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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 91 - No. 100 (19. April - 29. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0391

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Verkündigungsblatt «nd Anzeiger

Slbonnerttentspreis
für Heidelberg: monatl. 4V Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
Vierteljahr!. Mk. 1.— ohne Znstcllgeb.
Znsertionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt.
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u- Privatan,zeigen S Pf.

Die,^»ür-«rzeitung"
«rscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
h«itungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentantm „Der deutsche
Michel" bei.

Heidelberg, Samstag, 22. April

1893.

Expedition:
HairptstratzeSS.

Expedition:
Hauptstraße SS.

WesteLungen
auf die „Bürger-Zeitung" für die Monate
Mai und Juni
«erden fortwährend von sämmtlichen Postanstalten, Brief-
trägern und unfern Agenturen zum Preise von
Wb" 97 Pfennig "MU
frei in s Haus, sowie von unsern Trägern und
Trägerinnen hier und der nächsten Umgebung zum
Preise von
nur 40 Pfg. monatlich
entgegengenommen.
Neu hinzutretende Abonnenten erhalten die „Bürger-
Zeitung" bis Ende des Monats unentgeltlich.
Verlag der „Bürger-Zeitung".
Das deutsche Kaiser-aar in Rom.
Das deutsche Kaiserpaar ist wohlbe-
halten in der ewigen Stadt eingctroffcn.
Pünktlich um 12 Uhr 50 Minuten lief gestern Mittag
der mit den deutschen und italienischen Fahnen geschmückte
Sonderzug in die Bahnhalle ein, wo unter einem rothen
Baldachin der König und die Königin von Italien
mit sämmtlichen Prinzen, umgeben von ihrem Hofstaat,
das Herrschcrpaar erwarteten. Schon seit 11 Uhr war der
Verkehr unterbrochen und vom Bahnhof nach dem Quirinal
«ar ein Militärcordon gezogen. Beim Empfang waren
außerdem anwesend Ministerpräsident Giolitti, der
Minister des Auswärtigen, Brin, derBürgermeister
von Rom, die Mitglieder der deutschen Botschaft,
eine Vertretung der Bockenheimer Husaren, die Herren
des archäologischen Instituts und des historischen Seminars
u. A. Der Kaiser erschien in Garde-Husarenuniform,
heiter aussehend, am Fenster. Bei der Einfahrt stimmte
das Musikchor der Ehrencompagnie die preußische Hymne
an, die Königsfamilie und die Minister traten auf den
Perron hinaus. Schon vom Wagen aus winkte der
Kaiser ihnen freundlich zu; dann, nachdem er abgcstiegen,
umarmte er herzlich den König, ebenso wie die Kaiserin
die Königin. Darauf überreichten 12 junge Mädchen
der deutschen Kolonie der Kaiserin ein Bouquet, während
der Kaiser mit dem Prinzen von Neapel und den
Ministern Giolitti und Brin sprach. Beim Hinaustreten
auf den Bahnhofsplatz intonirten die Musik-Corps die j

preußische Hymne. Der König stieg mit dem Kaiser in
den ersten Wagen, die Königin nahm mit der Kaiserin
im zweiten Wagen Platz. Herr von Marschall fuhr mit
Giolitti und Brin. Auf dem ganzen Wege zum Quirinal
wurden die Souveräne ununterbrochen warm begrüßt.
Auf dem Quirinalplatz war die Menge lebensgefährlich
gedrängt; 22 Vereine hatten hier ihre Aufstellung ge-
nommen und bereiteten den Monarchen bei ihrer Vorbei-
fahrt eine stürmische Ovation. Mit I'ltnlin"
wechselt „Vivn l'sllsunrn" und „Viva In Olsimnnia!"
Da die Rufe und das Beifallklatschen der Menge fort-
dauerten, nachdem die Monarchen bereits den Quirinal
betreten hatten, traten das Kaiserpaar und das Königs-
paar mit dem Prinzen von Neapel auf den Balkon hin-
aus, um zu danken. Die Königin machte die Kaiserin
auf das prächtige Panorama mit der Peterskuppel auf-
merksam, das sich von hier bietet und auf das die
Kaiserin einen langen Blick warf, dann verneigten sie
und der Kaiser sich leicht vor der Menge, während die
Königin glücklich lächelnd den Gruß durch Schwenken
ihres Taschentuchs erwiderte.
In den Straßen welche der Kaiser und die Kaiserin
bei ihrem Einzuge passirtcn war der Verkehr nahezu un-
möglich. Alle zum Quirinal führenden Straßen und
die Zugänge zum Bahnhof waren von einer Kopf an
Kopf gedrängten Menschenmasse .angefüllt. Die Via
Nationale ist auf ihrer ganzen Länge bis zum Quirinal
mit Flaggenstangen eingefaßt, welche die Wappen und
Fahnen der italienischen Städte tragen Die Fenster und
Balkonc sind mit Teppichen und Blumen geziert. Die
Begeisterung ist eine allgemeine, der Gesammteindruck
der festlich geschmückten Stadt und des Menschengewoges
ein überwältigender.
Der Kaiser entsandte einen Adjutanten zum Cardinal-
Staatssekretär Rampolla, um ihm offiziell seine Ankunft
in Rom mitzutheilen und für Sonntag den Besuch des
Kaiserpaares beim Papst anzukündigen. Kardinal Mo-
cenni begab sich in Vertretung des erkrankten Kardinals
Rampolla heute Nachmittag um halb 2 Uhr nach der
preußischen Gesandtschaft beim päpstlichen Stuhl, um den
Kaiser und die Kaiserin willkommen zu heißen. Nm
4 Uhr legte der Kaiser einen Lorbeerkranz am
Grabe Victor Emanuels nieder. Die Kaiserin
begab sich nach 4 Uhr, von einer Hofdame be-
gleitet, nach dem Pantheon, vor dem sie vom Minister
Martini erwartet wurde. Martini reichte der Kaiserin
den Arm und führte sie in den Tempel, woselbst sie ihren
Namen in das Album der Besucher eintrug. Die Kaiserin

besichtigte dann unter Führung Martini's das Pantheon
und fuhr nach wenigen Minuten in den Quirinal zurück.
Nachmittags machte das Kaiser- und das Königspaar ge-
meinsamen Spaziergang und wurden allenthalben vom
Publikum stürmisch begrüßt. Abends 8 Uhr fand
Familientafel statt, an der die italienischen und fremden
Fürstlichkeiten Theil nahmen. Ein Comits angesehener
Bürger ließ Abends die antiken Denkmäler Roms fest-
lich beleuchten. Als Kaiser Wilhelm mit dem König
gegen Abend den Corso passirte, versuchte eine Volks-
menge die Pferde auszuspannen und konnte nur mit
Mühe daran gehindert werden. In den Straßen herrscht
auch Abends das regste Leben. Trotz der vom Cardinal-
vicar angeordneten Gebete um Regen herrscht prächtiges
Wetter.
Der Besuch des Kaisers beim Papste wird nach fol-
gendem Programm stattfinden: Um 12^2 Uhr am Sonn-
tag erscheint der Kaiser beim preußischen Gesandten v.
Bülow zum Frühstück. Unter den 14 Eingeladenen be-
findet sich auch Cardinal Ledochowski, der neuerdings
wieder angenehmere Beziehungen zur preußischen Regierung
unterhält. Kurz nach 2 Uhr kommt die Kaiserin nach
und fährt um 2 Uhr 30 Minuten mit den: Kaiser nach
dem Vatican, wo auf 3 Uhr der Empfang beim Papst
angesetzt ist. Die Kaiserin wird sich früher als der
Kaiser vom Papst verabschieden, und die Kunstsammlungen,
sowie die Peterskirche besuchen. Die Herrschaften kehren
einzeln zur Gesandtschaft zurück und fahren von dort zu-
sammen wieder zum Quirinal.

Der neue badische Gesandte in Berlin.
Die „Karlsr. Ztg." bestätigt halbamtlich, daß das
derzeitige Collegialmitglied des Ministeriums der Justiz,
des Cultus und Unterrichts, Herr Geh. Oberregierungs-
rath Dr. v. Jagemann zum Gr. Gesandten am Berliner
Hofe ausersehen sei. Es dürfen somit die folgenden kurzen
Mittheilungen über die seitherige Thätigkeit des Herrn v.
I. im staatlichen Dienste allgemein interesstren. Herr v.
I. ist aus dem staatsanwaltschaftlichen Dienst, mit
längeren Aufenthalten in Bühl, Mosbach und Freiburg,
in das Justizministerium berufen worden, wo ihm die
Leitung des Geiängnißwesens, sowie das Respiciat für
Budget und Bausachen übertragen wurde. Als die Frucht
eingehender Studien bezüglich des Gefängnißwesens darf
das mit Fr. v. Holtzendorff gemeinsam verfaßte große
„Handbuch des Gefängnißwesens" bezeichnet werden: die
Auszeichnungen, die ihni auf den Pönitentialcongressen zu

An einem Kcrcrv.
10) Lrlminalgeschichte von Jenny Hirsch.
(Fortsetzung.)
„Der Schmerz und die Angst müssen Dich wahn-
sinnig gemacht haben!" rief sie.
Lina schlug ein gräßliches Lachen auf. „Das wäre
Dir Recht, der Onkel todt und ich wahnsinnig, dann
hättest Du freies Feld. Man könnte den Verstand ver-
lieren über solche Greuel, aber Gott wird mich behüten,
damit ich den treuen Gemordeten rächen kann!" Sie
wollte sich über den Leblosen stürzen, das Stubenmädchen,
selbst an allen Gliedern zitternd, zog sic beim Arme zurück.
„Fassen Sie sich, Fräulein," bat sie; „der Herr Baron
hat einen Schlaganfall gehabt, vielleicht ist noch Hülfe.
Etzir wollen Aerzte holen."
„Ein Schlagfluß ja, aber erst in Folge eines Mord-
anfalls!" kreischte Lina; „holt Aerzte, holt die Polizei!
Nas steht Ihr noch hier!" herrschte sie den Leuten zu.
Friedrich hatte den Befehl nicht erst abgewartet, sondern
War schon verschwunden, die Köchin und das Stuben-
mädchen stürzten ihm nach, nur die Jungfer blieb bei den
Fräuleins zurück und bemühte sich um Lina, die in einen
Krampf gefallen war, lachte und weinte, mit Händen und
Füßen um sich schlug und heftige Drohungen gegen
Johanna ausstieß, die sich finster und trotzig in das Wohn-
zimmer zurückgezogen hatte. Nur mit der größten An-
strengung gelang es Susanne, Fräulein Lina einige Klei-
dungsstücke übcrzuwerfen.
Der langjährige Hausarzt des Barons, Geheimrath
Henning, der ganz in der Nähe wohnte, erschien nach

wenigen Minuten, ihm folgte oeinahe auf dem Fuße der
ebenfalls in der Nachbarschaft wohnende Justizrath Birkner,
der Sachwalter und älteste Freund des Barons, zu dem
die Dienstboten in ihrer Bestürzung und Rathlosigkeit wie
aus Instinkt gestürzt.
Es bedurfte für den erfahrenen Arzt nur eines Blickes,
um ihn zu überzeugen, daß seine Hülfe hier zu spät
komme und der Baron eine Leiche sei, dennoch nahm er
eine Untersuchung vor, nach deren Beendigung er den
Justizrath bei Seite nahm und ihm zuflüsterte: „Ein
Lungenschlag, aber in Folge gewaltsamer Erstickung."
Birkner prallte erschrocken zurück, aber Lina, deren
feines Ohr die Worte aufgefangen hatte, erhob von Neuem
ein Jammergeschrei und rief: „Ich wußte es ja, er ist
ermordet! O des Jammers, o der verruchten Hand, die
sich gegen dieses theure Leben erheben konnte! Hier, hier
steht die Mörderin!"
Mit geballten Fäusten stürzte sie auf Johanna los.
Der Justizrath ergriff sie beim Arm.
„Kind, Kind, was reden Sie da!" mahnte er.
„Ihre Nerven sind durch den Schreck überreizt," fügte
der Arzt begütigend hinzu, „trinken Sie etwas Wasser."
Er wollte ein Glas an ihre Lippen führen, aber sie wehrte
ihn mit den heftigen Worten ab: „Ich bin nicht im
Fieber, ich weiß, was ich spreche."
„Lina," warnte der Justizrath, „die Polizei muß binnen
wenigen Minuten hier sein, besinnen Sie sich, ehe Sic
eine Beschuldigung wiederholen, von der die Beamten
Kenntniß nehmen müssen, so ungereimt sic auch immer
klingen mag."

„Sie haben in Ihrer verzweifelten Erregung etwas
Ungeheuerliches ausgesprochen," sagte der Geheimrath.
„Etwas Ungeheuerliches?" wiederholte sie auffahrend;
„Sie, Herr Geheimrath, sind es, der das Ungeheuerliche
ausgesprochen, welcher der verruchten Mörderin das Mittel
angegeben, durch welches sie am Leichtesten zum Ziele
kommen kann!"
Der Geheimrat!) starrte sie mit weit aufgerissenen
Augen an. „Ich?" brachte er mühsam hervor, „wollen
Sie etwa mich der Mitschuld an dem Morde anklagen?"
Sie schüttelte den Kopf. „Das nicht; aber sagten
Sie nicht erst vor wenigen Tagen in meiner und in —
in — Johannas Gegenwart zum Onkel, er solle sich nicht
in so viele schwere Kissen packen, es gehöre nicht viel dazu,
einen Mann von seiner Constitution zu ersticken."
„Das sagte ich allerdings, aber —" e
„Sie bat es nur zu gut gemerkt; gesteh , daß Deine
Hand die Kissen auf den Mund des Onkels drückte!"
schrie sie, Johanna von Neuem gm Arme packend.
Johanna hatte bisher wie eine Bildsäule gestände»
und Linas Beschuldigung mit angehört, als ob die Person,
die sie trafen, ihr durchaus fremd sei. Alles, was um
sie her vorging, erschien ihr unfaßbar, unglaublich. Bei
Linas Angriff bekam sie Leben, schüttelte sie von sich ab
und sagte mit verbaltener Stimme: „Da ich hier doch
nichts nützen kann, so werde ich auf mein Zimmer gehen,
Niemand kann von mir verlangen, daß ich noch länger
nut anhöre, wie man mich in so empörender Weise be-
schimpft und beleidigt." Sie sah finster, undcimlich aus,
indem sie so sprach. Ihr brünetter Teint war aschfarben
geworden, die Augen schauten unter den zusammenge-
 
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