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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 51 - No. 60 (1. März - 11. März)
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zehn oder zwanzig Jahren betreffen, bei manchen anderen
Anlässen gerade so gut geführt werden könnten; nicht
über eine einzige der durch die Militärvorlage zu ent-
scheidenden Fragen ist die Commission auch nur zu einem
vorläufigen Ergebniß gelangt, ja es gilt als nahezu sicher,
daß dort überhaupt keines erzielt werden wird. In
Übereinstimmung hiermit schreibt ein Berliner Blatt:
Es wird immer zweifelhafter, ob die wichtigste Angelegen-
heit, mit der sich der Reichstag in der gegenwärtigen
Session zu beschäftigen hat, die Militärvorlage, bis dahin
auch nur in der Commission erledigt sein wird. Die
Frage selbst ist allmälig klar und spruchreif genug. Im
Volk gibt sich nachgerade unverkennbare Sehnsucht kund,
aus einem Zustand peinlichster Unsicherheit und Ver-
wirrung erlöst zu werden." Die schwierige Lage über-
haupt, in die nachgerade das jetzige Regime gerathen ist,
kann keinen zuverlässigeren Gradmesser mehr finden,
als sie die Debatten der vergangenen Wochen darstellten.
Wie unbefangen man auch den Parteitendenzen gegen-
über stehen mag, — der durch die Geschichte gebildete
Sinn fühlt sich in seltsamer Weise durch eine voll-
kommene Umkehrung der historischen Potenzen der preuß.
und deutschen Politik berührt; das Fremdartige der
Situation ist es, was zunächst in die Augen fällt und
zum Nachdenken anregt. Wenn doch wenigstens diese
Hinneigung der ehedem oppositionellen Elemente zum
Staatsregiment Dauer verspräche! Oder doch in den
wichtigsten Fragen der Gegenwart sich bewährte!
Wahrlich, wir stehen vor einen Bild das vollauf zu
denken giebt.

Deutsches Reich.
Berlin, 1. März. Dem heutigen von dem Ober-
präsidenten Achenbach zu Ehren des brandenburgischen
Provinziallandtags veranstalteten Festmahl wohnte der
Kaiser bei. Auf die Ansprache Achenbachs erwiderte
der Kaiser: „Die Gesinnungen der Treue und Anhänglich-
keit, die Sie mir ausgesprochen, finden in meinem Herzen
freudigen Widerhall, aus diesen Gesinnungen spricht festes
Vertrauen zu Ihrem Landesvater und zu seinem Streben,
der schönste Lohn, der mir und mit mir meinen bewährten
Rächen in unserer schweren Arbeit werden kann. Die
Jetztzeit liebt es, auf die Vergangenheit viel zurückzublicken
und dieselbe mit dem augenblicklich Bestehenden zu ver-
gleichen, meist zum Nachtheil des letzteren. Wer auf
eine so herrliche Vergangenheit zurückblicken kann, wie
wir Gott sei Dank können, der thut sehr wohl, um da-

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raus zu lernen. Das nennt man in dem monarchistischen
Staat Tradition, doch nicht dazu soll sie dienen, um sich
in nutzlosen Klagen zu ergehen über Menschen und Dinge
die nicht mehr sind, sondern vielmehr müssen wir uns der
Erinnerung wie in einem Quell erfrischend, und, neu-
gestählt aus ihm emporsteigend, zu lebensfrohem Thun,
zu schaffensfreudiger Arbeit uns hinwenden, denn würdig
vor allem müssen wir uns unserer Ahnen, ihrer Leistungen
erweisen, und das können wir nur, wenn wir unbeirrt
auf den jetzigen Bahnen weiter wandten, die sie uns vor-
gezeichnet haben. Die hehre Gestalt unseres großen
dahingegangenen Kaisers Wilhelm ist stets uns gegen-
wärtig mit ihren gewaltigen Erfolgen. Woher kamen
dieselben? weil mein Großvater den unerschütter-
lichsten Glauben an seinen ihm von Gott verliehenen
Beruf hatte, welchen er mit unermüdlichem Pflichteifer
verband. Zu ihm stand die Mark, stand das ganze
deutsche Vaterland. In diesen Traditionen bin ich aus-
gewachsen, von ihm erzogen, denselben Glauben habe auch
ich. Mein höchster Lohn ist, Tag und Nacht für mein
Volk, um sein Wohl zu arbeiten. Aber ich verfehle cs
nicht, daß es mir niemals gelingen kann, alle Glieder
meines Volkes gleichmäßig glücklich und zufrieden zu
machen. Wohl aber hoffe ich es dahin zu bringen, daß
es mir gelinge, einen Zustand zu schaffen, mit dem alle
die zufrieden sein können , die zufrieden sein wollen.
Daß oieser Wille in meinem Volke sich kräftige, ist mein
sehnlichster Wunsch. Daß alle braven deutschen Männer,
vor allem auch meine Märker, mir dabei behilflich sein
mögen, ist meine Bitte. Daß unser gesammtes deutsches
Vaterland an Festigkeit nach Innen, an Achtung und
Respect nach Außen dadurch gewinnen möge, ist nur
meine Hoffnung. Dann darf ich getrost aussprechen:
„Wir Deutschen fürchten Gott und nichts sonst in der
Welt!" Daraufhin leere ich mein Glas auf das Wohl
Brandenburgs und unserer wackeren Märker."
Berlin, 1. März. Die Militärcommission
trat in die Berathung des § 2 über die Zahl der
Cadres ein und berieth eingehend die bekannten von
dem Abgeordneten v. Bennigsen gestellten bezüglichen
Fragen. Abg. v. Bennigsen selber war nicht anwesend.
Fortsetzung am Freitag.
Berlin, 1. März. Die freisinnigen Abgeordneten
des Reichstags, Frhr. v. Stauffenberg und Bam-
berger begingen gestern ihr 25jähr. parlamentarisches
Jubiläum. Beide waren bereits Mitglieder des Zoll-
parlaments.
Berlin, 1. März. Einer Meldung des „Berl.

Die Veschlustunfähigkeit des Reichstags
kuft ernste Betrachtungen in der Presse hervor. Es ist
Nachgerade kaum mehr möglich, eine Tagesordnung auf-
suslellen, bei der eine Auszählung zu erwarten ist. Die
Forderung, irgend eine Remedur gegen diesen immer un-
haltbarer werdenden Zustand eintreten zu lassen, wird
"umer unabweisbarer im Interesse des Ansehens unserer
nationalen Vertretung. Mit wachsendem Befremden hört
Kan im Volke von dieser dauernden Beschlußunfähigkeit,
Und dabei kommt unter zehn Fällen höchstens einer zur
allgemeinen Kenntniß. Bis jetzt hat aber auch die Re-
gierung noch keinen Schritt vorwärts gethan, der noch
Etwas wie Entgegenkommen aussähe. So krause und
kirre Züge hat die Physiognomie unseres Staats-
Kesens bisher niemals gezeigt. Und wenn man
Uun die Möglichkeit hinzunimmt, daß unter so ge-
arteten Verschiebungen und Wirrungen die Fluth eines
Wahlkampfes über das Land kommen könnte, so sieht der
^tel für das Vaterland besorgte unparteiische Politiker
alles end- und formlos, aber in tiefschwarzer Farbe,
^in Gott aus der Kulisse thäte noth, die Verwickelung
der Tragödie zu lösen.
Man kann vor allem die Art, wie die Verhand-
lungen sich hinschleppen, kaum anders, denn als vor-
läufige Versumpfung bezeichnen. Am 23. November hatte
der Reichskanzler die Vorlage mit einer umfangreichen
Bede eingcbracht, am 10. Dezember die erste Berathung
'm Hause begonnen. Bis in die letzten Tage war die
Kommission, der sie überwiesen ist, noch in finanzielle
Erörterungen vertieft, welche gar keinen unmittelbaren
Zusammenhang mit der Vorlage haben, sondern, insofern
ste die Gestaltung der Reichsfinanzen in den nächsten

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Der junge Mann dankte und begab sich, der Weisung
folgend, durch den Wartesaal nach dem Postbureau, wo
er ein Fahrbillet löste. Er erhielt Nr. 2, ein Passagier
mußte also bereits vorhanden sein.
Den Abgang der Post erwartend, trat er in den
Wartesaal und bestellte ein einfaches Frühstück. Während
er sich mit demselben beschäftigt, haben wir Zeit, uns
mit dem Helden unserer Erzählung etwas näher bekannt
zu machen.
Friedrich Kranz war der Sohn eines Bauinspektors.
In der schlesischen Provinzialstadt, in welcher sein Vater
stationirt war, hatte er das Gymnasium absolvirt, und
dann auf seinen Wunsch die Universität bezogen, uni sich
dem Studium der Medizin zu widmen. Nur mit großen
Opfern batte es der Vater bei seinem beschränkten Ein-
kommen vermocht, dem Sohne die Mittel zum Studium
zu gewähren, als derselbe aber dann plötzlich starb, hielt
es Friedrich für seine Pflicht, einen andern Berufsweg
einzuschlagen, der es ihni in kürzester Frist ermöglichte,
die auf eine knappe Pension angewiesene Mutter und
seine fünfzehnjährige Schwester Ida thatkräftig zu unter-
stützen.
Während er jedoch noch schwankte, welchen Weg er
zunächst einschlagen sollte, machte ein Schreiben seines
Oheims, des einzigen Bruders seiner Mutter, der in dem
westlichen Theile der Mark Brandenburg ein großes Gut
besaß und durch glückliche Spekulation zu einem be-
deutenden Vermögen gelangt war, seinen Sorgen ein
rasches Ende.
Derselbe stellte dem Neffen in generöser Weise die
Mittel zur Beendigung seines Studiums zur Verfügung

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und lud zugleich seine verwittwete Schwester herzlichst
ein, ihren Wohnsitz nach Waldau, dem seinem Gute
zunächst gelegenen Städtchen zu verlegen. So geschah es
denn auch.
Friedrich hatte seine Studien beendet, sein Doktor-
Cramen glänzend bestanden, auch seine einjährige Dienst-
zeit als Militärarzt absolvirt, und war jetzt im Begriff,
die Seinigen und den Onkel zu besuchen, ebe er seine
Niederlassung als Arzt bewerkstelligte.
Der Postillon blies zum Einsteigen und der junge
Arzt, der inzwischen sein Frühstück beendet hatte, begab
sich hinaus.
Im Fond des Postwagens saß bereits eine junge
Dame. Mit höflichem Gruß stieg er ein und musterte,
während der Wagen sich in Bewegung setzte, seine Nach-
barin mit einem raschen Blick.
Sie gehörte augenscheinlich den besseren Ständen an,
davon zeugte ihre ganze Haltung, das werthvolle Pelz-
werk ihres Mantels, der elegante Hut, die tadellosen
Handschuhe, welche eine schöngeformtc Hand umschlossen.
— Der blaue Schleier war zurückgeschlgHen und ließ
ein noch sehr jugendliches Gesicht von regelmäßiger Schön-
heit frei.
Reiche schwarze Flechten zierten den anmuthig ge-
tragenen Kopf und hoben den klaren Teint des Gesichtes
vortheilhaft hervor. Während die dünken Augen sinnend
in die eintönige Schnee-Landschaft hinausblickten, hatte
der junge Mann Muße, das edel gezeichnete Profil zu
betrachten. Der schöngeformtc Mund war fest geschlossen,
was dem jugendlichen Gesicht ein ungewöhnlich ernstes
Gepräge gab.

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--— Nachdruck verboten.
Aus der Ferne hörte man das schrille Pfeifen der
Lokomotive, weiße Dampfwolken erschienen zwischen den
Bäumen des nahen Waldes und stiegen langsam zu dem
klaren Wintcrhimmel auf, näher und näher klang das
Schnauben der Maschine, das Rollen der Räder; der
Zug erschien am Ausgange des Waldes, immer lang-
samer wurde die Bewegung desselben, bis er endlich
der dem Babnhofsgebäude anhielt. Die Schaffner sprangen
von ihren Sitzen herab und öffneten dienstfertig die
Wagenthüren -
„Station Friedenthal, fünf Minuten Aufenthalt!"
Aus einem Wagen zweiter Klasse stieg ein junger
Bkann, eine hohe schlanke Gestalt, eine leichte Reisetasche
'n der Hand tragend. Sein blühendes Gesicht, das klare
Auge, welches er einen Moment forschend umherschweifen
ließ, zeugten von Gesundheit und Jugendmuth, das
kurzgeschnittene dunkle Haar, das wohlgepflegte Bärtchen,
Kelches die Oberlippen bedeckte, gaben seinem Aeußeren
etwas Militärisches.
Höflich grüßend wandte er sich an den in der Nähe
stehenden Bahnhofinspektor:
„Wann geht wohl die Post nach Waldau?"
„In einer Viertelstunde. Das Einschreibebureau liegt
'n Hinteren Theil des Gebäudes."

SchicksaL'swege.
Novelle
von C. Fontane.

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lenheim.
unserer Mit-
«hlsteNen er-


Verkündigungsblatt und Anzeiger

Die,^Sürgerz«itt»ng"
"scheint täglich mit Ausnahme von
- Sonn- und Feiertagen,
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Mtungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Vumor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

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1«S3.

Heidelberg, Freitag, 3. März

Expedition:
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