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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
No. 11 - No. 20 (13.Januar - 24. Januar )
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Die „Bürgerzeitung"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltnngsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

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Verkündigungsblatt und Anzeiger
für Stadt und Lun

12.

Heidelberg, Samstag, 14. Januar

1893.

Werschiedenes vom Hage.
Nom Reichstag. — Den Reichstag wird demnächst
die Anfrage beschäftigen, ob der Reichskanzler gewillt sei,
dem Gr ndsatz der Unverletzlichkeit des Privat-
eigentbums zur See in Kriegszeiten auf
einer internationalen Konferenz die völkerrechtliche Aner-
kennung zu verschaffen. Schon vor einem Jabre bat sich
der Reichstag mit dieser wichtigen Angelegenheit be-
schäftigt. Damals verhielt sich der Reichskanzler ab-
lehnend gegenüber einem förmlichen Anträge der Abgg.
Jebsen und Baumbach. Er führte aus, daß die Ver-
wendbarkeit der großen Handelsschiffe für den Kriegs-
dienst das Recht, sie zu verfolgen und zu beschlagnahmen,
unentbehrlich mache. Ferner erfordere die Nachhaltigkeit
der Kriegsführung die Lähmung des ganzen wirthschaft-
lichen Lebens der feindlichen Nation und diese sei durch
die Bedrohung der Handelsflotte besonders wirksam zu
erreichen. Angesichts dieser ablehnenden Erklärung zogen
die Antragsteller ihren Antrag zurück, um der voraus-
sichtlichen Ablehnung zu entgehen. Diesmal haben sie
sich mit einer Anfrage begnügt und man darf gespannt
sein, welche Antwort ihnen seitens des Reichskanzlers
nunmehr zu Theil werden wird. Daß es sich um eine
wichtige Culturfrage handelt, ist unzweifelhaft.
Arbeiterausstand. — Ueber die Verhältnisse in den
westdeutschen Streikrevicren können die „B- P- N." auf
Grund eigener Betrachtung folgendes mittheilen:
„Was den unbefangenen Beobachter der ganzen be-
dauerlichen Vorgänge auf den ersten Blick frappirt, ist
die durchweg zu Tage tretende absolute Planlosigkeit der
- Ausständigen. Schreiber dieses ist sowohl mit zahlreichen
! Arbeitgebern als auch Arbeitern in Berührung gekommen
j die Antworten aber, welche auf Erkundigungen nach der
eigentlichen Ursache des Massenausstandes zu Theil wurden,
! verschafften die Ueberzcugung, daß, von den Führern
i natürlich abgesehen, wohl die Wenigsten der Streikenden
auch nur den Versuch gemacht hatten, sich von dem Warum
ihres Thun, von der Tragweite des Ausstandes Rechen-
schaft zu geben. Jeder streikt, weil es die Kameraden auch
so machten, man hat es hier mit einer Aeußerung des
Heerdcntriebes in seiner bedenklichsten und schadenbringend-
sten Entwicklung zu thun. Allgemein war man in den
Meisen der Arbeitgeber der Ansicht, daß die Arbeits-
einstellung im Saarrevicr niemals den jetzigen, auch die
benachbarten westfälischen Bezirke, mit bedrohenden Um-
sang angenommen haben würde, wenn die königliche Verg-
»erksverwaltung sich gleich von vornherei n auf den Stand-

In schwerem WeröcrchL.
11) Criminal-Novellc
»on Reinhold Ortmann.
(Fortsetzung.)
Noch che dieZofe vollendet, hatte der treue, in denDiensten
des Grafen ergraute Diener, der auch der neuen Herrin
mit ganzer Seele ergeben war, die Gardine auseinander-
gerissen und das sonst unnahbare Heiligthum betreten. Auch
jhm genügte ein Blick, um die ganze schreckliche Wahr-
heft zu erkennen und nun bedurfte es nur weniger Augen-
blicke um das ganze Dienstpersonal des Hauses in den
sonst auch während des Tages mit ängstlicher Scheu ge-
miedenen Räumen zu versammeln.
„Jean!" rief der Alte einem der in furchtlosem Ent-
setzen Dastehenden zu, „eile so schnell Du kannst zum
Doktor Birkenfeld und Du, Fritz, lauf' sofort zum nächsten
Polizeiamt, denn ich fürchte, hier ist ein furchtbares Ver-
brechen verübt worden!"
Die Angeredeten kamen dieser Weisung nach und unter
den Zurückbleibenden begann sich allmälig der lähmende
Bann des ersten Schreckens zu lösen, welche alle bei der
wie ein Blitz vom heiteren Himmel herabfahrcnden Alarm-
nachricht gefangen genommen hatte. Die Weiber begannen
laut zu heulen und zu jammern und die Männer tauschten
mit innerem Beben und scheuen Seitenblicken auf die ent-
seelte Hülle ihrer Herrin, die noch Niemand zu berühren
gewagt, flüsternd ihre Vermuthungen über das unerhörte
Ereigniß unter einander aus.

punkt unnachsichtigster Geltendmachung der Autorität des'
Arbeitgebers gestellt hätte, wie sie es jetzt zu thun ent-
schlossen scheint und wie es 1890 von einzelnen Zechen-
verwaltungen geschah, als die streiklustigen Elemente vor
die Alternative der sofortigen bedingungslosen Rückkehr
zur Arbeit oder der unverzüglichen endgiltigen Entlassung
gestellt wurden. Angesichts von Massen, die so völlig in
willenloser Abhängigkeit von ein paar rücksichts- und
skrupellosen Führern stehen, ist auch das geringsteZeichen
des Einlenkens, des Entgegenkommens vom Uebel, weil
es alsbald als Schwäche ausgelegt wird und solchermaßen
Oel in das Feuer der erregten Leidenschaften gießt."
Die Stimmung des französischen Volkes. — Die
Entwickelung einer größeren Thatkraft der leitenden Kreise
in Frankreich erscheint jetzt umso dringender geboten, als
das seitherige unentschlossene, ängstliche Zögern und Tasten
die Regierung in der Werthschätzung des Volkes stark
geschädigt bat. Einer starken Staatsgewalt sieht der
Franzose vielerlei nach, was ^er einer schwächlichen Leitung
zum todeswürdigen Verbrechen anrechnen würde. Die
aus den Weihnachtsfcrien nach Paris zurückgekehrten De-
putirten erzählen nicht sehr viel Erbauliches aus ihren
Ferienerlebnissen in den heimathlichen Departements. Die
Stimmung der Bevölkerung ist fast ausnahms-
los eine tief erbitterte und regierungsfeind-
liche geworden. Massenhaft sind die Wähler von ihrer
vertrauensseligen Schwärmerei für die Republick zurück-
gekommen und selbst die, welche sich ein von den trüben
Erfahrungen der letzten Monate verhältnißmäßig unge-
trübtes Unheil bewahrt haben, würden doch für die jetzige
parlamentarische Verkörperungsform des republikanischen
Gedankens nicht den kleinen Finger rühren, wenn irgend
ein unternehmender Parteigänger Miene machte, die Re-
publik als solche für den Panamaschwindel und sonstige
Geschehnisse verantwortlich zu halten. Frankreich will
regiert und verwaltet sein, nicht aber sich von einem Ringe
beutelustiger Abenteurer ausplündern lassen. Es stände
schlimm um die Republik, wenn dieser Wille des Landes
von denen, die er zunächst angebt, mißachtet würde und
unerfüllt bliebe.

Deutsches Reich.
Karlsruhe, 12. Jan. Der Kaiser traf gegen
l/yll Uhr hier ein und wurde vom Großherzog, dem
Erbgroßh erzog, den Prinzen Wilhelm und Karl, dem
General Schlichting, dem preußischen Gesandten Eisen-
decher und dem Stadtkommandant Broesigke empfangen.

„Vielleicht ist noch Rettung möglich," meinte der Eine,
„wir wissen ja noch gar nicht, ob die gnädige ^rau wirk-
lich todt ist!"
„Da ist kein Gedanke mehr an Hülfe," sagte mit
traurigem Kopfschütteln der Alte; „die Augen sind ge-
brochen und die Hände sind kalt wie Eis!"
„Aber wer sagt uns denn, daß hier ein Verbrechen
vorliegt? Es wird ein Schlagfluß oder ein Krampf ge-
wesen sein!"
„Nein, ein Mord ist's, ein unglaublicher, entsetzlicher
Mord! Da schau her, man kann ja die Nägelcindrücke
am Halse sehen!"
Mit innerem Grausen, das jeder so viel als möglich
zu verbergen suchte, betrachteten die Männer die Spuren,
welche der eiserne Druck von d'Hervilly's Hand an dem
alabasterweißen Halse zurückgelassen hatte. Das ganze
Ereigniß war ihnen unerhört, so unfaßlich, daß nur die
eine Frage unter ihnen laut wurde:
„Wie konnte das geschoben?— kann der Mör-
der sein?"
Alle Möbels, alle Gegenstände im Zimmer standen
in schönster Ordnung an ihren Plätzen. Die Pretiosen,
welche die Gräfin am vergangenen Abend getragen, lagen
vollständig in dem unverschlossenen Schmuckkästchen. Die
kostbare, mit Brillanten besetzte Haarnadel steckte sogar noch
in den üppigen dunklen Flechten — nichts deutete auf
einen Raub, auf e.nen Diebstahl hin, und nur das ge-
öffnete Nachtgewand, dessen Spitzen ein wenig zerknittert
waren, ließ auf einen kurzen Kampf des Mörders mit
seinem Opfer schließen.
Aber wer war der Mörder? Wer hatte unbemerkt in

Auch der Fürst zu Hohenlohe, Statthalter von Elsaß
Lothringen, welcher heute Früh 8 Uhr aus Wien hier
eingetroffen und im Großherzoglichen Schlosse abgcstiegen
war, war zum Empfang anwesend. Um 12 Uhr kam
der Prinz von Sachsen-Altenburg aus Heidelberg hier an
und nahm Wohnung im Großherzoglichen Schlosse. Nach
1 Uhr fand Dejeuner statt, an welchen: sämmtlichc Fürst-
lichen Personen theilnahmen, während cas Gefolge an
der Marschallstafel speiste. Nachmittags besuchte der
Kaiser mit dem Großherzog, der Großherzogin und dem
Erbgroßherzog die Ateliers der Professoren Keller, Heer
und Moest. Abends fand Besuch der Festvorstellung im
Hoftbeater statt. Zu den abgesagten Manövern waren
die Truppen von Rastatt, Durlach, Ettlingen, Bruchsal
und Mannheim ausgerückt. — Im Großherzoglichen
Schlosse wurden die aus dem Commercienrath Lueg-
Obcrhausen, Director Th i elen-Ruhrort, Commerzienrath
Michels-Köln und dem Beigeordneten Bürgermeister
Lallement-Metz bestehende Abordnung in Sachen der
Mosclcana lisirung vom Kaiser in wohlwollend-
ster Weise empfangen. Als Wortführer der Abordnung
sprach Commerzienrath Lueg-Oberhausen. Er erläuterte
in längerer Darlegung die Wichtigkeit des Mvseleanals.
Der Kaiser zeigte sich über die Frage völlig unterrichtet
und bekannte sich als einen warmen Freund des Aus-
baues unserer Wasserstraßen. Die Ausführung sowohl
des Moselcanals als der anderen Canalvorhaben wünsche
er dringend, damit das Getreide von Osten nach dem
Westen und die industriellen Erzeugnisse des Westens
nach dem Osten auf dem Wasserwege befördert werden
könnten. Er werde eine genaue Prüfung des Vorhabens
veranlassen und hoffe, daß die Finanzlage des Staates
seine baldige Verwirklichung gestatten werde. Er rechne
dabei auf die Opferwilligkeit der Städte, die durch die
Uebernahme der Hafenanlagekosten die Sache fördern
müßten. Nachdem noch mehrere Fragen seitens des Kaisers
gestellt und von der Abordnung beantwortet waren, wurde
die Abordnung vom Kaisers mit der nochmaligen Ver-
sicherung, daß er ein warmer Anhänger der Wasserstraßen
sei und das Moselcanalvorhaben kräftig fördern werde,
in gnädigster Weise entlassen.
Sigmaringen, 12. Jan. Der Kaiser hat dem
Ministerpräsidenten Catargi den Rothen Adler-
orden erster Classe verliehen. Der Kriegsminister
Lahovarn begibt sich von hier nach Berlin.
Berlin, 12. Jan. In der gestrigen ersten Sitzung
der Militärcommission erörterte der Reichskanzler
in zweistündiger Rede eingehend die politische Lage,
das Zimmer dringen können, daß auch nicht ein einzige
Hülferuf, nicht ein einziges Klingelzeichen von Seiten der
Ermordeten die Aufmerksamkeit der übrigen Hausbewohner
erregte ?
Man stand vor einem unlöslichen Räthsel und sah bald
ein, daß alle die Möglichkeiten, in deren Annahme man
sich erschöpfte, nur leere haltlose Vermuthungen seien.
Plötzlich flog es über das dunkclrothe Gesicht des Portiers
wie eine plötzliche großartige Erleuchtung, und so hastig,
als ihn diese seine Corpulenz erlaubte, wandte er sich an
die noch immer fassungslose Kammerjungfer mit der Frage:
„Sie haben doch den Mechaniker während seiner Ar-
beit beaufsichtigt, Fräulein Müller?"
Das junge Mädchen sah ihn verwirrt und fragend an.
„Nein, ich bin während dessen auf mein Zimmer
gegangen", erwiderte sie zögernd.
„O, dann kann kein Zweifel mehr sein, wer das Ver-
brechen begangen hat!" rief der dicke Pförtner eifrig und
begann, als ihn Alles mit athemloser Spannung ansah,
eine ganze Reihe von .Vermuthungen für die Schuld des
Mechanikers zu entwickeln, die in der That schwer genug
schienen, um alle Anwesenden mit unumstößlicher Sicher-
heit davon zu überzeugen, daß Niemand anderes als
Weiß der Mörder sei.
Nur der alte Diener, welcher nach der Zofe der Erste
an dem Schreckcnsplatze gewesen war, schüttelte noch zwei-
felnd das Haupt.
„Ich habe den jungen Mann schon als Knaben ge-
kannt und immer eine besondere Vorliebe für den frischen,
ehrlichen und gutmüthigen Jungen gehabt. Ihn halte
ich einer solchen That nimmer für fähig."
 
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