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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 91 - No. 100 (19. April - 29. April)
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Theil wurden, dürfen ebenfalls als Anerkennung seiner
verdienstvollen Thätigkeit auf diesem schwierigen Gebiete
gelten. Ferner wurde Herrn v. Jagemann die Bearbei-
tung der staatlichen Angelegenheiten im Betreff des kath.
Eultus übertragen und er wurde mit Sendungen im
Ausland betraut. Jin Jahre 1882 wurde Herr v. I.
zur persönlichen Dienstleistung bei dem Großherzog nach
der Mainau berufen und zum Rechtsbeirath bei der Gr.
Civilliste ernannt. Sein Studium absolvirte Hr. v. I.
in Berlin, Brüssel und Heidelberg. Er betheiligte sich
freiwillig am deutsch-französischen Kriege und gehörte
längere Zeit bei der Reserve- bezw. Landwehr-Cavallerie
als Officier der Armee an. Schon frühzeitig machte sich
Herr v. I. durch schriftstellerische Arbeiten, deren Be-
deutung allgemein gewürdigt wurde, einen angesehenen
Namen. Herr v. Jagemann ist ein Sohn des durch seine
strafrechtliche Reformen in Baden bekannten Criminalisten
Ministerialraths Ludwig v. Jagemann und ein Enkel
des verdienstvollen badischen Finanzministers von Boeckh.

Deutsches Reich.
Berlin, 20. April. Die Thatsache, daß Paul Graf
Hoensbroech aus dem Jesuitenorden ausgetreten, ist
geeignet, das größte Aufsehen zu erregen. Graf Paul
Hoensbroech, der etwa 31 Jahre alt ist, gehört dem
Orden seit 8 —10 Jahren an; er war in weiteren Kreisen
dadurch bekannt geworden, daß er neben dem Convertiten
Frhrn. v. Hammcrstein, einem Vetter des Chefredakteurs
der „Kreuzztg.," zu den hitzigsten und streitbarsten Vor-
kämpfern des Jesuitenordens in Deutschland gehörte. Aus
den letzteren Jahren erinnern mir nur an sein öffentliches
Eintreten für die Aufhebung des Verbotes des Jesuiten-
ordens, an seine 1891 erschienene Schrift: „Warum sollen
die Jesuiten nicht nach Deutschland zurückkehren?" und
an seinen Kampf, den er mit den „Preußischen Jahr-
büchern" über die Behauptung geführt hat, daß zwischen
der jesuitischen Lehre und dem deutschen katholischen
Glauben wesentliche Unterschiede bestehen. Wir wir hören,
wird Graf Hoensbroech die Gründ e seines Austritts
in einem Aufsatz in den „Preußischen Jahrbüchern" dem-
nächst darlegen.
Berlin, 20. April. Der neue Antrag Ahlwardt's
wird weder von den Blättern noch im Reichstage ernst
genommen, sondern nur als ein Manöver, sich um die
versprochenen Beweise zu drücken, weil er für seine An-
schuldigungen kein Beweismaterial hat. Selbst die Social-
demokraten werden voraussichtlich diesen Antrag nicht unter-
stützen.
^Frankreich.
Paris, 20. April. Die Regierung traf für den ersten
Mai Vorkehrungen zur Ausrechthaltung der Ordnung.
Das Militär zeigt sich an dem Tage nicht auf den Straßen
und Plätzen und wird in öffentlichen Gebäuden und in
der Nähe von Oertlichkeiten zusammengezogen, wo seine
Gegenwart etwa nothwendig erscheinen sollte.
Italien.
Florenz, 20. April. DieTrauung desFürsten
FerdinandvonBulgarienmitderPrinzessin
von Parma hat heute Nachmittag in der Villa Pianora
stattgefunden.
Serbien.
Belgrad, 20. April. Ristic ist fest entschlossen,
Serbien zu verlassen und nach London überzufiedeln. Der
König empfing gestern eine Deputation der serbischen
Judenschaft. Der König erwiederte auf ihre Ansprache,
daß, wie die serbische Judenschaft seinen Vorfahren auf
dem Throne, so auch seinem Herzen wegen ihres bewährten
Patriotismus sehr nahe stehe. Wiewohl ihre Rechte durch
die Verfassung geschützt werden, versichere er sie noch seines

zogenen Brauen scheu und drohend darein, die Lippen
preßten sich so fest aufeinander, als wollte sie ihnen kein
Wort mehr entschlüpfen lassen. Entschlossen wandte sie
sich um und that einige Schritte gegen die Thür, aber
wie eine Schlange schoß Lina hervor und versperrte ihr
den Weg.
„Nicht von der Stelle!" zischte sie. „Sie will
entfliehen."
Die beiden Herren tauschten einen schnellen Blick
des Einverständnisses, und der Justizrath sagte: „Bleiben
Sie hier, Fräulein Johanna."
Das junge Mädchen achtete nicht auf den Zuruf,
sondern suchte die Thür zu gewinnen. Der Geheimrath
legte ihr die Hand auf die Schulter und mahnte in
väterlichem Ton : „Gehen Sie nicht, Kind ; jeder Schritt
den Sie thun, verstärkt den Verdacht gegen Sie."
Johanna prallte zurück. „Auch Sie, Herr Geheim-
rath, auch Sie!" stieß sie mühsam hervor.
„Wir haben Sie nicht in Verdacht, aber es ist unsere
Pflicht, Sie vor übereilten Schritten zu bewahren," suchte
sie der alte Herr zu beschwichtigen, doch Johanna hörte
nicht auf ihn.
„So bin ich also schon eine Gefangene," sagte sie
trotzig, warf sich in einen Lehnstuhl, drückte den Kopf in
die Kissen und würdigte ihre Umgebung keines Blickes mehr.
Lina setzte sich zwischen die beiden Herren und er-
zählte ihnen flüsternd die Bgebenheiten der Nacht und
des verflossenen Tages.
VI.
Die Ankunft der Polizeibeamten machte der furcht-
baren Spannung, in welcher sich die neben dem Sterbe-

besonderen Wohlwollens und ersuche sie, allen ihren Reli-
gionsgenossen seinen königlichen Gruß zu entbieten.
Belgrad, 20. April. Ristic hat an Dr. Dokic
, ein Schreiben gerichtet, in welchem er über seine Gefangen-
nahme lebhafte Beschwerde führt. Als dieser Brief dem
König gezeigt wurde, babe dieser lächend gesagt: „Herr
Ristic scheint rasch das Blutbad von Goracic vergessen zu
haben, wo er kaltblütig zweiundvierzig Serben wie Hunde
niederschießen ließ. Ich aber habe diese Gewaltthat nicht
vergessen. Ristic soll dafür büßen."
Schweden-Norwegen.
Christiania, 20. April. Die Morgenblätter halten
eine Krise für wahrscheinlich. „Morgenbladet" meint,
das Ministerium Steen werde demissioniren und der König
den Präsidenten Storthing, Nielsen, mit der Bildung
eines Kabinets beauftragen. Authentisches fehlt noch.
Deutscher Reichstag.
Berlin, 20. April.
Der Reichstag berieth zuerst den Gesetzentwurf
zum Schutze der Warenbezeichnungen.
Abg. Dr. Ha mm ach er (nl.) erkennt an, daß der
Entwurf einen wesentlichen Fortschritt gegen die bestehende
Markenschutzgesetzgebung bedeute, behält sich indessen vor,
in der Commission Abänderungsvorschläge zu machen.
Abg. Schmidt-Elberfeld (freis.) stimmt gleichfalls
trotz mancher Bedenken der Vorlage zu, die mit großer
Sorgfalt vom Reichsamte ausgearbeitet sei, und ist gleich
dem Vorredner der Ansicht, daß die Rechtsprechung bei
Streitigkeiten dem Patentamte überlassen werden müsse.
Wesentliche Bedenken habe er gegen die Bestimmungen
über die Beziehungen zum Auslande und die Rechte der
Ausländer. Diese Bestimmungen reichten nicht aus.
Abg. R. Schmidt-Elberfeld (deutschfr.) spricht sich
schließlich gleich dem Abg.Hammacher für dieUeberweisung
der Vorlage an eine Commission aus.
Abg. Buol (Centrum) erblickt ebenfalls in dem
Gesetz einen wesentlichen Fortschritt; es empfehle sich
aber, eine Vereinfachung des Prüfungsverfahrens, sowie
eine Herabsetzung der Eintragungsgebühren herbeizuführen.
Ministerialdirector Nieberding vertheidigt zunächst
die Regierung gegen den Vorwurf, mit der Revision des
Gesetzes zu lange gewartet zu haben, und wendet sich
dann gegen das Verlangen des Abg. Hammacher, die
Rechtsprechung in Markenangelegenheiten dem Reichsgerichte
zu entziehen; die Rechtsprechung dem Patentamt zu über-
weisen sei unräthlich, weil das zu großen Schwierigkeiten
führen würde.
Abg. Nieberding bestreitet die Ausführungen des
Abg. Schmidt über schlechte Behandlung deutscher Maaren
in England und hofft, daß der Entwurf nach dieser
Session Gesetz werde.
Die Abg. Hultzsch und Goldschmidt wünschen
gleichfalls eine möglichst rasche Verabschiedung der Vorlage.
Der Gesetzentwurf wird hierauf der Commission über-
wiesen.
Hierauf folgtFortsetzungderBerathungdesWuchergesetzes.
Paragraph 302 s, gewohnheits- und gewerbsmäßiger
Sachwucher wird angenommen. Ferner wird der Antrag
Buols mit den Unteranträgen Hahn, daß eingetragene
Genossenschaften von der Rechnungslegung nur befreit
sein sollen, soweit es sich um den Geschäftsverkehr mit
ihren Mitgliedern handelt, Geschäftsverbindungen dagegen,
die nur in einem Abschlüsse bestehen, der schriftlich statt-
gefunden, der Verpflichtung zur Rechnungslegung unter-
liegen sollen, in namentlicher Abstimmung mit 131 gegen
83 Stimmen angenommen. Dafür stimmten die kon-
servativen Fraktionen, das Centrum und wenige National-
liberale.

zimmer befindlichen Personen befanden, ein Ende, um
noch viel peinlichere Auftritte herbeizuführen. Der Polizei-
lieutenant ließ sofort nicht nur Wohn- und Schlafzimmer
des Barons, sondern das ganze Haus tageshell erleuchten,
und eine genaue Untersuchung aller Thüren, sowie der
Umgebung des Hauses vornehmen, während der in seiner
Begleitung erschienene Gerichtsarzt die Leiche besichtigte.
Er konnte nur das Urtheil des Geheimraths bestätigen;
der Baron war leicht am Halse gewürgt, dann aber mit
dem Kopfkissen erstickt worden und in Folge dessen bei
dem starken, etwas asthmatischen Herrn schnell ein Lungen-
schlag eingetreten. Alle Anzeichen deuteten darauf hin,
daß er im Schlafe überrascht, von einer Hand schnell
um den Hals gepackt, niedergedrückt, und durch ein auf
Mund und Nase gepreßtes Kissen erstickt worden sei.
Der Tisch schien nicht von dem Opfer umgeworfen zu
sein, sondern von dem in größter Hast vom Schauplatze
seiner Missethat fliehenden Mörder.
Wer aber war dieser Mörder? Wie war er in's
Haus und wieder hinausgekommen? Welche Beweg-
gründe hatten ihn zu dem Verbrechen vermocht? Auf alle
diese Fragen gab es vorläufig keine Antwort.
Trotz der sorgfältigsten Untersuchung der Polizeibe-
amten ließ sich an keinem Thürschloß und an keinem
Fenster nur die leiseste Spur einer gewaltsamen Oeffnung
erblicken; der Fußboden des Vor- und Hintergartens der
Villa war fest gefroren und zeigte keine Fußstapfen, wäre
dies aber auch selbst der Fall gewesen, so hätten sich da-
ran keine Folgerungen knüpfen lassen, denn es war von
der Dienerschaft, die den Arzt, den Justizrath und die
Polizei herbeigeholt, viel hin und her gelaufen worden.

Als Artikel 5 beantragt Abg. Rintelen folgendes :
Der Landesgesetzgebung bleibt es überlassen, besondere
Bestimmungen zur Verhütung und Bestrafung des Wuchers
bei Handel mit Vieh, bei Viehpacht und bei Handel mit
ländlichen Grundstücken zu treffen. Abg. Rintelen be-
gründet den Antrag mit dem Hinweis auf die verschieden-
artigen Verhältnisse in den einzelnen Landesthcilen.
Vortragender Rath im Reichsjustizamt Gebeimrath
Dungs äußert verfassungsmäßige Bedenken gegen den
Antrag, denen auch Abgeordneter von Bahr (dfr.) sich
anschließl.
Abg. Graf v. Hoensbroech (Ccntrum) spricht
für, Abg. Stadthagen (Soc.) gegen den Antrag.
Die Abgg. Marquardsen und Kardorff
wünschen bei der dritten Lesung neue Bestimmungen in
das Gesetz aufzunehmen.
Abg. Böckel (Antisemit) steht auf dem Boden des
Antrages, welchen er für einen Fortschritt hält.
Hierauf wird der Antrag Rintelen angenonimen.
Damit ist die zweite Berathung des Wuchergesetzes
beendet.
Nächste Sitzung morgen: Neichsseuchengesetz und
kleinere Vorlagen._
Aus Wcry und Jern.
* Karlsruhe, 20. April. Die Großherzogin hat
der Abtheilung III des Badischen Frauenvereins das
Ergebniß einer öffentlichen Ausspielung von 146 selbst-
gefertigten Arbeiten, welchen die Kronprinzessin von
Schweden mehrere gleichfalls eigenhändig angefcrtigte Ar-
beiten beifügte, im Gesammtbetrage von 2003 ^6. 79
überwiesen, ebenso der Abtheilungskasse III das Ergebniß
einer weiteren von der Großherzogin in engerem Kreise
veranstalteten Lotterie von 86 selbstgefertigten Handar-
beiten im Betrage von 856 50 L
* Karlsruhe, 20. April. Der Bau der neuen Jn-
fanteriekaserne soll unverzüglich mit einer großen Arbeiter-
zahl begonnen werden.
* Mannheim, 20. April. Auf eine für den Treu-
losen verhängnißvolle Weise rächte sich eine dahier wohn-
hafte Büglerin, als sie sich von ihrem Geliebten, dem
Feldwebel St. vom hiesigen Grenadierrcgiment, verlassen
sah. Dieselbe richtete nämlich an das Auditoriat in
Karlsruhe ein Schreiben, in welchem sie ihren bisherigen
Anbeter denuncirte, daß dieser in seiner früheren Stellung
als Kammerunteroffizier sich eine größere Anzahl Kleidungs-
stücke unrechtmäßiger Weise angeeignet habe. Vor wenigen
Tagen kam nun der Auditor von Karlsruhe plötzlich
nach Mannheim und begab sich in Gemeinschaft mit
mehreren höheren Offizieren des Grenadierregiments in
die Wohnung des St., wo sie diesen auffordcrten, den
Schrank zu öffnen. Hiebei zeigte sich, daß die Denun-
ziation der Betrogenen auf Wahrheit beruhte. St.
wurde sofort abgeführt und wird nun wohl genügend
Muße erhalten, über die Schillerschen Worte nachzudenken:
„Da werden Weiber zu Hyänen!"
* Ladenburg, 20. April. In der letzten Sitzung
des Gauausschusses der Landw. Bezirksvereine des Pfalz-
gauverbandes wurde beschlossen, daß in diesem Spätjahre
ein landwirthschaftliches Gaufest in Ladenburg abge-
halten werden soll.
* Vom Taubergrund, 20. April. Der starke Frost
in der Nacht vom Montag auf Dienstag hat an den in
voller Blüthe steh enden Obstbäumen und den Reben einen
Schaden angerichtet, der sich vorläufig noch nicht voll-
ständig überschauen läßt.
* Aus Thüringen, 20. April. Eine neue epoche-
machende Erfindung auf dem Gebiete der Waffentechnik
„soll" der Geheime Kommerzienrath Ehrhardt in Zella

Auch die Vernehmung der Leute ergab sehr wenig-
Sie waren theils durch das Gepolter, theils durch das
Geschrei der jungen Damen aus dem Schlafe geweckt
worden und hatten den Baron todt und das Zimmer
in einer greulichen Verwüstung gefunden. Wie auf
Verabredung erwähnte zunächst Niemand von ihnen
etwas von dem durch Fräulein Lina geäußerten Verdacht;
dagegen bekundeten sie einstimmig, daß sie, als sie fort-
geeilt wären, die Hausthür fest verschlossen gefunden
hätten. Der Kutscher, der seine Wohnung über dem
Pferdestall hatte, war erst durch den Diener geweckt worden,
ebenso der Portier, ein alter, etwas schwerhöriger Mann,
ein ehemaliger Soldat, dem der Baron das Gnadenbrod
gab. Scharf in's Gebet genommen, versicherte er hoch
und heilig, nach dem Einbruch der Dunkelheit sei außer
dem Assessor von Werdenfcld kein Fremder in's Haus
gekommen, und Letzterer habe sich bald nach zehn Uhr
wieder entfernt.
Nach der übereinstimmenden Aussage der Hausge-
nossen hatte der Baron die Gewohnheit gehabt, seine
Zimmer nicht zu verschließen, damit ihm, im Falle er
sich in der Nacht unwohl fühlen und klingeln sollte, un-
gesäumt Hülfe werden könne. Seine Werthpapiere und
das baare Geld, das er im Hause hatte, verwahrte er,
wie der Justizrath und seine Nichten wußten, in einer
eisernen Kassette, mit sehr kunstreichem Schlosse, dessen
Schlüssel er beständig bei sich führte. Diesen Schlüssel
fand man sofort unter den Scherben am Boden, er
mußte aus dem Nachttische gelegen haben und mit den
anderen Sachen heruntergerissen sein.
(Fortsetzung folgt.)
 
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