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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 81 - No. 90 (7. April - 18. April)
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Verkündigungsblatt und Anzeiger

AL «3

Heidelberg, Sonntag, 9. April

1893

idelberü-


Expedition:
Hauptstraße 28.

Herr Hagendorff war inzwischen aus dem Wirthschafts-
hofe zurückgekommen. Er blickte in alle Zimmer,-—nie-
mand zu sehen. Kopfschüttelnd ging er nach seinem Ar-
beits-Kabinet; das geheimnißvolle Treiben seiner Gäste,
seiner Tochter wurde ihm nachgerade unheimlich.
Eben hatte er sich in seinen Lehnstuhl gesetzt und die
Zeitung zur Hand genommen, als es an seiner Thür
klopfte. Auf sein Herein trat Herr oon Drandau in
das Zimmer.
„Sieh da, Herr Major. Ich habe Sie schon überall
gesucht. Bitte, wollen Sic sich nicht setzen und eine Cigarre
nehmen? Der Major zog sich einen Stuhl heran und
setzte sich dem alten Herrn gegenüber.
„Ich habe Ihnen zunächst eine Mittheilung zu machen,
mein weither Freund"' begann Herr von Brandau, „die
Sie vielleicht überraschen wird. Ihr Neffe, Dr. Kranz,
hat soeben bei mir um die Hand meiner Tochter ange-
halten. — Sie wissen, welche Dankesschuld ich ihm ab-
zutragen habe, wie ich ihn auch persönlich hoch schätze, und
ich darf daher kaum hinzufügen, daß ich ihm aus vollem
Herzen meine Zustimmung gegeben habe. Ich wüßte in
der That nicht, wem ich die Zukunft meines Kindes lieber
anvertrauen möchte, als gerade ihm."
Herr Hagendorff hatte sich bei den ersten Worten des
Majors hastig von seinem Stuhle erhoben, sich dann aber
wieder niedergesetzt. Seine maßlose Ueberraschung Prägte
sich so deutlich in seinen Zügen aus, daß es dem ernsten
Major fast ein Lächeln entlockte.
„Also Frida und — mein Neffe?" preßte er mühsam
hervor, „nun, ich gratulire, gratulire von Herzen, aber
— Sie verzeihen — die Ueberraschung. Nein, es ist in

SchickscrL'swege.
Novelle von C. Fontane.

die Gesellschaft und verließ, vom Verstände höflichst Ab-
schied nehmend, das Local. Gleich darauf kam ein mas-
kirter Spanier, welcher Eintrit verlangte, und obgleich der
an der Casse befindliche Gesammt-Vorstand erklärte, daß
nur Mitgliedern oder jenen Masken der Zutritt gestattet
ist, welche zuvor Karten gelöst hatten, suchte sich der
Spanier gewaltsam Zutritt zu verschaffen, und da ibm
der Vorstand in den Weg trat, zog die Maske — ein
Agent Provokateur — einen Dolch und stach damit auf
ein Vorstandsmitglied, welches jedoch nicht getroffen wurde.
Auf dieses hin wurde der Kerl gepackt und auf das
Pflaster hinausgeworfen. Um alle weiteren Unannehm-
lichkeiten zu vermeiden, wurden die Thüren und sämmt-
liche Fensterläden geschlossen und für keinen Menschen
mehr Eintritt gestattet. Das Hinauswerfen dieses Mord-
buben war aber das erwartete Signal zu einer unerhörten
Scene. Wie auf Kommando stürzten eine Anzahl
Polizeisoldaten auf das Local zu und verlangten
Einlaß. Da aber im Saale bei rauschender Musik ge-
tanzt wurde, so hörte es Niemand, daß es die Polizei
sei, welche Einlaß begehrte. Personen, welche in der
Nähe des Locals auf der Straße standen, hörten, wie
commandirt wurde, die Fenster zu demoliren und das
Local zu zerstören. Kaum waren diese Worte gefallen,
als sämmtliche an der Straße befindlichen Fenster mit
dem Säbel Angeschlagen und die Läden zertrümmert
wurden. Ehe es die Tanzenden nur gewahrten, fielen
die Eingedrungenen, ohne daß die Gäste aufgefordert
waren, das Local zu verlassen, über sie her und schlugen
mit dcn Säbeln rücksichtslos auf Männer, Frauen und
Kinder ein, so daß sofort Blut floß. Gleichzeitig fielen
von außen, wie durch Zeugen erhärtet werden kann, eine
Anzahl Revolverschüsse in den Saal, ohne daß glücklicher-
weise Jemand verletzt wurde.
Auf Ersuchen des deutschen Konsuls, Herrn Jonge de
Drusina, wurde dann Militär geschickt, um das Local
zu besetzen. Die Entrüstung aller anständigen Menschen
in Curityba über diese Vorgänge war natürlich groß. Die
Deutschen hielten eine Massenversammlung, welche eine
Deputation an den Gouverneur und Depeschen an den
Vicepräsidenten der Republik in Rio de Janeiro sowie an
den deutschen Gesandten daselbst sandte.
Hiermit ist leider die Liste der Gewaltthätigkeiten,
welche die Post aus Brasilien gebracht hat, noch nicht
erschöpft.
Solche und ähnliche Vorgänge werden erklärlich, wenn
man bedenkt, daß das Militär Brasiliens — eine un-
disciplinirte Schaar von 25 000 Mann — sich zum

Die „Bürgerzeitung"
^chcintZäglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Sonntagsnummcr liegt ein Unter-
Mtungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
dUnror. Repräsentanten „Ter deutsche
. Michel" bei

stlb.
Gartet
e Schlaff

Eine deutsche Wirthschaftspartei.
Unsere alten politischen Parteien haben es sich in der
letzten Zeit öfters sagen lassen müssen, daß sie sich über-
lebt hätten und daß es die höchste Zeit sei, sie durch neue
Gebilde von stärkerer Lebenskraft zu ersetzen. Ansätze zu
solchen Neubildungen sind schon verschiedentlich gemacht
worden, haben bisher aber noch keine dauernden Erfolge
erzielen können. Neuerdings wird an die Blätter ein
Aufruf versandt, welcher die Gründung einer „Deutschen
Wirthschaftspartei" in Aussicht nimmt. Auf dem
Boden einer nationalen Wirthschafts- und Socialpolitik
soll in dem Programme der neuen Partei die Forderung
der Int er ess ensoli darität von Landw ir thschaft,
Handwerk, Kleingewerbe und Industrie ihre
Verwirklichung finden. Deshalb wird in dem Aufrufe
verlangt: für die Landwirthschaft: 1. Intensive ge-
setzliche Förderung der auf Melioration des deutschen Grund
und Bodens, der auf innere Colonisation, sowie der auf
Sicherung und Hebung des ländlichen Kreditwesens ge-
richteten Bestrebungen. 2. Genügender Zollschutz für die
Erzeugnisse der Landwirthschaft und deren Nebengewerbe.
3. Deshalb keinerlei Handelsverträge, welche die deutsche
Landwirthschaft zugunsten der Erportindustrie schädigen.
4. Schonung insbesondere der kleinen landwirthschaftlichen
Nebengewerbe in steuerlicher Beziehung. 5. Absperrung
der Vieheinfuhr aus seacheverdächtigen Ländern. 6. Eine
ernste und eingehende Untersuchung darüber, welche Maß-
nahmen auf dem Gebiete der Währungsfrage zum Besten
der Landwirthschaft getroffen werden müssen. 7. Schärfere
staatliche Beaufsichtigung der Productenbörse, um willkür-
liche, das Interesse der Producenten wie der Konsumenten
gleichmäßig schädigende Preisbildungen soweit als möglich
zu erschweren. Für das Handwerk: Gesetzgeberische
Förderung seiner Bestrebungen auf Stärkung des Innungs-
wesens und Schutz gegen die Concurrenz des Pfuscher-

großen Theil aus dem Abschaum der Bevölkerung zu-
sammengesetzt. Dabei entwickeln auch die höheren Ofsiciere
oft die sonderbarsten Ansichten. Nach Beilegung eines
Konfliktes zwischen dem Volk und einigen Kavalleristen,
welche Mitte Februar im Hippodrom von Rio de Janeiro
stattgefundcn hatte, erschien der General Silva-Telles an
der Spitze von 100 Kavalleristen und machte einem
Officier Vorwürfe, „daß er das Volk nicht tüchtig zu-
sammengehauen habe." Silva Telles ist derselbe General,
den der Präsident als „Friedensapostel" nach Rio Grande
do Sul geschickt hat, um den General Silva Tavores,
den Führers der Aufständischen, zu „versöhnen".

„Aber", begann Frida plötzlich wieder mit ernstem
Gesicht, „in meinem grenzenlosen Egoismus habe ich ja
ganz vergessen, daß mein armer Papa nun wieder verein-
samt sein wird, daß vielleicht wieder der trübe Geist über
ihn Macht gewinnt, dessen Einfluß ich schon bewältigt
glaubte. Ach, ich wüßte wohl ein Mittel, durch welches
aller Kummer für immer von ihm fern gehalten werden
könnte."-
Sie war aufgestanden und vor die Freundin getreten:
„Dieses Mittel", fuhr sie fort, „Hedwig, liebe Hedwig,
darf ich es nennen?"
„Sonderbares Kind", sagte Hedwig, indem sie befangen
die Augen abwandte, denn sic fühlte, wie ein verräthcrisches
Roth ihr bis zu den Schläfen hinaufstieg.
Frida hatte sic scharf beobachtet, rasch kniete sie vor
ihr nieder und zog ihr die Hände herab, in denen sie ihr
erglühendes Gesicht verbarg.:
„Hedwig, verbirg Dich nicht. Ich habe es ja längst
bemerkt, daß der Papa Dich über alles liebt, daß es in
Deiner Macht liegt, ihn so glücklich zu machen, wie er
es nie gewesen ist. Liebe, liebe Hedwig, sieh mich an, da-
mit ich weiß, ob Du dich entschließen kannst, meine ge-
liebte, angebetete Mama zu werden."
Statt aller Antwort zog Hedwig das junge Mädchen
zu sich herauf in die Arme.
„So hast Du es bemerkt", flüsterte sie unter Thränen,
„was Du erst durch den Mund Deines Vaters erfahren
solltest. Ja, Frida, unser Schicksal bleibt von nun an
vereinigt. Ich habe Deinen Vater längst geliebt. Sein
Glück ist das meinige."-

^ikhandlimgen Deutscher tu Brasilien.
Seit längerer Zeit schon berichten brasilianische Blätter
Gewaltthätigteiten, welche in verschiedenen Staaten
/Willens vom Militär verübt worden sind, ohne daß
Bestrafung der Missethäter erfolgt wäre. Neuer-
sind vielfach Deutsche die Opfer solcher Gewalt-
igkeiten geworden, und wenn sich auch von hier aus
meisten Fällen nicht sofort festellen läßt, ob die
"-offenen Deutsch-Brasilianer oder Angehörige des
zischen Reiches sind, so unterliegt es doch keinem
daß sich auch deutsche Staatsangehörige unter
^Geschädigten befinden. Wüst ist es u. A. in Ku-
der Hauptstadt des Staates Parana, am Sonntag
Hy., Tastnacht zugegangen. Sämmtliche deutsche Vereine
lff.v, wie das in Curityba erscheinende deutsch-brasi-
Blatt, der „Beobachter", berichtet, für diesen Tag
iinbälle arrangirt, allein das scheint dem Polizeichef
gefallen zu haben. In der Wirthschaft eines Hrn.
niußte auf Befehl des Polizeimeisters der bereits
H^Uene Ball eingestellt werden, obgleich keine Unord-
vorgekommen war und trotzdem der Wirth seinen
isis^kschein und die Erlaubniß zur Abhaltung des
vorzeigen konnte. Auch im Salon Grummt, wo
ikjLfHandwerker-Nnterstützungs-Vercin" seinen Maskenball
erschien der Polizeichef mit Ordonnanzen, besichtigte I

rcn und >'üs
önlich eine-
ligst ergebet

(Fortsetzung-)
"si Hghrmd Beide die Treppe hinaufstiegen, trat Hedwig
Veranda und warf einen suchenden Blick in den
!<i Sie schien mit ihrer Forschung bald im Reinen
denn sie ging schnell den mittleren Gartenweg
Und bog dann in einen Seitenpfad ein, der nach
den Ranken der Klematis dicht umsponnenen
s Rührte. Sie hatte gesunden was sie suchte, denn
Laube eilte ihr Frida mit glühenden Wangen
und warf sich stürmisch an ihre Brust.
Hedwig!" rief sie, „wie glücklich, wie unaus-
glücklich bin ich."
^k^.kig küßte das hocherregte Mädchen und zog sie
Zk 'u die Laube und setzte sich neben sie nieder auf
wo das junge Mädchen, den Kopf an die
der Freundin gelehnt, ihr das süße Geheimniß
^rzens anvertraute.
T >st sogleich zum Papa gegangen," plauderte sie,
Htz, weiß', der Papa wird nicht Nein sagen. Ich
der Papa sehr viel auf ihn hält und sich ihm
Ht Flchtet fühlt. Aber Dein Papa — ach, ich bin
^'°kgt, er wird gewiß sehr böse auf Fritz sein."
"^sim mache Dir keine Sorge, mein Herz. Ich
lÄ; b'Nen guten Vater bald umstimmen. Er nennt
sv gern sein Adoptivtöchterchen und wird Deinem
^wiß nicht hinderlich sein."

Der Abonnementspreis
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