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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 151 - No. 152 (29. Juni - 30. Juni)
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Bürger- K Mung.
Berkündiqunqsblatt uv- Anzeiger ^»"7—
Sonn- und Feiertagen. «F «5 Trägerlohn, durch die Post bezogen
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter- »» < L L viertcljährl. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Haltungsblatt, „Der Erzähler", mtt dem V I Znsertionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt.
Humor. Repräsentanten „Der deutsche u T- -G- « Petitzeile od. deren Raum- Für locale
_Michel" bei. I _Geschäfts- u- Privaranzeigen 5 Pf.
152. Heidelberg, Freitag, 3». Juni 1393.

Der Abonnementspreis
für die
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beträgt für Heidelberg und nächste Umgebung
monatlich nur 40 Pfg.
mit Trägerlohn.
Für auswärts vierteljährlich am Postschalter
abaeholt: 1 Mark, durch den Briefträger frei itt's
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Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
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Umgebung durch unsere Träger entgegengenommen.
Neu hinzutretende Abonnenten erhalten die „Bürger-
Zeitung" bis Ende des Monats unentgeltlich.
Verlag der „Bürger-Zeitung".
Aie Sonntagsruhe
läßt weder den Behörden, noch den Geschäftsleuten Ruhe,
schafft ihnen vielmehr eine Menge Schreibereien, Mühe
und Arbeit. Für das Handelsgewerbe ist die Sonn- und
Festtagsruhe seit dem 1. Juli 1892 in Geltung. Die
Ausführungsbestimmungen, die zu den allgemeinen gesetz-
lichen Vorschriften über dieselben ergangen sind, haben
sich schon nach kurzer Zeit als unzulänglich u. unzweck-
mäßig erwiesen. Es ist eine Untersuchung in Preußen
bei den Oberpräsidenten über eine Abänderung nach dieser
Richtung eingeleitet. Soweit die Ergebnisse derselben in
den einzelnen Provinzen bereits vorliegen, sind sie dem
Handelsministerium unterbreitet. In anderen Bundes-
staaten, so noch jüngst in Hessen, sind bereits Umgestal-
tungen an den erstmaligen Erlassen getroffen worden. Ein-
zelne Branchen, wie die schwer geschädigte Tabakbranche,
wendeten sich an Staats- und Reichsbehörden, um selbst-
ständig eine ihnen genehme Aenderung durchzusetzcn und
haben da» Versprechen erhalten, daß auch ihre Wünsche
in Erwägung gezogen werden sollen.
Dazu kommen die Vorbereitungen für Einführung
der Sonntagsruhe in Industrie und Handwerk. Hier
kommen zunächst die Ausführungsbestimmungen des Bun-
dcsrathr in Betracht, welche vor dem Erlasse der zur
Inkraftsetzung dieser Sonntagsruhe nothwendigen kaiser-
lichen Verordnung festgestellt werden müssen. Monate,
ja man kann jetzt schon sagen, jahrelang ist hieran ge-
arbeitet worden. Trägt doch die letzte Gewerbeordnungs-
novelle das Datum des 1. Juli 1891. Hierzu hat man
erst einen Entwurf von Vusnahmevorschriften fertiggestellt.
Derselbe ist den Einzelregierungen zur Begutachtung über-

Erimrerrrngen eines Scharfrichters.
Freie Uebersetzung aus dem Französischen von A. K-
Der Riegelerbrecher.
1.
Baptiste Tape-ü-mort war ein gewaltiger, kräftiger Ge-
selle. Hochgewachsen, muskulös und von einer Gesichts-
bildung, welche an die männliche Schönheit der alten Rö-
mer erinnerte, war er lange der Gegenstand des Schreckens
und der Bewunderung in Frankreich gewesen. Die Nei-
gung der Menschen damals zum Wunderbaren war ihm
zu Hilfe gekommen und in den meisten Provinzen wurde
er für einen Zauberer gehalten.
Zehnmal war er in dem Augenblicke, als er ein Ver-
brechen beging, gefangen genommen worden und zehnmal
entschlüpfte er der Wachsamkreit seiner Kerkermeister. Er
spottete der eisernen Stangen und Riegel, trieb seinen
Scherz mit den Wächtern der Gefängnisse und war seiner
Sache so gewiß, daß er die Zeit vorher bestimmte, wo er
wieder frei sein und seine Verbrechen von Neuem be-
ginnen würde.
Baptiste Tape-ü-mort hatte seine Hände wiederholt
mit Blut befleckt. Er war in Blois in einem Hause in
»cm Augenblicke gefangen genommen worden, als er sich
mit Hilfe seines Dolches in den Besitz von 180 000
Frcs. Gold und Goldeswerth setzen wollte. Die alte
Gräfin, die er berauben wollte, war schrecklich verstümmelt,
der Verbrecher hatte ihr dreimal sein Messer rücklings in
den Hals gestoßen, dann hatte er, um nicht von ihr er-
kannt zu »erden, wenn es ihm nicht gelänge, sic ganz

sandt worden. Die Gutachten sind erstattet, gesichtet und
bearbeitet worden und werden demnächst in besonderen
Conferenzen einer Besprechung mit Interessenten unterzogen
werden.
Sodann will Preußen die Ausnahmen, welche von
den höheren Verwaltungsbehörden bewilligt werden können,
möglichst einheitlich durch das ganze Staatsgebiet regeln.
Es ist deßhalb vom Handelsministerium zum zweiten Male
bei den Verwaltungsbehörden eine Untersuchung über die
in dieser Beziehung bei den Interessenten bestehenden
Wünsche veranstaltet worden. Regierungspräsidenten und
Landräthe bemühen sich gegenwärtig, auf mündliche und
schriftliche Weise Material zu sammeln. Es werden Kon-
ferenzen abgehalten und schriftliche Aufforderungen erlassen,
daß den Interessenten die Köpfe warm werden. Und
schließlich wünschen einzelne Gewerbszweige eine ganz be-
sondere Berücksichtigung und dürften auch getrennt von
den übrigen behandelt werden.
Kurz, es ist eine Maschinerie in Bewegung gesetzt,
um die eingeführten Sonntagsruhebestimmungcn zu revi-
diren und die noch nicht in Kraft gesetzten einzuführen,
wie sie bei einer gewöhnlichen Gesetzesvorschrift, bei der
die Schaffung einer besonderen Organisation nicht in
Frage kommt, bisher noch nicht thätig gewesen ist. Und
doch wird das Ergebniß aller dieser angestrengten Arbeit
das sein, daß die verschiedensten Erwerbszweige in Un-
zufriedenheit beharren oder hineinversctzt werden. Die
maßgebenden Sozialreformer der Neuzeit glaubten mit
einem Federstrich eine Sonntagsruhe in noch schärferer
Form decretiren zu können. Sie dürften jetzt schon ein-
sehen, daß sich historisch gewordene Verhältnisse nicht durch
papierene Erlasse sc ohne weiteres umgestalten lassen.
Deutsches Reich.
O Heidelberg, 29. Juni. Nach der nunmehr er-
folgten amtlichen Bekanntgabe des endgültigen Wahl-
ergebnisses in den zum 12. bad. Wählkreis gehörigen
Orten der Amtsbezirke Heidelberg, Eberbach und Mos-
bach wurden bei der am 24. Juni vorgcnommenen Stich-
wahl 19 991 gütige Stimmen abgegeben. Hiervon fielen
auf den preuß. Landtagsabgeordneten Karl E. Weber
hier 12153, auf den Rechtsanwalt Dr. Max Gehrke
in Frankfurt a. M. 7838 Stimmen. 33 Stimmen
ungiltig. Hiernach ist Weber als Reichstagsabgeordnetcr
gewählt.
Karlsruhe, 28. Juni. Das Ministerium des Innern
beruft die vom Landwirthschaftsrath eingesetzte Commission
zur Berathung der von der Regierung getroffenen Maß-
regeln zur Beseitigung des Futtermangels auf
morgen ein.

zu tödten, mit einem Bohrer die Augen ausgestochen.
Die Diener der Gerechtigkeit bemächtigten sich seiner in
Ausführung dieser blutigen That.
Baptiste gestand seiner Gewohnheit gemäß Alles, gab
die genauesten Mitthcilungen über die Mittel, deren er
sich bediente, und ließ sich mit der Folgsamkeit eines
Kindes in das Gefängniß von Blois bringen. Auf Be-
fehl des Richters wurde er in ein Verlies ohne Fenster
gebracht, ihm Fesseln an Händen und Füßen angelegt
und Nacht von Soldaten bewacht.
Charles L. war damals gerade Scharfrichter geworden
und hatte seinem Vater, der vor Kurzem starb, mit
Widerwillen in dessen traurigem Amte folgen müssen.
Die Hinrichtung Tape-ä-mort's sollte sein erster Versuch sein.
Der Königliche Procurateur ließ ihn rufen und sagte
zu ihm: „Charles, wir haben morgen eine schlimme
Sache vor!"
„Es ist wahr", antwortete er, cs ist nichts Leichtes
mit diesem Menschen."
„Haben Sie wenigstens während der Toilette scharf
Acht auf ihn."
„Seien Sie unbesorgt, Herr Procurateur, er soll
meinen Händen nicht lebend entkommen, die bürgerliche
Gesellschaft muß endlich von diesem Ungeheuer befreit
werden."
Bereits seit acht Tagen war der Mörder zum Tode
verdammt worden. Der Scharfrichter ging Abends zu ihm
in fein Behältniß.
„Wer ist da?" fragte Baptist, indem er sich von seinem
Strohlager erhob.
„Der Henker," antwortete der Kerkermeister, »kommt

Berlin, 28. Juni. Bisher sind 392 Wahlen bekannt.
Danach sind gewählt: 75 Conservative, 23 Reichspartei,
53 Nationalliberale, 13 freisinnige Vereinigung, 25 freis.
Volkspartei, 11 südd. Volkspartei, 92 Centrum, 2
bayerische Bauernbündler, 7 Welfen, 19 Polen, 1 Däne,
10 Elsässer, 17 Antisemiten und 44 Socialdemokratcn.
Es stehen noch 5 Stichwahlen aus. — Im Ganzen sind
jetzt 202 Anhänger und 190 Gegner der Militärvorlage
gewählt.
Berlin, 28. Juni. Die Kaiserin gedenkt mit
dem Kronprinzen bereits heute nach dem Neuen Palais
zurückzukehren.
Berlin, 28. Juni. Die „Voss. Ztg." hört, eine
Anzahl der Mitglieder des neuen Reichstags werde geltend
machen, daß die Militär« orlage trotz der im Großen
und Ganzen festgehaltenen Form des Antrages Huene
einige neue wichtige Punkte enthalte, die ohne Com-
missionsberathung nicht zu erledigen seien. Die Sessions-
dauer dürfte alsdann 4 Wochen betragen.
Berlin, 28. Juni. Der Ausbruch des Z oll krieg es
mit Rußland erscheint un» nach den Auslassungen des
officiösen „Hamb. Corresp." nur noch als eine Frage der
Zeit. Allerdings heißt es zunächst im „Hamb. Corresp.":
„An Stelle der von der deutschen Exportindustrie er-
warteten Erleichterung des Handelsverkehrs mit Rußland
würde demnach eine sehr erhebliche Erschwerung oder eine
völlige Vernichtung desselben treten, denn wenn die
deutsche Einfuhr nach Rußland höheren Zollsätzen unter-
liegt, als diejenige der conkurrirenden Staaten, so wird
die deutsche Ausfuhr voraussichtlich ganz aufhören. Die
Repressalien, von denen jetzt auf Grund der bekannten
Bestimmung des Zolltarifgesetzes von 1889 die Rede ist,
welche eine Erhöhung der bestehenden Sätze bis um die
Hälfte ohne Mitwirkung des Reichstags zuläßt, werden
die russische Landwirthschaft ohne Zweifel schädigen, aber
für die deutsche Erportindustrie ist das ein schlechter Trost.
Zollkriege schädigen wie alle Kriege beide Theilc und er-
fahrungsmäßig diejenige Nation am meisten, deren In-
dustrie die entwickeltere ist. Und bei der Rücksichtslosig-
keit, mit der man in Rußland auf dem volkswirthschaft-
lichen Gebiet opcrirt, ist schwerlich Aussicht, daß dieser
Zollkrieg nur von kurzer Dauer sein wird, selbst wenn,
wie jetzt schon angedeutet wird, der neue Reichstag die
Regierung ermächtigen sollte, die russische Einfuhr mit
höheren als den im Zolltarifgesetz vorgesehenen Zuschlägen
zu belasten. Indessen wird wahrscheinlich auch diese
Suppe nicht so heiß gegessen, wie sie anscheinend ge-
kocht ist."
Berlin, 28. Juni. Die Commission des Herren-
hauses für das C ommuna lab gabengesetz hat noch

mit seinem Knecht, um Dich vorstellbar zu machen, er will
Dein Haar ordnen —"
„Da wird er nicht viel zu thun haben, der gute Mann
denn ich bin vor zwei Monaten von seinem Collegen in
Tours coiffirt worden und einen Monat vorher vom Scharf-
richter zu Nantes. Es ist gut so, ich bezahle nie etwas
für das Abschneiden meiner Haare."
„Laß sehen, Baptiste," sagte der Scharfrichter, ein
Schnitt mit der Scheere wird doch nicht ohne Nutzen sein;
auf dem Hals hervorsprossendc Haare könnten das große
Beil hindern gut zu treffen — und wenn Dein Kopf
nicht auf einen Schlag fällt, guter Freund, so würde das
Volk auf mich losstürzen."
Indem ex diese Worte sprach, setzte er den Verurtheilten
auf einen Stuhl vor sich hin und begann die Operation,
seinen Hals glatt zu scheeren.
„Guter Freund," sagte plötzlich Baptiste, „denkst Du
wirklich daran, mich morgen zu guillotiniren?"
„Ganz gewiß."
„Du weißt also nicht, daß ich Deinen Collegen in
allen Provinzen zu entkommen wußte; Du weißt also nicht,
daß ich dem Henker in Verdun aus Spott die Zeuge ge-
zeigt am Fuße des Schaffots und daß ich ihm entschlüpfte?"
„Mein Junge," sagte der Scharfrichter in einem Tone,
der die Entschlossenheit kundgab, alle Vorsichtsmaßregeln
anzuwenden, „Du wirst mir nicht wieder entkommen."
„Bah, meinst Du?"
„Ich bin dessen gewiß."
„Nun wohl, höre, wenn Du ein guter Kerl bist, Henker
so wirst Du mir eine Gefälligkeit nicht versagen.
„Und die wäre?"
 
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