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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

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No. 71 - No. 80 (24. März - 6. April)
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Heidelberg, Freitag, 31. März

1893.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Expedition:
Hauptstraße 25.

Man greife die Sache selbst an und nicht die Person.
Ich meine, wir wollen nicht vergessen, daß aus dem Juden-
thum das Christenthum erwachsen ist, daß der Stifter unserer
Religion ein Jude war, daß die ersten Christen Juden
waren, und daß wir sie verehren als die Gründer unserer
beiligcn Religion und daß die Katholiken sie sogar als
ihre Heiligen verehren! Wollen wir das nicht vergessen;
und ferner auch das nicht, daß die beil. Bücher der Juden
zum Theil auch unsere heiligen Bücher sind und wie-
viel Gemeinsames unsere Religion hat! Auf der anderen
Seite wollen wir auch nicht vergessen, daß wir Christen
durch Jahrhunderte die Juden geknechtet haben, in der
unwürdigsten Weise sie behandelt haben. Wenn
dann durch Mißhandlung von Jahrhunderten sich
gewisse Charaktereigenschaften bei den Juden ausgebildet
haben, die uns nicht gefallen, die auch mir mißfallen,
wollen wir alsdann pharisärisch auftreten und sagen:
mit euch wollen wir nichts zu thun hüben, ihr taugt in
unser Staatsleben nicht hinein? Das ist kein richtiger'Weg,
namentlich nicht für einen Christen ; sondern wir haben uns
und unsere Religion so gegenüber den Juden zu beweisen —
und das wird die Lösung der Judenfrage dereinst sein müssen
—, daß sie in dem Christenthum diejenige Anziehungskraft
finden, die es ihnen ermöglicht, auch einmal gute Christen
zu werden. Das ist die richtige Lösung der Frage."
Auch Frhr. v. Schorlemer verurtheilte die Antisemitische
Bewegung als solche. Jeder Versuch, die Juden aus
dem Staate hiuauszubringen, werde vergeblich sein. „Ich
bin deßhalb, fährt er fort, auch gerade der Meinung, daß
die antisemitische Bewegung eine so wenig practisch wirk-
same sein wird. Die ausschreitende Art, die sie hat,
macht sie mir schon ganz unsympathisch. Was ich bisher
von der antisemitischen Bewegung gesehen habe, ist nur
eine ungcbcurc Aufwühlung der Leidenschaften, eine große
Verrohung des Tones, der ja auch jetzt schon im Parlament
sich gezeigt hat, u. wenn einmal ein solcher abschüssiger Weg be-
treten ist, so wird man darin noch weiter kommen. Ich muß
sagen, daß ich vor Allem wünschte, daß man statt der vielen
Reden, die gehalten, und der Vereine, die gebildet worden
sind, besser mit wirklich practischen Maßregeln vorginge.
Ich bin auch der Meinung, es ist in der That schon an
dumpfer Unzufriedenheit und böser Stimmung so viel
vorhanden, daß man vor allen Dingen dem entgegen-
arbeitensollte, damit nicht noch mehr solcher Brennstoff
sich ansammelt. Denn wir können nicht wissen, zu welcher
Erplosion das führen wird, llm so bedauerlicher ist es,
wenn die Regierung im preußischen Landtage sowohl wie
im Reichstage zwar die „Enthüllungen" des Abgeordneten

Ahlwardt zurückweist, im Uebrigen aber der antisemitischen
Bewegung gegenüber den Kopf in den Sand steckt.
Dem Ahlwardtismus kann man nur ein Ende machen,
wenn man die Quellen, aus denen er stammt, aufdeckt
und trocken legt. Die Verhandlung gegen Ahlwardt wird
nur dann nicht fruchtlos sein, wenn die Regierungen und
die Parteien diesen Weg beschreiten."
Deutsches Reich.
clt. Aus dem Bezirk, 30. März. In der Groß-
herzoglichen Haupt- und Residenzstadt Karlsruhe hat die
nationalliberale Partei den Freisinnigen und dem Centrum
einen Kompromiß angetragen, um bei den bevorstehenden
Stadtverordnetenwahlen einen Sieg der Socialdemokraten
zu verhindern. Das ist äußerst bedeutsam, nicht nur für
den Fortschritt der Socialdemokratie, sondern auch für
den Rückgang des Nationalliberalismus, als dessen Rück-
grat in unserem Lande seither Karlsruhe, die Residenz,
die Stadt der Beamten und vornehmen Pensionäre, galt.
Karlsruhe vergab seither seine Mandate anstandslos und
beinahe unbestritten den hervorragendsten Führern der
nationalliberalen Partei. Und nun muß sich diese selbe
Partei an ihre einstigen lachenden Erben, die Freisinnigen
und an den „alt bösen Feind", das Centrum wenden,
um im Innersten des eigenen Hauses, im Ratbhause,
Schutz vor der Umsturzpartei zu finden! Es ist geradezu
tragisch. Auch die beiden andern Parteien fühlen sich
augenscheinlich bedrängt durch den socialistischen Kukuk,
denn sic sind auf den Vergleich eingegangen. Welche
Aussichten eröffnen sich uns angesichts solcher Sachlage
für die bevorstehenden Landtagswahlen! Mannheim, die
zweite Hauptstadt des Landes, ist durch zwei social-
demokratische Abgeordnete vertreten; wird man, um die
anderen Städte für die Ordnungsparteien retten zu können,
den 30jährigcn Partei- und Prinzipienbader cinstellen
müssen, um sich vereint gegen den gemeinsamen Feind
zu wenden? Eine officiöse Korrespondenz aus Karlsruhe
im „Schwäb. Mercur" scheint dies bejahen zu wollen;
dieselbe spricht nämlich von „einer Personcngruppirung
im neuen Ministerium, die besonders geeignet ist, die
künftigen parlamentarischen Verständi-
gungen zu erleichtern". — Es muß doch etwas
recht faul sein im Staate, wenn man es für nöthig
findet, gewissermaßen den Kampf der Geister um den
Culturfortschritt einzustellen, um das Ueberwuchern eines
Auswuchses am Körper der staatlichen Gesellschaft zu ver-
hindern. — Man redet der möglichst ungebundenen Frei-
heit des Studentenlebeus auch aus dem Grunde das

Nah einem Jahre wurde mir eine Tochter geboren,
Von Neuem hoffte ich, daß der Besitz des Kindes meine
Gattin von leeren Zerstreuungen ab- und einem häuslichen
Leben zuwenden werde. Ich hoffte vergebens.
Ihre Eltern, die die einzige Tochter abgöttisch liebten,
fanden es natürlich und selbstverständlich, daß dieselbe
bei keiner Gesellschaft, bei keinem öffentlichen Vergnügen
fehlte, sie waren stolz auf die Bewunderung, die man
ihrer Schönheit überall entgegenbrachte. Bei ihnen fand
ich also keine Unterstützung. Ich gab den Widerstand
auf und ließ sic gewähren, um Frieden zu haben.
Lassen Sic mich über die folgenden Jahre schweigen.
Mein heranwachsendes Kind machte mein einziges Glück
aus. Meine Gattin liebte die Tochter in ihrer Art. Bald
stürmische Liebkosungen, bald tagelange Vernachlässigung
waren aber nicht geeignet, das Herz des zartfühlenden
Kindes an sich zu fesseln. Mit steigendem Groll mußte
sie sehen, daß ihr einziges Kind sich mebr und mehr von
ihr abwandte, während es sich mit um so größerer Zärt-
lichkeit an mich anschloß.
Je mehr ich einsah, daß der unverhältnißmätzige Auf-
wand, welcher meiner Frau gewissermaßen Lebensbedürf-
niß war, mein ererbtes Vermögen verringerte, um so mehr
hielt ich es Pflicht, zur Sparsamkeit zu mahnen. Ich
war inzwischen allerdings zum Hauptmann avancirt, aber
mein Gehalt reichte für unsere Bedürfnisse nicht aus.
Nun starb auch ihr Vater, der ihr bis dahin auch
immer noch ansehnliche Zuschüsse gewährt hatte, um die
Lurusausgaben zu bestreiten, zu welchen ich ihr die Mittel
energisch versagte.

Die Trauer um ihn enthob sie zunnächst ihrer zahl-
reichen gesellschaftlichen Verpflichtungen und inzwischen
erfolgte nicht ohne thätigc Mitwirkung meinerseits, meine
Versetzung nach der Festung G. Meine damals kaum
15jährige Tochter blieb zur Vollendung ihrer Ausbildung
an unserem bisherigen Wohnorte in einem Pensionat
zurück. Ich hatte mich nur wicderstrebend diesem Wunsche
gefügt, mußte es aber später als ein Glück betrachten,
daß sie den Ereignissen serngeblieben war-
In G. war das Leben zwar minder kostspielig, aber
geselliger Verkehr ließ sich doch nicht vermeiden, und
meine Frau, welche trotz ihrer dreiunddreißig Jahre noch
nichts von ihrer Schönheit eingebüßt hatte, bildete auch
hier bald den Mittelpunkt der Gesellschaft, den Gegen-
stand allgemeiner Huldigungen, die sie als etwas ihr
Gebührendes entgegennahm.
In den höheren Gesellschaftskreisen G's tauchte damals
ein Baron Rosetti auf, ein Oesterreicher, der sich durch
sein sicheres Auftreten und seine weltmännische Gewandt-
heit bald allgemein beliebt machte. Man erzählte, daß
er sich in Schlesien anzukaufen beabsichtige, auch leitete
er in der That Verhandlungen mit größeren Grundbe-
sitzern der Ilmgegend ein, die jedoch resultatlos blieben.
Es war damals die Zeit der preußisch-österreichischen
Waffenbrüderschaft, der gemeinschaftlichen Okkupation
Schleswig-Hosteins, und dies trug dazu bei, den Baron,
der sich als einen ehemaligen Offizier bezeichnete, in unseren
Kreisen schnell heimisch zu machen. Er war ein schöner
und auch in gewissem Grade geistreicher Mann und
huldigte namentlich meiner Frau in ritterlicher Galanterie.
Ich hatte kein Arg dabei, denn wenn ich auch längst

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Verkünbigrmgsblatt und Anzeiger

Die,^Bürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
«er So'nntagsnummer liegt ein Unter-
baltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Mmor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

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für Heidelberg: monatl. 40 Pfg. mit
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Geschäfts- u. Privatanzcigen 5 Pf.

hin,

von

Schicksalswege.
2«) Novelle von C. Fontane.
(Fortsetzung.)
Er blickte einen Augenblick sinnend vor sich
^nn begann er:
„Ich war ein blutjunger Offizier, als mir die
Zielen beneidete Funktion des Adjutanten bei dem General
An P. übertragen wurde. Der General war mein be-
Anderer Gönner. Er zog mich nicht nur zu allen in
^>Ncm Hause stattfindenden Festlichkeiten und Gesellschaften
Indern öffnete mir auch seinen engeren Familienkreis,
^Nd bald war ich täglicher Gast in seinem Hause.
Seine schöne, damals erst achtzehnjährige Tochter war
Ar die Bewunderung, welche der unerfahrene junge
Offizier ihrer Schönheit, ihren geselligen Talenten entgegen-
machte, nicht empfindlich, ja sie bevorzugte mich offen
Ar ihren zahlreichen sonstigen Anbetern. Lassen Sie mich
Arz "sein. Ihre Eltern begünstigten meine Werbung,
A gab mir ibr Jawort, und ich hielt mich für den glück-
'chsten der Menschen.
Mein Glück war leider von kurzer Dauer. Bald, nur
A, bald entdeckte ich, daß meine junge Gattin keinen
PNu für jenes stille, häusliche Glück besaß, welches ich
Ar träumte. Leichtsinnig und nur dem Genuß des Augen-
ecks lebend, stürzte sie sich in den Strudel von Zcr-
Meuungen und Vergnügungen, sammelte nach wie vor
^Aen Kreis von Bewunderern um sich, und je mehr ich
/Ahnte und warnte, desto mehr wandte sie sich von mir

LS8

DSU" Des Charfreitags wegen er-
scheint morgen kein Blatt.
Der Abonnementspreis
für die
„Würger - Zeitung"
beträgt für Heidelberg und nächste Umgebung
monatlich nur 40 Pfg.
Wit Trägerlohn.
Für auswärts vom 1. April ab vierteljährlich
am Postschalter abgeholt:
AW- 1 Mark "HW
durch den Briefträger frei in's L»aus gebracht:
1 Mk. 40 Pfg.
Bestellungen der „Bürger-Zeitung" werden für
auswärts durch die Post, innerhalb der Stadt und nächster
Umgebung durch unsere Träger entgegengenommen.
Verlag der „Vürger-Zeitnng".

Stimmen über den Antisemitismus.
Wie allgemein die Verurtheilung des antisemitischen
Treibens ist, wie alle Parteien mit wenigen Ausnahmen
Unumwunden das Auftreten eines Ahlwardt als einen
»Schandfleck unserer Zeit" bezeichnen, dazu auch die Aus-
lassungen des Oberbürgermeisters Struckmann und des
Hrbr. v. Schorlemer-Alst als Beispiele:
„Ich bin vollständig damit einverstanden, sagte
Ttruckmann, daß wir Mißbräuche im Staatswesen be-
impfen, möge es sich um Juden, Christen oder Andere
bandeln. Ich bin vollständig bereit, wo ich etwas
schlimmes im Staatswesen oder wirkliche Aus-
wüchse scbe, da entgegenzutretcn: aber immer auf
bem Boden der Verfassung und nicht mit Mitteln
gegenüber einer einzelnen Classen, sondern mit
ben allgemeinen Mitteln der Gesetzgebung; denn
Un Gesetz, welches ich gegen die Juden mache, muß ich
wich gegen die Christen erlassen. Nun mag cs gewisse
Zerbrechen und Dinge geben, zu denen die Juden ver-
wöge ihrer vorzugswcisen Beschäftigung besonders neigen.
T^ann mag man der Sache auf den Leib gehen, dagegen
Un Gesetz geben, aber nicht gegen die Juden allein.

- 8ok.

mit mit-
Geschäft
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