesten Personen zu verbeirathen gedachte,
.^its seine ehemals glänzenden Vermögensverhältnisse
^chüttert habe.
. Genug, die Familie des Kommerzienrathes Präger
ruinirt und an den Bettelstab gebracht. Ich kümmerte
Zch damals nicht weiter um das Schicksal der Familie,
wollte ich gern etwas über die älteste Tochter des
kommerzienrathes, über Fräulein Elise, erfahren, die einst
Zeit die Geliebte meines Freundes Reinhold Hof-
gewesen war, und ich erfuhr dabei, daß Elise in
unglücklicher Ehe an einen adeligen Gutsbesitzer
^M^kathet war, während die beiden jüngeren Töchter
Kommerzienrathes mit Offizieren vermählt waren.

Der gottlose Sohn des Kommerzienrathes war durchgebrannt
und von den Schwiegersöhnen wurde erzählt, daß sie sich
nicht um den Kommerzienrath kümmerten, ihn vielmehr
haßten, weil er seine Töchter um ihr Vermögen gebracht
hätte.
So stand der alte Kommerzienrath jetzt ganz allein,
verlassen, arm und elend in der Welt und ich konnte mich
des Gedankens nicht erwehren, daß der Kommerzienrath
wahrscheinlich nicht von diesem schweren Schicksalsschlage
heimgesucht worden wäre, wenn er vor nun vier Jahren
in seinem Stolze und seinem Hochmuthc nicht den armen
Studenten Reinhold Hofmann, der das Herz seiner Tochter
gewonnen, rücksichtslos aus dem Hause gejagt hätte, denn
Reinhold Hofmann würde nach meiner Ueberzeugung als
Schwiegersohn des Kommerzienrathes diesen sicher von den
lururiösen Extravaganzen und den leichtlebigen Sohn
von seinem lüderlichen Lebenswandel mit Erfolg abzuhalten
gesucht, oder wenigstens dafür gesorgt haben, daß die Fa-
milie des Kommerzienrathes nicht in solch' traurige Ver-
hältnisse gekommen wäre.
Nun konnte also der Kommerzienrath auch den Weg
gehen, in den er, wenn vielleicht auch unbewußt, vor vier
Jahren seinen unglücklichen Hauslehrer getrieben hatte.
Mein Aufenthalt in L. verzögerte sich, denn die Ver-
handlungen behufs Erlangung einer Staatsstclle hatten
wenig Erfolg, weil zur Zeit nur wenige Vakanzen vor-
handen waren. Ich trieb inzwischen mit großer Vorliebe
geographische und ethnographische Studien, für die ich
eigentlich schon lange eine größere Neigung gehabt hatte,
als zur Sprachwissenschaft. Ich faßte dabei das Studium
der Geographie bald von einem so großen Gesichtspunkte

auf, daß ich in den Rahmen dieser Wissenschaft nicht
nur die gewöhnliche Länder- und Völkerkunde, sondern
geradezu die Entwickelung der ganzen Welt und des
Menschengeschlechts brachte und dieser Gesichtspunkt brachte
mich allmählig zu einer großen Begeisterung für die
Wissenschaft, so daß ich beschloß, vorläufig auf eine Staats-
anstellung zu verzichten und mich auf geographische und
ethnographische Forschungsreisen zu begeben, indem ich mich
dabei der Hoffnung hingab, durch meine Forschungen
mir vielleicht einen wissenschaftlichen Namen zu machen,
und dadurch die Befähigung zum Dozenten an einer
Universität zu erlangen.
Da meine Vermögensverhältnisse diesem Plane nicht
hinderlich waren, so ging ich, begeistert für meine Wissen-
schaft, bald an die Ausführung desselben und bereiste
zunächst Nord- und Südamerika, wo es bekanntlich noch
genug Ländergebiete gibt, die einer gründlicheren Er-
forschung bedürfen.
Ich hatte noch nicht lange amerikanischen Boden be-
treten, als mir auch schon der Gedanke kam, daß in
diesem Erdthcile, der von so vielen Europamüden aufge-
sucht wird, mein verschollener Freund Reinhold Hofmann
sich aufhalten köune. Keine Gelegenheit versäumte ich
daher, um im Verkehre mit deutschen Landleuten nach
dem Verschollenen Erkundigungen einzuzichen. Wohl kam
es nun vor, daß mir zuweilen in New-Dock, Boston,
St. Louis, New-Orleans und anderen amerikanischen
Städten ein eingewandertcr Deutscher Namens Hofmann
vorgestellt wurde, aber er wvr niemals der Hofmann den
ich suchte.
In Südamerika, wo ich mich der größeren Natur.
 
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