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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 11 - No. 20 (13.Januar - 24. Januar )
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https://doi.org/10.11588/diglit.43990#0079

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Durger-MFkuMg
(^/ ^M^-WG

Verkündiguttgsblatt und Anzeiger

Die „Bürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
' Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

Abonuemeutspreis
sür Heidelberg: monatl- 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährl. Mk. 1.— ohne Zust »geb
Znsertionspreis: 10 Pf. für die 1 ^ alt.
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigen 5» PK-

Heidelberg, Samstag, 21. Januar

1893.

Zum Abonnement
auf die „Bürger-Zeitung" laden wir ergebenst
ein. Bei
Reichhaltigkeit und Billigkeit
ist dieselbe auch kein Parteiorgan.
Der Preis ist der niedrigste alter Blätter
in Baden, er beträgt
monatlich nur 4b Pjg.
mit Trägerlohn, durch die Post bezogen
vierteljährlich 1 Mk.
obne Zustellungsgebühr.
Bestellungen werden für auswärts durch die Poft,
! innerhalb der Stadt durch unsere Träger entgegenge-
nommen.
Vertag der „Bürger-Zeitung".
Weber ArbeiterverHättnisse
in der einer besonderen Aufsicht unterste-
henden gewerblichen Anlagen veröffentlicht die
„Bad. Corr." Mittheilungen aus Ergebnissen statistischer
j Erhebungen, die von Interesse sind.
Von den im Lande wohnenden 4850 einer besonderen
Aufsicht unterstehenden gewerblichm Anlagen mit 126 296
Arbeitern, sind 20 Reichs- und Staatsbetriebe mit 6120
! Arbeitern, welche der Aufsicht der der Verwaltung dieser
Betriebe vorgesetzten Dienstbehörden unterstehen. Ferner
I sind darunter enthalten 113 oberirdisch betriebene Brüche
und Gruben mit 3060 Arbeitern unter Aufsicht der
Wasser- und Straßenbauinspectionen, bezw. der Großb.
Oberdirection des Wasser- und Straßenbaues und zwei
der Aufsicht des Bergmeisters unterstehende private Berg-
! werksbetrieben mit 65 Arbeitern.
Der Aufsicht der Fabrikinspection unterstehen daher
4724 gewerbliche Anlagen mit zusammen 120176
Arbeitern. Von denselben sind. 78 716 männliche und
41460 weibliche Arbeiter. Die Gesammtzahl zerfällt
ferner in 580 Kinder von 12 und 13 Jahren, 10 734
junge Leute von 15 und 16 Jahren. 30240 16 bis
18 Jahre alte 79 622 über 21 Jahre alte Arbeiter. Bei
den beiden Categorien jugendlicher Arbeiter sind die
beiden Geschlechter ziemlich gleichmäßig vertreten. In der
Classe von 16 bis 20 Jahren sind 550/g männliche und

45o/g weibliche Arbeiter. Unter den über 21 Jahre
alten Arbeitern ist das Verhältniß der beiden Geschlechter
71,10/g und 27,t>o/o. Verhcirathetc und vcrwittwete
Arbeiterinnen werden im Ganzen in den der Fabrikin-
spection unterstellten Anlagen 10159 oder 18,550/o der
Gesammtzahl der beschäftigten erwachsenen Arbeiterinnen
beschäftigt. Bei den im Jahr 1889 vvrgcnommen Er-
hebungen bezüglich der Eigarrenarbeiter waren 37,40/0
und bei den Erhebungen 1890/91 über die Fabrikarbeiter-
in Mannheim und dessen nächster Umgebung waren
28,60/g der erwachsenen Arbeiterinnen verheirathet oder
verwittwct.
Von den sämmtlichen einer besonderen Neberwachung
unterstehenden gewerblichen Anlagen beschäftigt am meisten
die Gruppe der Nahr .ngs- und Genußmittel, nämlich
31 673 Personen. Hier ist gleichzeitig die Zahl der
Anlagen mit 1944 am größten. Die Tabakfabrikation
allein beschäftigt in 464 Anlagen 24 056 Arbeiter. Dann
folgt die Gruppe der Metallverarbeitung mit 15 404
Arbeitern, dje Gruppe der Herstellung von Maschinen
und Apparaten mit 15 297 Arbeitern, die Industrie der
Steine und Erden mit 10373 Arbeitern, und diePapier-
und Lederindustrie mit 10172 Arbeitern. Die kleinsten
Jndustriegruppen sind die der Berg- und Hüttenwerke mit
10 Anlagen und 395 Arbeitern, und die verschiedenen
Industriezweige mit 12 Anlagen und 134 Arbeitern.

Weber- Kcriser MeXcrnöer- M.
veröffentlicht oer russffcht Schriftsteller Lainn in einer
englischen Zeitschrift einen interessanten Aufsatz.
Von besonderem Interesse sind die Ausführungen
über die Stellung des Kaisers zu den kriegerischen Nei-
gungen seiner Umgebung. Wenn alles richtig ist, was
Lanin über des Czaren Einfluß auf die auswärtige Po-
litik berichtet, so ist der Czar ein Hort des Friedens.
Im Auswärtigen Amt sei sein Wille ausschließlich maß-
gebend, und zwar im wohlthätigcn Sinne. Er allein
bilde die Schranke gegen einen blutigen europäischen
Krieg im Gegensatz zu seinen Höflingen, seinen Officieren
und seinen Lieblingsjournalisten. Der Krieg ist ihm ver-
haßt und bei dessen bloßer Nennung steigen alle seine
Greuel vor seinem Geiste auf. -Freilich würde dieser Ab-
scheu nicht vor dem Gebote der Religion Vorbalten, und
daher dürfte man auf den Willen eines einzelnen Menschen
nicht allzu fest bauen. Auch der gewaltigste russische Czar
kann gegen eine Bewegung, welche die Masse des Volkes
ergreift,-nicht an seinem Willen festhalten. Sind ein-

mal die dunklen Instinkte der orthodoren Massen er
weckt, so muß der Czar ibnen freie Bahn lassen, um sich
die Krone zu retten. Kaiser Nikolaus und Alexander
II. haben das zur Genüge erfahren. Die Feigheit, die
dem Czaren oft vorgeworfen wird, seine Abschließung in
Gatschina, das Spionirfystem, die Aufstellung ganzer
Armeen bei seinen Eisenbahnreisen — läßt Lanin nur
in beschränken Maaße gelten. Wer wie er seinen Vater
verstümmelt vor sich liegen sab; wer dem Tode so häufig
baarscharf entging; wessen Frau (bei dem Eisenbahnun-
glück bei Borki) in der Steppe zwischen Trümmern und
Leichen stand, während seine Tochter sich schluchzend an
schmiegte mit denWorten: „O, Papa, sie werden uns
jetzt ermorden!" — dessen Nerven mögen nicht mehr aus
Eisen bestehen. Jedenfalls besitze der Kaiser den morali-
schen Muth eines Helden und Märtyrers. Bei dem
blinden Glauben an seine religiöse Sendung bange ihm
nicht ob der Folgen seiner Politik und der Gewißheit des
Todes bei einem Schritte, zu dem er sich verpflichtet
glaubte, würde ihn nicht mehr beunruhigen alö das
Summen einer Fliege. Als Fatalist ist er buchstäblich
überzeugt, daß jedes Haar auf seinem Haupte gezählt ist.
Er gehorcht den Geboten seines Gewissens." Aber Kenner
russischer Verhältnisse werden Lanin Recht geben, daß
selbst die wärmste Friedensliebe des Czaren vor einem
Kriege nicht bewahren kann, weil der Czar einer Volks-
strömung gegenüber doch schlileßich ohnmächtig ist.

Deutsches Reich.
Berlin, 19. Jan. Während der bevorstehenden Fest-
tage findet am 22. Januar Familientafel bei dem Kaiser-
paar im Schlosse statt. Am 23. Januar findet zu
Ehren der Prinzessin Margarethe eine Reiter-
Quadrille, Abends Galatafel im Weißen Saale, am
24. Januar Familicntafel bei der Kaiserin Friedrich, am
25. Januar Nachmittags 4 Uhr die standesamtliche Trau-
ung, um 5 Uhr die kirchliche Trauung, Abends 8 Uhr
Fackcltanz statt. Zuni Geburtstage des Kaisers treffen
auch der König von Württemberg und die Königin von
Sachsen ein.
Berlin, 19. Jan. Die Polen haben im Reichs-
tag folgenden Antrag eingebracht: „Die verbündeten Re-
gierungen zu ersuchen, dem Reichstage baldthunlichst den
Entwurf eines Gesetzes betreffend die Einführung beson-
derer Gerichte vorzulegen, die nach„Analogie der Gewerbe-
gerichte berufen wären, Streitigkeiten zwischen den länd-

In schwerem WeröcrchL.
16) Criminal-Novelle
von Reinhold Drtmann.
(Fortsetzung-)
Georg hatte die Toilette seines Herrn längst beendet,
aber die Art und Weise, mit der er sich hier und da mit
ganz überflüssigen Dingen etwas im Zimmer zu schaffen
machte, ließ ziemlich deutlich die Absicht erkennen, die Auf-
merksamkeit seines Gebieters auf sich zu lenken. Dieser
Zweck wurde denn auch insofern erreicht, als sich Braun-
fels zuletzt mit der Frage an ihn wandte:
„Nun Georg, wie es scheint, hastDu noch etwas auf
dem Herzen. Nur frisch heraus damit, wenn es nicht
gar zu unverschämt ist!"
„Ach nein, gnädigcrHerr! — Aber ich weiß nicht—"
„Nun?"
„Ich weiß nicht, ob sich der gnädige Herr nicht viel-
leicht gar zu sehr erschrecken werden!"
„Potztausend, Georg!" rief Braunfels lachend. „Seid
wann empfindest Du denn eine so große Besorgniß für
meine, Gott sei Dank! recht starken Nerven? — Ist
es denn gar so fürchterlich, was Du mir mitzutheilen
hast?"
„Ja, gnädiger Herr, das ist es. — Die Gräfin von
Lauenfeld, bei der Sie gestern in der Gesellschaft waren —"
Des Assessors Gesicht wurde ernst und er horchte
hoch auf.
„Nun, Georg, was ist's mit der Gräfin?"

„Sie ist heute morgen todt — und, wie man glaubt,
sogar ermordet, in ihrem Bette aufgefunden worden."
Der Assessor, der eine jener ungewöhnlichen Klatsch-
geschichten erwartet hatte, wie sie m einer großen Stadt
ja täglich zu Dutzenden auftauchen und zu deren Kol-
porteur sich, wie er wußte, sein redseliger Diener mit
ganz besonderer Vorliebe zu machen pflegte, fuhr bei
den letzten Worten desselben von seinem Sessel empor,
als wäre er von einem elektrischen Schlage getroffen
worden.
„Träumst Du, Kerl, oder bist Du betrunken?" rief
er aus. „Willst Du Dir einen unverschämten Scherz
mit mir machen?"
„Mit Erlaubniß, gnädiger Herr," war die halb ver-
legene Antwort; „es ist leider die Wahrheit. Ich habe
es von Einem, der es direkt von einem Diener der Frau
Gräfin erfahren hat."
Braunfels fuhr sich mit der Hand durch das dichte
braune Haar und that ein paar Schritte im Zimmer auf
und nieder.
„Todt, sagst Du Mensch! — Ermordet! — Ja,
wie ist denn das möglich, wie konnte denn das ge-
schehen ?"
„Ueber die Einzelheiten konnte mir mein Kollege nichts
sagen. Die Kriminalbeamten hatten den Dienern der
Frau Gräfin Schweigen auferlegt, aber wenn ich nicht
irre, ist man dem Mörder auf der Spur."
„Dem Mörder!" — in dem Gehirn des Assessors
war Plötzlich ein Gedanke aufgestiegen, der in innigster
Verbindung stand mit jener geheimnißoollen Persönlichkeit,
die ihn schon während des ganzen Morgens ausschließlich

beschäftigt hatte, ein Gedanke, der nichts weiter war als
eine unmittelbare, unbestimmte Eingebung des Augenblicks,
der aber nur des Zeitraums weniger Sekunden bedurfte,
um sich zu einer nahezu unumstößlichen Gewißheit zu ge-
stalten-
„Es war eine Fügung des Schicksals, die mich ihre
Unterredung belauschen ließ," dachte er und dann sich an
den Diener wendend fragte er: „Man ist dem Mörder
auf der Spur, sagst Du?" hat man Dir nichts über
die Person desselben mitgetheilt?"
„Nein gnädiger Herr!" Die Kriminalbeamten —
„Schou gut! Bringe mir auf der Stelle Stock und
Hut und besorge mir eine Droschke; Ich will zu Herrn
von Hellborn."
„Sparen Sie sich die Mühe!" ertönte plötzlich eine
tiefe Stimme und in der Thür des Nebenzimmers erschien
eine hohe Männergestalt mit feierlich ernsten Gesichts-
zügen, der Oberstaatsanwalt von Hellborn.
Braunfels eilte ihm entgegen und schüttelte dem
Freunde die Hand.
„Ist cs wahr, Hellborn, ist es möglich? — Ein
Mord?"
Der Staatsanwalt gab dem Diener ein Zeichen, sich
zu entfernen, und nahm neben dem Assessor auf dem
Sopha Platz.
„Leider ist es so! — Ein entsetzlicher Mord aus den
gemeinsten und niedrigsten Motiven."
„Und Ihr seid dem Mörder auf der Spur?"
„Der Mörder wird jetzt hoffentlich schon verhaftet
sein," sagte der Staatsanwalt.
„Ah!" rief der Assessor erstaunt, „sollte er wirklich
 
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