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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 11 - No. 20 (13.Januar - 24. Januar )
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Kür
Die „Bürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

Verkündignngsblatt «nd Anzeiger
für Stcröt und Land.

Uvonnementspreis
für Heidelberg: monatl- 4V Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährl. Mk. 1.— ohne Zustellgeb.
Hnsertionspreis: 10 Pf. für die l-spalt-
Petitzeilc od. deren Raun:. Für loeale
Geschäfts- u. Privatanzeigen t» Pf.

Heidelberg, Donnerstag, IS. Januar

18S3.

14)

noch einige eigene Gedanken über die Reform des Zu-
kunftskönigthums. Ein starker Staatsrath muß eingesetzt
werden; im Parlament sollen die Initiativ- und Jnter-
pellalionsrechte einigermaßen beschnitten werden. Das
seien aber nur Einzelheiten der Geschäftsordnung. Dik-
taturen- und Ukaswirthschaft werde in Frankreich nie
möglich sein. Kurz, die neue Königsverfassung Frank-
reich würde so eine Art Mittelding -wischen der von 1839
und der von 1852 sein. Der Graf von Paris
sei durchaus der Mann dazu, das durchzu-
führen. Er sei ein kühlcrwägendcr Geist, fest und ent-
schlossen, der seine Sache nicht durch Unüberlegenhcit
gefährden, noch auch günstige Gelegenheiten sich entgehen
lasse. Wenn er den Augenblick für gekommen erachtet,
meint der Gewährsmann des „Figaro", so wird er vollen
Einsatz machen; ist er Herr der Lage, so wird er sich
nicht wie sein Großvater 1848 durch übermäßige Rück-
sichten behindern lassen, seine Macht zu vertheidigen.
Augenblicklich ist der Graf von Paris tiefbctrübt über
die mißliche Lage, in welcher Frankreich jetzt vor aller
Welt dasteht. Bei den guten Beziehungen, die er mit
aller Welt pflegt, kann er das Peinliche vom Auslande
aus erst recht beurtheilen. Er wird aus Vaterlandsliebe
jetzt schweigen und voraussichtlich mit keiner Kundgebung
hervortreten: „II so tuit, et, U so prepurs." (Er
schweigt und bereitet sich vor.).. -

Höhen, die Republik zieht sie herab auf den Tummel-
platz aller Leidenschaften. Mit der Staatsgewalt aber,
so fährt er fort, sinken Gesetzgebung, Gericht und Ver-
waltung mit in die Tiefe, wie wir jetzt erleben. Daß
das alles nur an ein paar schlechten Menschen liegen
solle, sei Einbildung. In Frankreich habe von je eine
Gruppe Republikaner die andere erwürgt. Die Danto-
nisten haben die Girondisten, die Anhänger Robes-
pierres die Dantonistcn, die Thermidorianer dann Robes-
pierre und seine Leute abgeschlachtet. Einst alles, wie
heute; nur ist die Guillotine noch nicht wieder auf dem
Eintrachtsplatze aufgestellt, weil die Sitten etwas milder
geworden sind. Und was ist der Grund aller der An-
feindungen der republikanischen Brüder unter einander?
Die Streberei nach der obersten Staatsgewalt, nach der
Prästdentenschaft. Alle die Brisson, Carnot, Porier, Frey-
cinet, Bourgeois, Nibot und wie sic alle heißen mögen,
fühlen sich „xrssiäentiuble." Alle die Leute haben
auch nur den einen Wunsch: sie wollen auch einmal in
Ludwigs XIV. Bett schlafen und alle anderen hinaus-
werfen. Die Republik wird an der Uneinigkeit der Re-
publikaner, die jetzt beim Panamaskandal so scharf her-
vorbricht, zugrunde gehen. Dabei ist es ganz gleich, ob
der Präsident vom Congreß oder auf dem Wege des all-
gemeinen Wahlrechts gewählt wird- Immer werden sie
gegen einander losgehen.
Daß man beim Uebergange vor der parlamentarischen
Monarchie zur parlamentarischen Republik nicht aus dem
Regen in die Traufe komme, habe der Graf von Paris
schon in seinen Weisungen an die Königsparteiler 1887
dargelegt. Damals habe der Graf von Paris den jetzt
hereinbrechenden Wirrwarr vorausgesagt. Auch habe er
erklärt, daß die wirkliche parlamentarische Regierungsform,
welche unter der Monarchie von 1814 bis 1848 so
glanzvoll gewesen sei, mit den: allgemeinen Wahlrecht
unerträglich sei. Die Monarchie sei keineswegs eine
parlamentarische Republik mit einem erblichen Präsidenten
sondern sie befestige vor allem die Achtung vor der Staats-
gewalt, welche seit 15 Jahren so erniedrigt worden sei.
Der Graf von Paris hat in seinen Weisungen gesagt:
„In der Republik regiert die Kammer ohne Oberauf-
sicht; unter der Monarchie regiert der König mit der
Oberaufsicht der beiden Kammern." Der Graf von Paris
will, wenn möglich, mit den Kammern regieren; wenn
es nöthig ist, aber auch ohne die Kammern, und zwar
so, daß das einmal beschlossene Budget für ständig er-
klärt wird. Der König werde sich dann auf das Volk stützen.
Der Königsparteilcr des „Figaro" gibt dabei auch

mit der er die letzten Worte gesprochen, erfüllte auch sie
plötzlich mit tiefer Bangigkeit. Nichtsdestoweniger zwang
sie sich zu einer heiteren Miene und öffnete eben die
feinen Lippen, zu einer tröstenden Erwiderung, als ihr
Blick zufällig auf dem blutigen Taschentuch haften blieb,
das Richard vom Fußboden aufzuheben vergessen hatte.
Sie vermochte einen leisen Ausruf des Schreckens nicht
zu unterdrücken und fragte mit zitternder Stimme:
„Um Gottes Willen, Richard, was ist das? Woher
kommt das?"
Er bückte sich nieder, um den verdächtigen Gegen
stand aufzuheben und in einen für allerlei Abfälle be-
stimmten Kasten zu werfen, aber noch ehe er Zeit gefunden
batte, um die Besorgnisse der Schwester durch eine ruhige
erklärende Erwiderung zu zerstreuen, wurde seine Auf-
merksamkeit ans ein anderes, vollständig unerwartetes Er-
eignis gelenkt. Draußen auf der Treppe nämlich wurden
die Schritte mehrerer Männer vernehmlich und gleich da-
rauf erfolgte ein kurzes, starkes Klopfen an die nach der
Flur führende Thür des Nebenzimmers. Ueberrascht um
diese Zeit Besuche zu erhalten, verließ Louise ihren Bruder,
uni zu öffnen. Draußen standen drei ihr vollständig
fremde Männer, welche ohne Weiteres nnt kurzem Gruß
das Zimmer betraten, und ihre Blicke sofort nach allen
Seiten in demselben umh«schickten.
„Wohnt hier der Mechaniker Richard Weiß ?" wandte
sich einer der Ankömmlinge, ein Mann von riesigem
Körperbau und strengen harten Gesichtszügcn, in ziemlich
barschem Tone an das höchstlich erstaunte Mädchen.
„Zu dienen, mein .Herr! Wenn Sie die Güte haben
wollen, sich in jenes Zimmer zu bemühen —"

In demselben Augenblicke erschien der Gesuchte auf
der Thürschwelle zum Nebenzimmer. Sein Gesicht war
bleich, aber ruhig und verriet!) weder Angst noch sonder
liche Aufregung.
„Mein Name ist Weiß," sagte er, „womit kann ich
aufwarten, meine Herren?"
Der Sprecher von vorhin warf einen kurzen Blick
auf die alte Frau und das junge Mädchen, in dem sich
Mitleid und Verwunderung zu mischen schienen, dann
trat er dicht an Richard heran und sagte so sanft, als
es seiner bärenhaft rauhen Stimme eben möglich war:
„Richard Weiß, ich verhafte Sie ini Namen des Ge-
setzes!"
Es dürfte schwer sein, die Wirkung zu schildern,
welche diese wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel her-
abgeschleuderten Worte auf die drei betbeiligten Personen
ausübten. Richard selbst schien am wenigsten davon be-
rührt. Er war fest wie ein Steinbild auf derselben
Stelle geblieben und es zuckte sogar etwas wie ein bitteres
Lächeln um seine Mundwinkel. Die alte Frau war mit
einen: lauten Schrei von ihrem Sitze aus dem Sopha
emporgefabren und klammerte sich mit entsetzten Mimen
und weit aufgerissenen Augen an die schwere eichene
Tischplatte; Louise aber war todtenbleichcn, doch ent-
schlossenen Antlitzes zwischen den Beamten und ihren
Bruder getreten, gleichsam, als wollte sie denselben mit
dem eigenen Körper vor jeder Unbill schützen.
„Dars ich fragen, aus welchem Grunde und mit
welchem Rechte meine Verhaftung erfolgt?" wandte sich
Richard nach einer kurzen Pause an den Krimi nal-

Wer soll Ironkr eich regier en?
Ein Projeet des „Figaro."
Wahrhaftig, man lebt in Frankreich schnell! Noch
nicht zwei Monate sind ins Land gegangen, seit die heil-
lose Panamageschichte ausgerührt wurde, und schon wird
an den Grundmauern der Republik gerüttelt, als ob wirk-
lich die ganze mehr als zwei Jahrzehnte alte Staatsform
nur von einer Handvoll Beutelschneider, die man jetzt
abgcfaßt hat, abhingc. Der „Figaro" ist ein geriebener
Schlaukopf: er hört das Gras wachsen. Wenn er mit
etwas anfängt, so kann man sicher sein, daß er irgend
einen festen Untergrund hat, auf dem er sicher steht und
von dem aus er seine Fühlhörner gefahrlos ausstrecken
kann. Deßhalb ist auch seine Liebäugelei mit dem Kö-
nigthum nicht ohne einen gewissen politischen Ernst.
Wer soll Frankreich regieren? Diese Frage wirft
jetzt der „Figaro" auf und versucht sie zu beantworten.
„Figaro" hat bei den Königsparteilern in jüngster
Zeit große Zuversichtlichkeit bemerkt und holt sich, wie
er sagt, „einen der angesehensten" heraus, um ihn nach
dem Grunde dieser Zuversicht auszuforschen. Der hat
ihm denn nun folgendes auseinandergesetzt: Was man
jetzt erlebe, sei nur die logische Folge des Verfalls der
Volksvertretung und dieser Verfall nur die logische Folge
der Republik. Die Monarchie hebt, so sagt der Ge-
währsmann des „Figaro", die Staatsgewalt in reine

Deutsches Reich.
Berlin, 17. Jan. Der Kaiser verblieb gestern
Nachmittag im Arbeitszimmer und empfing Abends 6^
Uhr den rumänischen Minister des Aeußern, Lahovary,
im Beisein des Staatssekretärs des Aeußern v. Marschall.
Heute hielt der Kaiser ein Capitel des schwarzen Adler-
ordens ab, wobei die feierliche Investitur erhielten: Prinz
Friedrich Heinrich von Preußen, Herzog Ernst Günther
von Schleswig-Holstein, Landgraf Alexander Friedrich
von Hessen. Herzog Friedrich Ferdinand von Schleswig-
Holstein, Prinz Friedrich Karl von Hessen. Nach been-
detem Capitel zog der Kaiser sich in seine Gemächer zu-
rück und nahm militärische Meldungen entgegen.
Frankreich.
Paris, 17. Jan. Der „Temps" theilt mit, der
Untersuchungsrichter Franquevillc werde demnächst
als Zeugen verschiedene Deputirte, darunter fünf Bou-
langisten vorladen, deren Namen in dem mit Beschlag
belegten Notizbuch Artons ständen. Es handle sich um
die Vorgänge bei der Dynamit-Gesellschaft. Dasselbe

In schwerem Meröcrcht.
Criminal-Novclle
von Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
„Ja, Louise, ich weiß es, Du bist besser und Du
bist auch stärker als ich; aber ich fürchte nur zu sehr, es
ist Alles, Alles umsonst. Mein Vertrauen auf die Zu-
kunft und auf meine eigene Kraft ist dahin, ich habe
alle Lust am Leben verloren."
„Schäme Dich, Richard! — Ist das die Sprache
eines Mannes, der sich das höchste und heiligste Erden-
gut, ein geliebtes Weib erringen will? — Ist das die
Sprache eines Sohnes, der recht gut weiß, wie sehr sein
eigener Kummer an dem Herzen der treuen Mutter
nagt?"
„Schilt mich nur a s, Louise! — Ich verdiene es
wobl —aber es Hilst zu nichts — ich kann nicht
anders!"
„Aber was ist denn mit Dir vorgegangcn, Richard?
So trostlos und niedergeschlagen habe ich Dich ja noch
niemals gesehen. Ist Dir etwas Unangenehmes zuge-
stoßen?"
„Nichts von Bedeutung, Louise! — Aber es lastet
seit heute Morgen auf meinem Herzen, wie ein schwerer,
drückender Alp, der meine Gedanken lähmt und mich
überall nur Leid und Unglück wittern läßt! — Es ist
mir, als stände mir etwas entsetzliches bevor."
Das rosige Antlitz des jungen Mädchens wurde um
eine Schattirung bleicher, denn die düstere Bestimmtheit,

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