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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 61 - No. 70 (12. März - 23. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0263

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Verkündigungsblatt und Anzeiger

Die,^Nürgerreitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Ter Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

Abonttementspreis
für Heidelberg: monatl- 4V Pfg. mit
Trägcrlohn, durch die Post bezogen
vierteljährl. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Zusertionspreis: 10 Pf. sür die 1-spalt-
Petitzeile od. deren Raum- Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigen 5 Pf.

Heidelberg, Mittwoch, 15. März

18S3.

Expedition:
Hauptstratze25.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
beträgt für Heidelberg und nächste Umgebung
Monatlich nur 40 Pkst.
mit Trägerlohn.
Für auswärts vom 1. April ab vierteljährlich
am Postschalter abgeholt:
WM- 1 Mark -Mk
durch den Briefträger frei in's Kans gebracht:
1 Mk. 40 Pfg.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
auswärts durch die Post, innerhalb der Stadt und nächster
Eingebung durch unsere Träger entgegengenommen.
Verlag der „Bürger-Zeitung".
Was wird mit dem Panamakanal?

Der „Figaro" hatte bisher einer Weiterführung der
Arbeiter am Panamal-Kanal und einer Rekonstruction
Ett Gesellschaft sehr warm das Wort geredet; um sich
ledoch von dem Stand der Dinge an Ort und Stelle
überzeugen, entsandte die Redaction einen Berichter-
^atrer nach der Landenge, der nunmehr zurückgekebrt ist
^hd über seine Wahrnehmungen Rechenschaft ablegt,
^eine Schlußfolgerungen, die durch die von ihm bei-
machten Thatsachen belegt sind, faßt er in folgende
^vrte zusammen:
Die Subskribenten haben 1400 Millionen eingezahlt,
Musgabt wurden auf die Landenge 769 Millionen.
Das babe ich Kilometer für Kilometer nachgewiesen,
^e eigentlichen Arbeiten figuriren in jener ansehnlichen
. ffammtsumme nur mit 441 Millionen. Davon sind
^vch noch die an Unternehmer jeder Art unter allen
^enklichcn Formen gezahlten ungeheuren Entschädigungen
?Mziehen; auch muß man dabei die übertriebenen Preise,
an die großen Unternehmer der Erdarbeiten gezahlt
^tde, in Betracht ziehen.
Die übrigen 328 Millionen sind für Maschinen.
^Mobilien, Materialien, Bodenankäufe verausgabt,
streiche kostspielige Mißgriffe sind auch von dieser

Summe abzuziehen, bevor man die nützliche Ausgabe
erreicht.
Zur gegenwärtigen Stunde bedeuten also obige 769
Mill, nur noch höchstens 300 Millionen, die sich fol-
gendermaßen zusammcnsetzcn: Maschinen, Materialien,
Immobilien 70 Millionen, geleistete Arbeit 230 Mill.
Die geleistete Arbeit ist die leichte, die noch zu leistende
aber die, welche alle Schwierigkeiten des Unternehmens
umfaßt. 30 Kilometer, 8 auf der pacificischen, 22 auf
der atlantischen Seite gelten als vollendet. Sie sind es
nur unvollkommen, und seit Einstellung der Arbeiten
sind gewaltige Versandungen im Umfange von mehreren
Millionen Kubikmetern hervorgetreten. Rein mathe-
matisch betrachtet, sollten bei einer Gesammtlänge von 75
Kilometern diese 30 Kilometer 2/5 des Kanals darstellen,
in Wahrheit thun sie es aber nicht, weil die überwundenen
Schwierigkeiten in gar keinem Verhältniß zu den noch
zu überwindenden stehen.
Ueberblickt man die zu leistende Gesammtarbeit und
ihre Schwierigkeiten, berücksichtigt man die an den bereits
fertig gestellten Strecken eingetretenen Verschlechterungen,
so kommt man zu dem Schluß, daß die fertige höchstens
1/4 der gesammten Leistung ist. Kann man danach mit
gutem Gewissen behaupten, die Arbeit sei bereits so weit
fortgeschritten, daß sie nicht mehr aufgegeben werden könnte?
Es erhebt sich nun die Frage: was muß geschehen,
um die noch übrigen zu vollenden? Auf der Land-
enge nimmt man nur ein einziges Projekt ernst, das im
Jahre 1889 von der Studienkommission, die der erste
Liquidator Brunet nach Panama entsandte, aufgestellte.
Dies Projekt sah eine Ausgabe von 900 Millionen
vor; seit jener Schätzung sind aber 4 Jahre verstrichen.
Die Verschlechterung der Arbeiten, der Verfall des Materials,
die richtigere Verwerthung einiger Arbeiten, über welche
die Kommission nur ungenügend unterrichtet war, erhöhen
die Ausgaben um 150 Millionen. Gut informirte Männer
halten aber auch diese 1050 Millionen noch für un-
genügend. Die Studienkommission berechnet den Netto-
ertrag des Kanals und zwar nach acht Jahren, auf 50
Millionen, d. h. also kaum 5 pCt. für das zur Vollendung
erforderliche Kapital. Folglich haben die Zeichner der
ersten 1400 Millionen nichts, gar nichts zu erwarten.
Die Frage nach der Vollendung des Kanals, in ihren
wirklichen Lichte betrachtet, resumirt sich also wie folgt:
Es ist eine Unternehmung sehr schwieriger Natur, von un-
gewissem und bestenfalls mittelmäßigem Ertrag — für
deren Vollendung den französichen Ersparnissen noch ein-
mal eineMilliarde u. 50 Millionen abgefordert werden sollen.

Deutsches Reich.
Karlsruhe, 13. März. Die badischen Reichstags-
abgeordneten beantragen eine Resolution, worin
eine genügende Entschädigung des Einzelstaats
wegen der Betriebsverluste bei den Landesvertheidigungs-
bahnen gefordert wird. — Geh. Rath vonBrauer wurde
zum Minister des Großherzoglichen Hauses und der
auswärtigen Angelegenheiten ernannt.
Mannheim, 12. März. Eine öffentliche Centrums-
versammlung beschloß heute eine Resolution zur
Militärvorlage. Gegen die Vermehrung der indirektete
Steuern und Beschränkungen auf kirchenpolitischem Gebiet
wird protestirt.
Berlin, 13. März. Die „Nordd. Allg. Ztg." de-
mentirt die römische Blättermeldung, der Kaiser werde
von dem Reichskanzler nach Rom begleitet sein, und
theilt mit, die Begleitung bestehe in dem Staatssekretär
Frhrn. v. Marschall, Qberhofmarschall Grafen Eulenburg,
den KabinetSchefs und in glänzender militärischer Suite,
sowie dem Gefolge der Kaiserin.
Berlin, 13. März. Die „Post" ist in der Lage,
die Nachricht, daß die süddeutschen Regierungen einer
Reichstagsauflösung abgeneigt seien, als irrig zu
bezeichnen,
Berlin, 13. März. Das Gouvernement von
Deutsch-Ostafrika telegraphirt aus Dar-es-Salaam:
Nach amtlicher Meldung aus Tabora erstürmte Lieutenant
Prince nach einer vom 10. bis zum 13. Januar
dauernden Belagerung die festungsartige Residenz des
unbotmäßigen Häuptlings Sikki. Auf unserer Seite sind
ein farbiger Offizier und vier farbige Soldaten gefallen,
sowie 17 farbige Soldaten verwundet. Der Häuptling
Sikki selbst ist gleichfalls gefallen.
Dortmund, 13. März. Die Vertrauensmänner der
Centrumspartei stellen Herrn Schorlemer-Alst als
Kandidaten für den Reichstag auf.
Stuttgart, 13. März. Kardinal Hohenlohe
ist gestern Abend aus Rom hier eingetroffcn.
Frankreich.
Paris, 13. März. Die Morgenblätter bezeichnen
es als wahrscheinlich, daß die verschiedenen Interpellationen
über die Panama-Angelegenbeit zusammengefaßt
werden unter Einschluß derjenigen Millevoyes betreffend
Floquet, Freycinet und Clemenceau. In
letzterem Falle würden Floquet und Clemenceau sich an
der Debatte betheiligen. Man spricht auch von einer
C a v a i g n a c s.

SchicksclL'swege.
Novelle von C. Fontane.

(Fortsetzung.)
tj-i »Ihr habt es heut darauf abgesehen, mich zu ärgern,"
Ida hochroth im Gesicht und lief aus der Thür.
Der Bruder sah ihr lachend nach.
a '»Nun, lieber Sohn, wie steht cs mit Deiner Pa-
^in?" fragte die Mutter.
y, -leidlich gut, Mama. Ich werde vielleicht über-
tz^en noch einmal hinübergehen, und dann wird es
weiteren ärztlichen Behandlung mehr bedürfen."
»Das ist mir lieb, denn ich glaube, daß Onkel Her-
nächsten Sonntag zur Kirche hereinkommen und
darauf bestehen wird, Dich mit hinauszunehmen,
haben heut Donnerstag," also noch drei Tage. —
ljh , sage, wie gefällt Dir der Major? Du bist ja ziem-
>ange geblieben."
"Sehr gut, obgleich er unverkennbar einen schweren
mit sich herumträgt, den er vergeblich zu ver-
sucht. Er muß trotz seiner finsteren, verschlossenen
seh^stite xjn Mann von dem besten Herzen sein, das
an der zarten und liebevollen Fürsorge für seine
die seine Liebe übrigens in vollem Maaße er-
Er vermeidet es augenscheinlich, von seiner
en militärischen Stellung zu sprechen. Ich muß
°/Nehmen, daß seine frühzeitige Verabschiedung —
ih^ ''u ja kaum die Mitte der Vierzig erreicht haben —
empfindlich ist. Für einen Mann von That-
und Energie muß es allerdings schwer erträglich

sein, sich in der Vollkraft des Lebens aus der selbst-
gewählten Karriere herausgerissen und zu unfreiwilliger
Unthätigkeit, oder doch zu einer, seinen Neigungen nicht
entsprechenden Thätigkeit verurtheilt zu sehen, doppelt
schwer, wenn ihn ein solches L»os unverschuldet trifft."
Ida trat wieder ein und unterbrach die Unterhaltung
zwischen Mutter und Sohn.
Am nächsten Tage kam Herr Peters wieder. Es war
ein kleines bewegliches Männchen mit freundlichem Voll-
mondgesicht und einer bedenklichen Glatze, die er ver-
gebens durch sorgsames Darüberstrcichen der spärlichen
Haare seines Hinterhauptes entsprechend zu verbergen
strebte. Herr Peters war früher Uhrmacher gewesen und
hatte während seiner Gehilfenzeit viel von der Welt ge-
sehen, auch in Paris und der französischen Schweiz ge-
arbeitet. Als er dann später nach Berlin kam, hatte er
auch Gelegenheit gefunden, die Bretter zu betreten, welche
die Welt bedeuten.
Jenes Liebhaber-Theater, welches älteren Berlinern
unter dem Namen der „Grünen Neun" in Erinnerung
ist, und welches manchem Genie den Raum für feine
ersten Flügelschläge geboten bat, gab auch dem jungen
Peters Gelegenheit, hauptsächlich jenen Zweig der dra-
matischen Kunst zu kultiviren, welcher in der Abstattung
von Meldungen, dem Ueberreichen unerwarteter Briefe
und ähnlichen Leistungen gipfelt.
Später hatte er sich in seiner Vaterstadt Waldau nie-
dergelassen und die edle Kunst der Uhrmacher mit solchem
Erfolge betrieben, daß er sich mit fünfzig Jahren als
wohlkonfervirter Gargon vom Geschäft zurückziehen und
nach seiner Neigung leben konnte. Nun erwachten auch

seine schauspielerischen Reminiscenzen wieder mit altert
Macht, er ward der Begründer und künstlerische Dingen
des Waldauer Liebhaber-Theaters.
„Wie glücklich, daß ich Sie antreffe, Herr Doktor",
sagte er nach erfolgter Vorstellung, „ich rechne darauf, daß
Sie mein Fürsprecher bei Fräulein Ida sein werden. Der
Vorstand der Kasino-Gesellschaft hat beschlossen, das nächste
Kränzchen mit einer kleinen theatralischen Vorstellung zu
eröffnen, wir haben das bekannte Lustspiel „Kurmärker und
Pikarde" gewählt, und woher sollte ich eine Pikarde be-
kommen, wenn Fräulein Ida mir einen Korb gibt."
„Aber, lieber Herr Peters," warf Ida eirtt „es giebt
ja doch so viele junge Damen in der Kasino-Gesellschaft.
Suchen Sie nur, so werden Sie finden."
„Ja, das sagen Sie so leicht hin, verehrtes Fräulein,"
entgegnete Herr Peters mit einem vorwurfsvollen Blick,
„ohne eine Ahnung von den Schwierigkeiten zu baben,
denen man überall begegnet."
„Da ist Fräulein Fink," führ er, an den Fingern
zählend, fort. „War ibrer Zeit eine ganz nette junge
Dame, würde auch gerne annehmen, aber da würde ich
schön ankommen. Eine sechsunddreißigjährige Pikarde,
da wollen dann die Herren nicht mitspielen. Da ist
weiter Fräulein Topfhenkel, nun ja, die würde mir freilich
auch keinen Korb geben, aber die Tournüre, Fräulein
Ida, die Tournüre! Eine Französin obne Tournüre!
Und dann das Französisch! — Du lieber Gott, man
weiß doch auch, was Aussprache heißt. Nein, nein, das
geht gar nicht. Wir dürfen uns doch nicht blamiren.
— Und Herr Postsekrctär Stein hat mir nur unter der
Bedingung zugesagt, daß Sie die Pikarde übernehmen."
 
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