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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
No. 51 - No. 60 (1. März - 11. März)
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Büraer-MIeituna

Verkündigimgsblatt und Anzeiger

Die,^SSrg«rreiti»ttg"
rrschcinl täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei

Abonnementsprers
für Heidelberg: monatl. 40 Pfg. mit
Trägerlohn, durch die Post bezogen
Vierteljahrs Mk. 1.— ohne Zustcllgeb.
Znsertionspreis: 10 Pf. für die I-spalt-
Petitzeile od. deren Raum. Für locale
Geschäfts- u. Privatanzeigcn 5 Pf.

59.

Expedition:
Ha«ptstratze2S.

Heidelberg, Freitag, 19. März

Expedition:
Ha«ptstratze25.

18S3.


Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
beträgt für Heidelberg und nächste Umgebung
monatlich nur 49 Pfg.
mit Trägerlohn.
Für auswärts vom 1. April ab vierteljährlich
am Postschalter abgeholt:
1 Mark -Mü
durch den Briefträger frei in s Haus gebracht:
1 Mk. 4V Pfg.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" «erden für
auswärts durch die Post, innerhalb der Stadt und nächster
Umgebung durch unsere Träger entgegengenommen.

Verlag der „Bürger-Zeitung".

Heidelberg, den 9. März.


Die Veränderungen im badischen Staats-
ministerium, über welche wiederholt schon Gerüchte
auftauchtrn, haben sich nun endgiltig vollzogen. Laut
Bekanntgabe des „Regierungsanzeigers" wurde Staats-
Minister Dr. Turban auf sein Ansuchen seines Amtes
enthoben und zum Präsidenten der Oberrechnungs
kämm er ernannt. Gleichzeitig ist derselbe zum Ritter
des Ordens Berthold I. von Zähringen ernannt und in
den Adelstand erhoben worden. Finanzminister Dr. E l l-
stättcr wurde in den Ruhestand versetzt. Gcheimrath
Dr. Nokk wurde zum Staatsminister und Präsidenten des
Staatsministeriums, der Ministerialrath Buchenberger
iUm Präsidenten des Ministeriums derFinanzen, Staats-
rath A. Eisenlohrzun Geheimerath I. Klasse ernannt,
und Geheimratb von Brauer, bisher Gesandter in
Berlin, erhielt das Ministerium des großherzoglichen Hauses
unter Mitübernahme des Eisenbahnwesens. An die Mi-

nister Turban und Ellstätter hat Se. Kgl. Hoheit
der Großherzog unter Anerkennung ihrer ausgezeichneten,
dem Staat geleisteten Dienste huldvolle Schreiben gerichtet.
Ueber den deutschen Kriegsplan.
Eine Neuigkeit des „Figaro."
Der Pariser „Figaro" will durch einen glücklichen
Zufall in den Besitz des Planes gelangt sein, nach dem
im Kriegsfälle die Concentration der deutschen Truppen
an der Westgrcnzc bewerkstelligt werden soll. Er be-
hauptet, am 16. Januar d. Js. sei das letzte Abkommen
zwischen den Regierungen des Dreibundes getroffen und
hierbei die Lokation der deutschen Streitkräfte folgender-
maßen festgesetzt worden. An der westlichen Grenze
werden drei Armeen aufgestellt, bestehend aus neun
preuß. Armeecorps und dem Gardecorps, zwei bairischen
Armeecorps und der (?) württembergischischen Division.
Sieben Armeecorps, vier Kavalleriedivisionen und vier
Armeecorps der Reserve (?) sollen an der russischen Grenze
konzentrirt werden. Von den drei nach Frankreich hin
dirigirten Armeen soll die „Nordarmee" aus dem 7. und
10. Armeecorps und dem Gardecorps bestehen u. zwischen
Aachen und Düsselldorf postirt werden, mit Ausnahme der
Gardeartillerie zu Fuß, die nach Metz gelegt wird. Die
„Mittelarmee" umfaßt die Armeecorps 4, 8 und 11
und eine Division Kavallerie und wird sich die Linie
zwischen Trier und Köln als Operationsbasis nehmen.
Die Südarmee ist „auf ausdrückliches Verlangen der
italienischen Regierung" besonders stark an Truppenzahl.
Sie wird aus dem 3., 14., 15. u. 16. Armeecorps sowie
dem ersten baierischen formirt und soll hauptsächlich dazu
bestimmt sein, gegen die zwischen Mosel u. Ardennen auf-
gestellten französischen Truppen zu operiren; während das
zweite baierische und das württembergische Armeecorps an
der Schweizer Grenze konzentrirt werden solle, unter-
stützt von vier Armeecorps der Reservetruppen. Die
italienische Armee hätte dann nur noch gegen das 14.
15. und 16. französische Corps zu kämpfen. Die Ver-
thcidigung des Elsaß falle den in Schlettstadt, Kolmar,
Mülhausen und Zabern liegenden Regimentern zu. Die
Schwerpunkte der deutschen Truppenkonzentration werden
einerseits gegen Belgien und das Thal der Oise, anderer-
seits gegen die Schweiz und Belfort hin liegen.
Diese Mittheilungen werden von dem Pariser Blatte
noch mit zahlreichen Einzelheiten erläutert und dazu be-
merkt, daß, wenn die offiziöse deutsche Presse den geringsten
Zweifel an der Authentizität der gemachten Angaben er-

heben sollte, man sie durch einige genauere Details ent-
waffnen werde. — _
Zum russisch-deutsche» Handelsvertrag
bringen die Petersburger „Birshewija Wedomosti" an
leitender Stelle eine eingehende Besprechung, aus welcher
nachstehende Gesichtspunkte hervorgehoben sein mögen. Es
sei unnütz, sich über die beiderseitigen Vortheile zu ver-
breiten, die ein Handelsvertrag zwischen den beiden
Nachbarmächtcn im Gefolge haben würde. Auch sei der-
zeit, da noch die Einzelheiten der beiderseitigen Vorschläge
sich der öffentlichen Erörterung entzögen, vornehmlich die
Thatsache nur von hervorragendem Interesse, daß die
deutsche Neichsregierung unentwegt weiter die unter dem
neuen Kurs einmal betretene Richtung ihrer Handelspoliik
verfolge. Graf Caprivi erblicke in der Zollpolitik
das geeigneste Mittel zur Beeinflussung der russischen
auswärtigen Politik, jedoch im Sinne der Erhaltung des
Friedens und nicht einer Beschränkung der russischen Politik
der freien Hände. Und der Friede sei ein Segen, vor
dem eigennützigen Privatzwecke in den Hintergrund zurück-
treten sollten; da aber bei der gegenwärtigen politischen
Lage, wie Jedermann wüßte, Krieg oder Frieden von dem
guten Willen Rußlands und Deutschlands abhänge, so
sei von diesem Gesichtspunkte aus zu sagen, daß der
deutsch-russische Handelsvertrag die goldene Brücke über
den Abgrund werden würde, welcher bisher zwischen den
beiden Mächten klaffte. „Soweit uns bekannt," fahren
die „Birsb. Wed." wörtlich fort, „werden auch unsere
diplomatischen Kreise von den nämlichen Erwägungen
geleitet, indem sie ein Einvernehmen mit Deutschland
auf dem rein politischen Gebiete anstreben, soweit dies
sich mit ver politischen Lage und den Staatsinteressen
Rußlands verträgt.
Deutsches Reich.
Berlin, 8. März. In der heutigen Sitzung der
Militärcommission sprachen Lieber, Buhl und
Richter den Wunsch aus, die Regierung möchte die-
jenigen Punkte der Vorlage bezeichnen, welche sie für die
wichtigsten halte. Reichskanzler GrafCaprivi er-
klärte, die Regierung habe einfach die Aufgabe, die wohl-
erwogene Vorlage nach besten Kräften zu vertheidigen.
Der Standpunkt, über die bisherige Friedenspräsenzstärke
nicht hinausgehen, sei für die Regierung unahnehm-
bar. Wenn aus dem Schooße der Commission für
einzelne Punkte Vorschläge gemacht würden, s» werde
der Bundesrath desselben in Erwägung ziehen. Hammer-
ste in fordert die Oppostition auf, formulirte Gegenvor-

SchickfcrLswege.
Novelle
7) »,n C. Kontane.
(Fortsepung.)
Frau Bauinspektor Kranz fuhr nach einigem Nach-
denken fort:
Der Onkel nahm da- Anerbieten, Hedwig bei ihrer
Dante zu lassen, unter den obwaltenden Umständen mit
Dank an, und die kinderlose Frau hatte Hedwig so in
ihr Herz geschlossen, daß sie sich nicht mehr in eine voll-
ständige Trennung von ihr finden konnte. Sie verlangte,
daß Hedwig, so lange sie unverheirathet bliebe, wenigstens
einen Theil jedes Jahres bei ihr zubringen sollte, und
der Onkel fügte sich schon um Hedwigs willen, für die
ja das Leben auf dem Lande naturgemäß ein sehr ein-
sames ist. Nun ist die Tante in Merseburg in letzter
Zeit immer kränklich gewesen, und so ist es gekommen,
daß Hedwig länger bei ihr geblieben und, seitdem wir
hier wohnen, erst jetzt zum ersten Male wieder nach
Hause gekommen ist. Der Onkel hat die lange Tren-
nungszeit dadurch verkürzt, daß er gelegentlich einen Be-
such in Merseburg gemacht, und die Zeit, während
welcher Hedwig mit der Kranken in Warmbrunn war,
ebenfalls dort zugebracht hat.
Du bemerktest vorhin, daß Hedwig vierundzwanzig
Jahre alt ist. Das ist richtig. Natürlich hat es einem
so fein gebildeten, dabei hübschen und vermögenden Mäd-
chen nicht an Freiern gefehlt, sie hat aber alle Anträge
«bgclehnt."

„Nun, Mamachen, es ist eben der Rechte noch nicht
gekommen," bemerkte Ida, indem sie ihrem Bruder Fritz,
auf den sie wirklich sehr stolz war, einen schalkhaften
Blick zuwarf.
Er bemerkte denselben aber nicht, oder wollte ihn
vielleicht nicht bemerken. Seine Gedanken schweiften
hinüber nach dem Hause am Marktplatz, und vor seinen
Augen stand ein blasses schönes Antlitz von schwarzen
Flechten umrahmt.
„Du scheinst ermüdet, mein Sohn," sagte die Mutter,
ihm zärtlich mit der Hand über das volle Haar streichend.
Er hielt die geliebte Hand fest, und küßte sie. Es war
ein schönes Bild, wie die Mutter voll Stolz auf den
stattlichen Sohn herabblickte, den Sohn, der nun ein
Mann, wieder heimgekehrt war, der voll Vertrauen und
Hoffnung iu die Zukunft blicken konnte, denn er hatte
das ersehnte Ziel erreicht.
Jetzt konnte er das Wort einlösen, welches er einst
dem sterbenden Vater gegeben batte, konnte sorgen und
schaffen für die treue liebevolle Pflegerin seiner Jugend.
Ein Gefübl inniger Dankbarkeit erfüllte sein Herz
aber auch gegen den Mann, dessen uneigennütziger Güte
er es verdankte, daß er das ersehnte Ziel erreicht, und
er gelobte sich, ihm diesen Dank durch die That zu be-
weisen.
Die Mutter geleitete ihn nach dem Stübchen, welches
sie unter Jda's thätiger Mitwirkung schon für den lange
erwarteten Sohn eingerichtet hatte. Dort stand der alte
Schreibtisch des Vaters, an dem der Knabe so oft seine
Schularbeiten gemacht, davor der ledergepolsterte Sessel,
den der Vater stets benntzt. Dort stand auch das Bett,

wie er es stets bei seinen Ferienbesuchen im Elternhause
bereit gefunden und die Mutter wünschte im zärtlich
gute Nacht.
Mit einem Gefühl unendlichen Wohlbehagens ging
er zu Bett und schlief fest und süß bis in den Hellen
Morgen hinein. _
Im Laufe des Vormittags schrieb er an den Onkel
und meldete seine Ankunft. Der Brief war eben fertig
und der Aufwärterin zur Beförderung nach der Post
übergeben, als es klopfte. Friedrich ging, um zu öffnen
und war sehr angenehm überrascht, als er den Major
cintreten sah.
Mit artigen Worten bat der unerwartete Gast, die
Störung zu entschuldigen, ließ sich den beiden Damen
vorstellen, und nachdem er den angebotencn Stuhl an-
genommen, sagte er zu Friedrich gewandt:
Sie haben sich gestern Nachmittag so unbemerrkt
entfernt, Herr Doktor, daß es mir zu meinem Bedauern
nicht möglich war, Ihnen meinen Dank auszusprcchen.
Ich war auch, offen gestanden, durch die unerwartete
Ankunft meiner Tochter so konsternirt, daß ich in den
ersten Minuten Ihre Gegenwart vergaß. Ich komme da-
her heute, mich dieser meiner Pflicht zu entledigen und
danke Ihnen herzlich für die freundliche Fürsorge, welche
sie meiner Tochter gewidmet haben. Meine Tochter,"
fuhr er zu der alten Dame gewendet fort, „hat sich einige
Monate in Berlin bei einer befreundeten Familie aufge-
halten, wo ich sie in guter Obbut wußte. Ich wollte
ihr die mit einem Umzüge und der ersten Einrichtung
an einem neuen Wohnorte unvermeidlich verbundenen
mancherlei Beschwerden und Widerwärtigkeiten ersparen
 
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