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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 81 - No. 90 (7. April - 18. April)
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Verkündigungsblatt nnd Anzeiger

Die,^Sürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

Adonnementspreis
sür Heidelberg: monatl. 4« Pfg. mit
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86. Heidelberg, Donnerstag, 13. April 1893.

Die mritc Milliarde.
Am II. April ward eine neue Rcichsanleihe von
160 Millionen Mark aufgelegt. Diese Anleihe er-
schöpft noch keineswegs die der Reichsregierung be-
willigten Anleihecredite. Nach einer dem Reichstage
mitgetheilten Übersicht waren am 15. November 1892
noch Anleihecredite offen im Betrage von 140 Millionen
Mark. Dazu ist durch das Etatsgesetz pro 1893/94 ein
neuer Anleihecredit von 130 Millionen Mark gekommen.
Dies ergiebt zusammen Anleihecredite von 270 Millionen
Mark. Nun soll allerdings die Regierung seit November
neue dreieinhalbprocentige Consols freihändig veräußert
haben. In welchem Umfange dies geschehen, ist nicht
bekannt. Wir nehmen an, daß die Regierung gegen-
wärtig noch über 250 Millionen Mark Kredite verfügt.
Da der Erlös aus der neuen Anleihe 138^2 Millionen
Mark nicht übersteigen wird, so behält auch nach der
Realisirung dieser Anleihe die Regierung noch für 111/2
Millionen Mark Anleihecredite in der Hand.
Ausdrücklich aber muß hervorgehoben werden, daß die
jetzige Reichsanleihe noch keinerlei Mittel
bietet, zur Durchführung der neuen Heeres-
vcrstärkung. Sollte die Militärvorlage Gesetz werden,
so würde sich noch im Laufe des Etatsjahres 1893/94
ein weiterer Anleihebedarf von 62 Mil-
lionen Mark ergeben.
Am 15. November 1892 betrugen die verzinslichen
Reichsschulden 1697 Millionen Mark. Rechnet man,
daß inzwischen etwa für 20 Millionen Mark drei-
procentige Consols veräußert sind, so würde die ver-
zinsliche Reichsschuld durch die neue Reichsanleihe von 160
Millionen Mark steigen auf 1697 -ff 20 -ff 160 —
1877 Millionen Mark. Da außerdem die unverzinsliche
Reichsschuld (Rcichskassenscheinc) 120 Millionen Mark
beträgt, so würde die Reichsschuld insgesammt sich schon
in diesem Frühjahr auf 1997 Millionen Mark belaufen.
In Wirklichkeit aber dürfte die zweite Milliarde
mit der neuen Rcichsanleihe bereits überschritten werden.
Diese Zweimilliardenschuld ist, abgesehen von den
120 Millionen Mark unverzinslicher Reichkassenschcine,
in der Hauptsache innerhalb einer Zeit von 15 Jahren
aufgelaufen. Bis zum Jahre 1876 war das Reich, ab-
gesehen von den Reichskaffenschcinen, noch vollkommen
schuldenfrei.
Die Verschuldung ist zum allergrößten Theil
entstanden durch die einmaligen Ausgaben der
Militär- und Marineverwaltung. Nur ein

verhältnißmäßig kleiner Theil der Reichsschuld rührt her
von Eisenbahnbauten in Elsaß-Lothringen, von dem Bau
des Nordostseekanals und der Verstärkung der Betriebs-
fonds des Reiches. Seit 1876 sind an einmaligen Aus-
gaben für Heer und Marine im Ganzen 2216 Mill.
Mark aufgewendet worden. Während vom Jahre 1876
bis 1887 diese Ausgaben durchschnittlich sich auf jährlich
nur 63 Millionen Mark belaufen, sind in den letzten 7
Jahren durchschnittlich jährlich 208 Millionen Mark an
einmaligen Ausgaben für Heer und Marine verausgabt
worden. Nur ein Theil dieser einmaligen Ausgaben ist
aus lausenden Mitteln bestritten worden. Der größere
Theil hat zur Vermehrung der Reichsschuld beigetragen.
Dabei muß man sich immer noch vergegenwärtigen, daß
von den vier Milliarden Mark, welche Frankreich
1870/71 als Kr i eg s c0 ntrib uti 0 n bezahlte, 3 Mil-
liarden vorab vom Reich für Militär- und Marinezwecke
zur Verwendung gelangten.
Vorerst ist auch, ganz abgesehen von der neuen
Militär-Vorlage, noch kein Ende in der wachsenden Ver-
schuldung vorauszusehcn. Wie in der Militär-Kommission
festgestellt worden ist, werden schon auf Grund bestehender
Kreditgesetze und mit Zustimmung des Reichstages ein-
geleiteter Aufwendungen auch im nächsten Etatsjahre
1894/95 die Schuld-Zinsen um weitere 4890 000 M.
und nach dem Etatsjahre 1894/95 noch um weitere
4 200000 M anwachsen. Daraus ergibt sich schon
von sechst die Notwendigkeit neuer Anleihen für die
beiden nächsten Jahre um mehr als 300 Mil-
lionen Mark. In der That verlangen die für die
Militärverwaltung noch ausstehenden späteren Raten
hinter schon bewilligten Raten von 1894/95 ab eine
Deckung von 94 Millionen Mark aus Anleibecrediten.
Für die Marineverwaltung ist in den nächsten 5 Jahren
von 1894/95 ab ein Anleihecredit von 70 Millionen
Mark in Aussicht genommen. Die Kasernirung der-
jenigen Mannschaften und Pferde, welche aus der
gegenwärtigen Heeres stärke noch nicht kasernirt
sind, würde einen Anleihecredit von 37 Millionen M.
erfordern.
Zu allen diesen für die nächsten Jahre in Frage
kommenden Creditforderungcn kommt nun noch die neue
Militärvorlagc. Wir erwähnten Eingangs, daß im Falle
der Genehmigung derselben schon für 1893/94 ein neuer
Anleihecredit von 62 Millionen Mark erforderlich werden
wird. Zur dauernden Unterbringung derjenigen Truppen
aus der Heeresverstärkung, für welche eine Unterbringung
in Baracken nicht vorgesehen ist, würden Kasernements

nöthig werden mit einem Kostenbeträge von 105 Mi K
lionen Mark.
Auch dem opferwilligsten Reichsbürger muß sich die
Frage aufdrängen, wo dieshinaus soll, wenn nicht
in der Bewilligung für Militär- und Marinezwecke
Seitens des Reichstages engere Grenzen als bisher ge-
steckt werden. Alle jene Anleihen für Militär- und Marine-
zwecke entnehmen den laufenden Ersparnissen im Volks-
haushalt große Summen, welche für die Produktion voll-
ständig verloren gehen.

Rebschulen in Vaden.
Während früher der Bezug von Rebwürzlingen für
die einzelnen Rebbaugemeinden aus den im Lande be-
stehenden größeren Rebschulen sowie aus den Nachbar-
ländern nicht begegnete und, bei der Möglichkeit un-
gehinderten Betriebs der Rebwürzlinge, in einzelnen Reb-
bezirken (z. B. Waldshuter Gegend) viele Rebwirthe die
Zucht von Rebwürzlingen schwunghaft betrieben, ist mit
Erlassung des Reichsgesetzes vom 3. Juni 1883, betr.
die Abwehr und Unterdrückung der Reblauskrankheit hierin
eine wesentliche Aenderung eingetreten. Denn nach In-
halt des § 4 dieses Gesetzes müssen aus den Weinbau-
gebieten des Deutschen Reichs Weinbaubezirke gebildet
werden und es ist die Versendung und Einführung be-
wurzelter Reben aus einem Weinbaubezirk in einen
anderen untersagt; ja es ist innerhalb der einzelnen
Weinbaubezirke selber der Verkehr mit bewurzelten
Reben aus solchen Rebschulen verboten, in welchen andere
als in diesem Rebbezirke üblichen Rebsorten gezogen
werden oder innerhalb der Jahre 1880/83 gezogen worden
sind. Im Vollzug dieses Reichsgesetzes wurden durch die
badische Verordnung vom 4. September 1883 sechs Wein-
baubezirke gebildet. Es hat sich nun die Nothwendigkeit
ergeben, in den einzelnen Weinbaubezirken den Bezug
von Rebwürzlingen durch Weinbaubezirks-Rebschulen jeder-
zeit sicherzustellen und das Großh. Ministerium des Innern
hat schon alsbald nach Erlassung jener Vorschriften die
Anlage solcher Rebschulen sich angelegen sein lassen. Zur
Zeit bestehen solche, mit staatlicher Unterstützung in's
Leben getretene Rebschulen in Tauberbischofsheim, in
Oberkirch, in Reichenau, in Radolfzell und Meersburg;
ferner ist eine private Rebschule in Wiesloch und es sind
im Bezirke Waldshut kleinere bäuerliche Rebschulen vor-
handen.
Wie aus Karlsruhe mitgetheilt wird, ist die Er-
richtung weiterer Rebschulen in Staufen, Rothwell,
Bischoffingen, Endingen, Hochburg, Kappel bei Bühl,

An einem Kcrcrv.
2) Criminalgeschichtc von Jenny Hirsch.
(Fortsetzung.)
„Thue es noch einmal, Lina," bat er, „ich meine
es wirklich ernstlich. Sieh, das Malheur ist mir nun
einmal passtrt, das Hamburg ist ein verwünschtes Nest,
aber ich will einen anderen Weg nehmen. Bin ich nur
erst in Amerika, so fange ich bestimmt ein anderes Leben
an, und Du hörst nicht eher wieder von mir, als bis
ich ein Millionär geworden bin. Thue mir nur noch
einmal die Liebe und bearbeite den Onkel."
„Ich kann nicht, sagte sie grollend.
„Du vermagst ja alles über ihn, Du wickelst ihn ja
um den kleinen Finger," schmeichelte er.
„Du irrst Dich, mein Einfluß ist beschränkt," ent-
gegnete sie kalt, „was Dich anbetrifft ist er unerbitterlich."
„Vielleicht weil es dem Fräulein Schwester so Paßt,"
versetzte Hans schneidend, die weiche, milde Regung in
ibm war, da sie in der Brust der Schwester kein Echo
gefunden, wieder in den Gegensatz umgeschlagen. „Du
magst eine recht geschickte Komödiantin sein, aber wir
kennen Dich, Jupiterlein. Noch einmal, willst Du mit
dem Onkel reden?"
„Ich kann nicht."
„So muß denn doch der Alte dran!" citirte Hans.
„Ich babe Dir die Wahl gelassen, willst Du nicht, so
gehe ich selbst zu ihm."
„Du weißt, was Dir droht!"
„Possen, er läßt seiner Schwester Sohn nicht einsperren,

das erlaubt sein Stolz nicht, viel eher gibt er mir ein
Stück Geld, um mich los zu werden."
So half denn kein Schreckmittel! Die gewaltsam er-
kämpfte Ruhe verließ sie, seine Hand ergreifend bat sie
mit bebender Stimme:
„Hans, ich bitte, ich beschwöre Dich, tritt ihm jetzt nicht
in den Weg."
„Ho ho," lachte er, „das ja klingt gerade, als ob für
Dich eher viel auf dem Spiele stände; hätte es das Kätzchen
dahin gebracht, daß der Onkel sich endlich bequemt, ein
Testament zu machen? Das wäre ja ein Grund mehr,
mich bei ihm in Erinnerung zu bringen."
„Nein, es ist ein Grund mehr, ihm aus dem Wege
zu geben. Kommst Du in's Haus, so gibt es einen
Auftritt, und die Folgen davon —"
„Könnten auf Dich fallen, Du würdest keine Uni-
versalerbin, alle Liebesmüh wäre umsonst," spottete er.
„Jetzt begreife ich Dein Entsetzen bei meinem Erscheinen;
einen Miterben, den man glücklich beseitigt glaubt, wieder
austauchcn sehen, hat etwas sehr Unangenehmes."
„Hans, Hans Du thust mir bitteres Unrecht," schluchzte
sie, „Du weißt nicht, was ich Deinetwegen schon gelitten
babe. Ist es meine Schuld, daß der Onkel nichts mehr
von Dir wissen will? Bedenke, wie Du ihm mitgespielt,
wie Du Deine Wohlthaten vergolten hast —"
„Kind, ich bitte Dich, Du wirrst mir doch mein
Sündenregister nicht Vorbehalten wollen," unterbrach er
sie, „ich kenne es auswendig und will mich ja bessern,
wie ich Dir schon gesagt habe, aber mit der leeren Hand,
und dem knurrendem Magen ist Besserung nun einmal
nicht möglich."

„Mußte es dahin kommen?" seufzte sie.
„Vielleicht nicht," entgegnete er achselzuckend, „aber
liegt denn alle Schuld nur vor meiner Thür? Habt ihr
nicht alle Euer Theil daran? Erst habt ihr mich verzogen
und verhätschelt, dann aus dem Hause gestoßen! Du hast
Schuld, der Onkel bat Schuld, und Johanna hat —
wenn sie gewollt hätte, sie konnte —"
„Laß die albernen Grillen," unterbrach sie ihn heftig,
„das kalte herzlose Geschöpf —"
„Hat meiner Schwester, der liebevollen, zärtlichen
Nichte prächtig als Folie gedient," fiel er ein, „dafür
wird sie nun Universalerbin und jene geht leer aus."
„Nicht doch, der Onkel wird sie bedenken, selbst Du
sollst nicht ganz leer ausgchen'"
„Was kümmert's mich; ich kann und will nicht auf
die Erbschaft warten; der Onkel mag mir meinen Theil
auszahlen, dann ist er fertig mit mir. Heute, morgen,
je eher, je lieber, das will ich ihm sagen."
„Laß ab, Unsinniger, es ist Dein und mein Ver-
derben," warnte sie.
„Wohlan, ein Vorschlag zur Güte," sagte er kalt:
„Du zahlst mir meinen Anteil an der Erbschaft aus,
und ich lasse den Onkel in Ruhe."
„Woher sollte ich das Gelo nehmen?" seufzte sie.
„Das ist Deine Sache; der Universalerbin des Baron
von Böhlendorf borgt jeder; ich kann Dir Adressen von
sicheren Geschäftsleuten geben."
Sie schauderte und schwieg.
„Nun?" fragte er, „Du hast die Wahl."
„Ich will es überlegen," stammelte sie.
„Aber nicht zu lange, Kind, das Feuer brennt mir
 
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