Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
No. 81 - No. 90 (7. April - 18. April)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0343

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

4m*kl

Verkündigungsblatt und Anzeiger

Di« ,^)ürg«rzei1ung"
scheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Ar Sonntagsnummer liegt ein Unter-
^ltungüblatt, „Der Erzähler", mit dem
Atnor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

Abonnenrentspreis
sür Heidelberg: monatl. -10 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
Vierteljahr!. Mk. 1.— obne Zustellgeb.
Znsertionspreis: 10 Pf. für die 1-spalt.
Petitzeile od. deren Raum- Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigen 8 Pf.

82.

Expedition:
Hauptstraße 28.

Heidelberg, Samstag, 8. April

Expedition:
Hauptstratze25.

18S3.

Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
^trägt für Heidelberg und nächste Umgebung
Monatlich nur 40 Pfg.
">it Trägerlohn.
Für auswärts vom 1. April ab vierteljährlich
am Postschalter abgeholt:
AM- 1 Mark -»V
durch den Briefträger frei in s Saus gebracht:
1 Mk. 4« Pfg.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
Auswärts durch die Post, innerhalb der Stadt und nächster
Umgebung durch unsere Träger entgegengenommen.
_Verlag der „Bürger-Zeitung".
Der Schluß der Parlamentsarbeit.

Neber ein Kleines und die Parlamentsfcrien sind zu
^nde und das letzte Capitel der Parlamentsarbeit
"'s zum Schluß der Tagungen hebt an. Die Lage untcr-
Aeidet sich in vielem, fast in allem von der sonstigen
Gewohnheit. Das „letzte Capitel" gilt sonst einer raschen
Abwicklung derjenigen Angelegenheiten, die vor Ostern
!^>cht mehr erledigt werden konnten; man macht nicht viel
Umstände, in raschen Zügen wird alles zu Ende gebracht,
^d in den letzten Mai- oder ersten Junitagcn erfolgt der
Schluß, und Ruhepause ist bis zum Spätherbst. Ganz
^ders in diesem Jahre. Im Reichstage wie im prcuß.
Landtage sieht man sich erst jetzt vor die Hauptaufgaben der
Tagungen gestellt; hier soll über die Militärvorlage, dort
^er die Steuergesetze Entscheidung getroffen werden,
^vnst benutzten die Abgeordneten die Osterferien, um vor
'Hren Wählern einen Rückblick über die erzielten Er-
^bnisse der bis dahin gepflogenen Verhandlungen zu geben,
^ute wollen sie Fühlung mit den Wählern über ihre
Altung gegenüber den schwebenden Vorlagen gewinnen.
Zas ist der springende Punct und da steht es eben gar
^cht verlockend aus. Im Landtage beginnt das Ab-
ükordnetenhaus am 11. d. M. die verfassungsmäßige
^eite Abstimmung über das Wahlgesetz. Man kennt die
'Hwere Mißstimmung, welche die bisherigen Ergebnisse

der Berathung und Abstimmung über die Wahlreform
namentlich in den westlichen Provinzen hervorgerufen
haben. Die Abgeordneten von Rheinland und Westfalen
werden einen heftigen Vorstoß gegen das bisher Erreichte,
auf dem conservativ-clerikalen Bündniß Beruhende unter-
nehmen. Es wird ein schwerer, aber wahrscheinlich ver-
geblicher Kampf werden und dem --Herrenhause
wird die Reparatur des Schadens durch Herstellung der
Regierungsvorlage überlassen bleiben. Und im Reichs-
tage? Hier wird die Militärvorlage über Sein
oder Nichtsein der jetzigen Versammlung entscheiden. Noch
gibt es ja eine Gruppe von Optimisten, die noch immer
an eine Verständigung und damit an ein Vermeiden der
Auflösung glaubt, die wir im Augenblick für einen
schweren Fehler halten müßten! Allein mit nüchternem
Verstände muß man sich doch sagen, daß auf ein Nach-
geben der Regierung nicht zu rechnen ist, wenn sie es
nicht einmal vermocht hat, in die offene Hand einzuschlagen,
die ihr von Bennigsen entgegengereicht worden ist. Wie
der neue Reichstag aussehen, was mit demselben zu er-
reichen sein würde — wer will und kann dies jetzt sagen ?
Die Parteien hüben und drüben rechnen mit der Mög-
lichkeit der Auflösung, und jedenfalls thun sie wohl
daran. Die Parteien in ihrer jetzigen Zusammensetzung
haben nur noch — ihr Testament zu machen; darin
wird das Hauptinteresse der bevorstehenden Reichstags-
debatten zu suchen sein. Auf die Ahlwardtschen Hans-
wurstiaden, die ja leider nicht erlassen bleiben werden,
können doch ernste Leute kein Gewicht legen. Aber darauf
darf man gespannt sein, wer nun die Erbschaft der jetzigen
Parteien ouiu oder sine vsnolloio inventurii anzutreten
bereit sein wird-
Unredliche Geschäfte.
Auffallend sind die häufigen Beschwerden kleiner Ge-
schäftsleute vom Lande und aus der Stadt wegen Ueber-
vort Heilung durch Detailreisende, die es ver-
standen, durch Aufdringlichkeit und Ausnützung der Un-
erfahrenheit zu großen Bestellungen zu gelangen, die mit
dem Bedarf und der Leistungsfähigkeit des Bestellers oft
in gar keinem Verhältniß stehen. Dem Verein gegen
wucherische Ausbeutung des Volkes (Sitz des Vorstandes
in Karlsruhe) liegen viele derartige Beschwerden vor.
Wiederholt wurden geradezu betrügerische Manipulationen
von Reisenden festgestellt und strafgerichtliche Verfolgung
eingeleitet, welche Verurtheilung in empfindliche Gefängniß-
strafen zur Folge hatte. Zur Zeit wird ein Reisender
Czarlinsky, welcher für eine Berliner Pafümeriehandlung

Bestellungen in unserm Land aufsuchte, steckbrieflich verfolgt.
Die Betrügerein werden vielfach ohne und gegen Willen
und Wissen der Prinzipale verübt, was sich daraus er-
klärt, daß die Reisenden von den Geschäftsabschlüssen
häufig Provision beziehen. Auch im Interesse des reellen
Geschäftes muß gegen derartige Auswüchse mit aller Energie
vorgegangen werden. Unglaublich ist allerdings oft die
Leichtgläubigkeit und der Unverstand derjenigen, welche
durch Kunstgriffe der erwähnten Art sich überlisten lassen;
wenn auch die Ausbeutung solcher Schwächen zu betrüeg-
rischen Vortheilen stets verwerflich bleibt, so ist doch die
Mabnung berechtigt, daß namentlich in kleinbäuerlichen
und kleingewerblichen Kreisen in geschäftlichen Dingen
mehr Vorsicht beachtet werde. — Der Vereinsvorstand hat
von einem Vertragsformular Kenntniß erlangt, welches
in einer Eisenwaaren- und landwirthschaftlichen Maschinen-
handlung des Landes und nach deren Angabe auch bei
anderen Firmen im Gebrauch ist, dessen Bestimmungen
aber in mehrfacher Hinsicht beanstandet werden müssen.
So läßt darin die betreffende Firma vereinbaren, daß,
wenn die von ihr gelieferte Maschine sich als unbrauch-
bar erweist, der Käufer sie zurückgeben darf(I), aber nur
zum Umtausch gegen eine andere und so, daß der Käufer die
Kosten des Transportes zu tragen hat! Das wird in
deni Vertragsformular „Garantie des Verkäufers" be-
nannt ! Wenn auf Abzahlungstermine verkauft ist, so fällt
die Maschine an die Firma zurück, falls ein Termin
nicht pünktlich bezahlt wird — aber auch die bereits bezahlten
Termine sollen der Firma verbleiben. Nebenbei werden
dem Landwirth 6 Proc. Zinsen berechnet. Es erhellt,
daß solche Klauseln, wenn sie rechtlich Giltigkeit haben,
den Landwirth der Willkür des Lieferanten überantworten,
von dem er auch bei schlechtester Bedienung nicht mehr
loskommen kann- Der Verein war in der Lage einen
solchen Fall in Behandlung zu nehmen. Es ist daher
die Warnung am Platze, daß die Landwirche keine Ver-
träge eingehen, zu welchem Formulare mit dem angegebenen
Inhalt verwendet werden.
Deutsches Reich.
Berlin, 6. April. Die Meldungen über eine Ver-
mehrung der russischen Truppen an der deutschen Grenze
sind, einem Bericht aus Warschau zufolge, auf eine Rück-
verlegung der Truppen aus den Winter- in die Sommer-
quartiere zurückzuführcn.
Berlin, 6. April. General-Feldmarschall Graf Blumen-
thal ist von seiner Krankheit wieder genesen und empfängt
täglich die üblichen Meldungen.

3»)

Schicksals wege.
Novelle von C. Fontane.
(Fortsetzung.)
Jetzt hörten sie von Ferne das Rollen eines Wagens
^dd wandten sich mit beschleunigten Schritten nach dem
Orderen Theilc des Gartens, um die Ankommenden zu
^grüßen. Ungeduldig, mit freudig klopfendem Herzen
pickte Herr von Brandau der geliebten Tochter entgegen.
Mn endlich zeigte sich der Wagen, und die Insassen des-
'^ben mußten die Beiden erblickt haben, denn er hielt
^ötzllch an und Frida sprang heraus, mit weit ausge-
fteiteten Armen dem ersehnten Vater entgegeneilend, den
stürmisch umschlang. —
» Als der erste Freudenrausch vorüber war, begaben sich
Me nach dem Hause zurück. Die bleichen Züge des
Majors zeigten nun aber doch eine derartige Abspannung
er den allseitigen dringenden Bitten nachgeben und
N auf sein Zimmer zurückzieben mußte, um einige
Zünden zu rüden.
Erst der Abend fand Alle wieder auf der Veranda
»^sammelt, und nun wurde auch Friedrichs bevorstehende
^kunft besprochen. Den Major überkam es wie eine
^ötzljchx Atmung, als er den Eindruck bemerkte, welchen
me Nachricht auf feine Tochter hervorbrachte.
Die nächsten Tage vergingen den Glücklichen rasch.
Kräfte des Majors hoben sich sichtlich unter dem be-
enden Einflüsse der Landluft und der sorglichen Pflege,
ihn umgab. Hedwig vermied vorsichtig Alles, was
eine nähere Beziehung zwischen ihr und Herrn von

Brandau schließen konnte. Sie überließ es der Tochter,
den heinikehrenden Vater auf seinen täglichen Spazier-
gängen zu begleiten und ihm alle jene kleinen Dienste
zu leisten, die seine immer noch schwache Gesundheit er-
forderte, aber mit unablässiger Sorge wachte sie darüber,
daß alle seine Wünsche erfüllt wurden, daß jede lästige
Störung fern blieb. Er verstand sie und sein dankbarer
Blick belohnte sic reichlich.
Und es fanden sich auch Stunden, wo sie an seiner
Seite saß, wo er ihr ein Wort der Liebe sagen, ihre Hand
in der seinigcn halten konnte.
Eine solche Stunde des Alleinseins benutzte der Major,
um der Geliebten das Bild seiner Vergangenheit zu ent-
rollen, ihr seine unglückliche Ehe zu schildern, und mit
inniger Theilnahme lauschte sie seinen Mittbeilungen. Je
weniger sie begreifen konnte, wie eine Frau im Besitze,
dieses Mannes nicht ihr Glück finden konnte, um so mehr
gelobte sie sich, ihm alle die Liebe zu bieten, nach der er
sich in seiner unglücklichen Ehe vergeblich gesehnt hatte.
Acht Tage waren vergangen, als eines Morgens der Post-
bote aus Waldau einen Brief an Herrn Hagendorff
brachte, in welchem Friedrich seine Ankunft meldete und
für den nächsten Tag seinen Besuch in Renn in Aussicht
stellte. —
Herr Hagendorfs ließ am nächsten Morgen in aller
Frühe anspannen und fuhr selbst nach der Stadt, um
den Neffen abzuholen.
Frida war durch den Brief in eine Aufregung ver-
setzt worden, die sie vergebens zu verbergen suchte. Un-
j ruhig stand sie bald an der Gartenpforte, bald ging sie

in ihr Zimmer hinauf, von dessen Fenstern aus man
einen Theil der Landstraße übersehen konnte. Nachdem
sie ihrem Vater wiederholt zerstreute oder auch ganz ver-
kehrte Antworten auf seine Fragen gegeben hatte, ließ er
sie gewähren und beobachtete mit stillem Lächeln ihr Thun.
Endlich war der ersehnte gekommen. Von ihrem
Fenster aus hatte sic den Wagen gesehen und war in
den Garten geeilt, um dem Vater und Hedwig die An-
kunft des Erwarteten zu melden. Hochglühend trat sie
dann am Arme ihres Vaters dem jungen Manne entgegen.
Letzterer schloß zunächst seine Kousine herzlich in die Arme
und wandte sich dann zu Herrn von Brandau und seiner
Tochter. Der verschmitzt lächelnde Blick, welchen Herr
Hagendorff während der her herzlichen Begrüßung seines
Neffen und seiner Tochter auf den Major richtete, ließ
den wackeren alten Herrn leider übersehen, mit welchen
beredten Blicken der Neffe unmittelbar darauf Fräulein
von Brandau begrüßte, und wie er den Kuß, den er
auf die Hand des jungen MädcheuZ drückte, eigentlich
weit über das konventionelle Maß ausdehnte. Der Major
umarte den jungen Mann herzlich.
Eine so glückliche Tischgesellschaft hatte das alte Herren-
baus in Rexin wohl noch nicht gesehen, wie an diesem
Tage, und doch hätte d« unbefangene Beobachter eine ge-
wisse Spannung, eine nervöse Unruhe bei den Betheiligten
bemerken können, die keine unbefangene Unterhaltung in
Fluß kommen ließ. Nur Onkel Hagendorff ließ ihn
ahnungsloser Freude seine Blicke bald auf Hedwig, bald
auf den neben ihr sitzenden Neffen schweifen, dessen
Aeußeres durch den Feldzug ein viel männlicheres Gepräge
angenommen hatte.
 
Annotationen